Doch ich kehre zur Censur, weche die weltlichen Zwingherrn von den geistlichen geerbt haben, zu- rück. Nichts ist der Verbreitung eines bereits ge- druckten Buchs vortheilhafter, als ein strenges Ver- bot. Semper in vetitum nitimur. Wer sonst auch nie, oder doch selten ein Buch in die Hand nimmt, wünscht den Jnhalt des verbotenen zu kennen. Es wird gerade wegen des Verbots das Tagesgespräch einer ganzen Nation; wer es nicht bekommen kann, läßt sich von Andern daraus berichten, und so theilt sich oft gerade die bitterste Quintessenz des Jnhalts, die, wäre sie mit dem Ganzen genossen worden, weit minder scharf gewesen seyn würde, von Munde zu Munde überall mit. Selbst unrich- tige Darstellungen des Verfassers werden für wahr und für richtig aufgenommen, weil man voraus- setzt, daß gerade die Unmöglichkeit, sie zu wider-
terthanen Eigenthum der Herrscher sind, ward diesen von jeher durch die Pfaffen eingeknüpft, und er ist noch jetzt ein wesentlicher Bestandtheil des despoti- schen und hierarchischen Princips. Jndessen fordert man doch, wie Ludwig XIV, aus wohlbekannter Billigkeit Gut, Blut und Leben der ärmern und nützlichen Klassen zuerst, und erst dann, wenn man sich weiter nicht helfen kann, wenn jene völlig aus- gesogen sind, zieht man auch die reichen und bevor- zügten, oft wenig nützlichen, oder wohl gar schädli- chen Stände herbei.
Doch ich kehre zur Cenſur, weche die weltlichen Zwingherrn von den geiſtlichen geerbt haben, zu- ruͤck. Nichts iſt der Verbreitung eines bereits ge- druckten Buchs vortheilhafter, als ein ſtrenges Ver- bot. Semper in vetitum nitimur. Wer ſonſt auch nie, oder doch ſelten ein Buch in die Hand nimmt, wuͤnſcht den Jnhalt des verbotenen zu kennen. Es wird gerade wegen des Verbots das Tagesgeſpraͤch einer ganzen Nation; wer es nicht bekommen kann, laͤßt ſich von Andern daraus berichten, und ſo theilt ſich oft gerade die bitterſte Quinteſſenz des Jnhalts, die, waͤre ſie mit dem Ganzen genoſſen worden, weit minder ſcharf geweſen ſeyn wuͤrde, von Munde zu Munde uͤberall mit. Selbſt unrich- tige Darſtellungen des Verfaſſers werden fuͤr wahr und fuͤr richtig aufgenommen, weil man voraus- ſetzt, daß gerade die Unmoͤglichkeit, ſie zu wider-
terthanen Eigenthum der Herrſcher ſind, ward dieſen von jeher durch die Pfaffen eingeknuͤpft, und er iſt noch jetzt ein weſentlicher Beſtandtheil des despoti- ſchen und hierarchiſchen Princips. Jndeſſen fordert man doch, wie Ludwig XIV, aus wohlbekannter Billigkeit Gut, Blut und Leben der aͤrmern und nuͤtzlichen Klaſſen zuerſt, und erſt dann, wenn man ſich weiter nicht helfen kann, wenn jene voͤllig aus- geſogen ſind, zieht man auch die reichen und bevor- zuͤgten, oft wenig nuͤtzlichen, oder wohl gar ſchaͤdli- chen Staͤnde herbei.
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Doch ich kehre zur Cenſur, weche die weltlichen
Zwingherrn von den geiſtlichen geerbt haben, zu-
ruͤck. Nichts iſt der Verbreitung eines bereits ge-
druckten Buchs vortheilhafter, als ein ſtrenges Ver-
bot. Semper in vetitum nitimur. Wer ſonſt auch
nie, oder doch ſelten ein Buch in die Hand nimmt,
wuͤnſcht den Jnhalt des verbotenen zu kennen. Es
wird gerade wegen des Verbots das Tagesgeſpraͤch
einer ganzen Nation; wer es nicht bekommen kann,
laͤßt ſich von Andern daraus berichten, und ſo
theilt ſich oft gerade die bitterſte Quinteſſenz des
Jnhalts, die, waͤre ſie mit dem Ganzen genoſſen
worden, weit minder ſcharf geweſen ſeyn wuͤrde,
von Munde zu Munde uͤberall mit. Selbſt unrich-
tige Darſtellungen des Verfaſſers werden fuͤr wahr
und fuͤr richtig aufgenommen, weil man voraus-
ſetzt, daß gerade die Unmoͤglichkeit, ſie zu wider-
*)
*) terthanen Eigenthum der Herrſcher ſind, ward dieſen
von jeher durch die Pfaffen eingeknuͤpft, und er iſt
noch jetzt ein weſentlicher Beſtandtheil des despoti-
ſchen und hierarchiſchen Princips. Jndeſſen fordert
man doch, wie Ludwig XIV, aus wohlbekannter
Billigkeit Gut, Blut und Leben der aͤrmern und
nuͤtzlichen Klaſſen zuerſt, und erſt dann, wenn man
ſich weiter nicht helfen kann, wenn jene voͤllig aus-
geſogen ſind, zieht man auch die reichen und bevor-
zuͤgten, oft wenig nuͤtzlichen, oder wohl gar ſchaͤdli-
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/226>, abgerufen am 21.02.2025.
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