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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823.

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ner Angebeteten heimkehrte. Das Wetter war eben
so trübe und neblicht, wie die Stimmung seiner
Seele; aus allen Schornsteinen schlug der Rauch
nieder, und je näher er der Pfarre kam, je stärker
vermehrte sich ein lieblicher, levantischer Duft, den
er so lange hatte entbehren müssen, und der so
süße Erinnerungen in ihm zurück rief. Er beflü-
gelte deshalb seine Schritte und stürzte ganz uner-
wartet und athemlos in das Zimmer des Pfarrers.

Dieser sprang erschrocken vom Lehnstuhl, ließ
die brennende Pfeife zur Erde fallen, schüttete der
Frau Pfarrerin eine große Kanne voll heissen Kaf-
fe über das Kleid und rieb sich verlegen die Hände.

Ha, so war es gemeint! rief Herr Christlieb.

Ei nun, was giebt es denn? Jch habe ja
bloß --

Mich angeführt, Unwürdiger --

Eine Pfeife Tabak geraucht, fuhr der Seelen-
hirt fort, und eine Tasse Kaffe getrunken wegen
der Zahnschmerzen! --

Mich betrogen haben Sie, Elender! unterbrach
der entrüstete Hofmeister; und jetzt lügen Sie
noch, um das Maaß Jhrer Sünden recht voll zu
machen! Glauben Sie etwa, daß Sie mir eben so,
wie dem Almosenkasten, falsche Münze für richtige
aufbürden können! Jch weiß Alles, Alles! Jch weiß,
daß Sie zehn und wohl zwanzig proCent von Jh-
rem Mammon nehmen; daß Sie das gute Klinge-

ner Angebeteten heimkehrte. Das Wetter war eben
ſo truͤbe und neblicht, wie die Stimmung ſeiner
Seele; aus allen Schornſteinen ſchlug der Rauch
nieder, und je naͤher er der Pfarre kam, je ſtaͤrker
vermehrte ſich ein lieblicher, levantiſcher Duft, den
er ſo lange hatte entbehren muͤſſen, und der ſo
ſuͤße Erinnerungen in ihm zuruͤck rief. Er befluͤ-
gelte deshalb ſeine Schritte und ſtuͤrzte ganz uner-
wartet und athemlos in das Zimmer des Pfarrers.

Dieſer ſprang erſchrocken vom Lehnſtuhl, ließ
die brennende Pfeife zur Erde fallen, ſchuͤttete der
Frau Pfarrerin eine große Kanne voll heiſſen Kaf-
fe uͤber das Kleid und rieb ſich verlegen die Haͤnde.

Ha, ſo war es gemeint! rief Herr Chriſtlieb.

Ei nun, was giebt es denn? Jch habe ja
bloß —

Mich angefuͤhrt, Unwuͤrdiger —

Eine Pfeife Tabak geraucht, fuhr der Seelen-
hirt fort, und eine Taſſe Kaffe getrunken wegen
der Zahnſchmerzen! —

Mich betrogen haben Sie, Elender! unterbrach
der entruͤſtete Hofmeiſter; und jetzt luͤgen Sie
noch, um das Maaß Jhrer Suͤnden recht voll zu
machen! Glauben Sie etwa, daß Sie mir eben ſo,
wie dem Almoſenkaſten, falſche Muͤnze fuͤr richtige
aufbuͤrden koͤnnen! Jch weiß Alles, Alles! Jch weiß,
daß Sie zehn und wohl zwanzig proCent von Jh-
rem Mammon nehmen; daß Sie das gute Klinge-

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[255/0255] ner Angebeteten heimkehrte. Das Wetter war eben ſo truͤbe und neblicht, wie die Stimmung ſeiner Seele; aus allen Schornſteinen ſchlug der Rauch nieder, und je naͤher er der Pfarre kam, je ſtaͤrker vermehrte ſich ein lieblicher, levantiſcher Duft, den er ſo lange hatte entbehren muͤſſen, und der ſo ſuͤße Erinnerungen in ihm zuruͤck rief. Er befluͤ- gelte deshalb ſeine Schritte und ſtuͤrzte ganz uner- wartet und athemlos in das Zimmer des Pfarrers. Dieſer ſprang erſchrocken vom Lehnſtuhl, ließ die brennende Pfeife zur Erde fallen, ſchuͤttete der Frau Pfarrerin eine große Kanne voll heiſſen Kaf- fe uͤber das Kleid und rieb ſich verlegen die Haͤnde. Ha, ſo war es gemeint! rief Herr Chriſtlieb. Ei nun, was giebt es denn? Jch habe ja bloß — Mich angefuͤhrt, Unwuͤrdiger — Eine Pfeife Tabak geraucht, fuhr der Seelen- hirt fort, und eine Taſſe Kaffe getrunken wegen der Zahnſchmerzen! — Mich betrogen haben Sie, Elender! unterbrach der entruͤſtete Hofmeiſter; und jetzt luͤgen Sie noch, um das Maaß Jhrer Suͤnden recht voll zu machen! Glauben Sie etwa, daß Sie mir eben ſo, wie dem Almoſenkaſten, falſche Muͤnze fuͤr richtige aufbuͤrden koͤnnen! Jch weiß Alles, Alles! Jch weiß, daß Sie zehn und wohl zwanzig proCent von Jh- rem Mammon nehmen; daß Sie das gute Klinge-

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Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/255>, abgerufen am 21.11.2024.