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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823.

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beutelgeld gegen schlechtes umtauschen; daß Sie den
Armenkasten betrügen; daß --

Bester Freund, ich bitte Sie, hören Sie doch --

Jch will es dem Konsistorium berichten --

Mein Gott, so hören Sie nur!

Endlich ließ sich Herr Christlieb besänftigen.
Der Pfarrer sah ein, daß sein Gegner alle seine
Geheimnisse und gewiß durch Niemanden anders, als
durch Christinchens Vater erfahren hatte. Er er-
bot sich deshalb selbst, dem Herrn Kandidaten die
Adjunktur auf die fette Küsterpfründe zu verschaf-
fen, welche der bescheidene Christlieb schon lange
gewünscht hatte, und nach einer halben Stunde
saßen beide Herren wieder so friedlich, wie jemals
bei einer Tasse Kaffe, rauchten freundschaftlich ihr
Pfeifchen, und sprachen vom Lämmlein, von Blut
und Wunden, von den Wirkungen der Gnade, von
der Seligkeit durch den Glauben und von der Ent-
behrlichkeit aller guten Werke.

Vierzehn Tage nachher ward Herr Christlieb
zum Küster- Adjoint und Dorfschullehrer bestellt,
und da Christinchen sich gerade auf dem Vorgebür-
ge der guten Hoffnung befand; so feierte man noch
an demselben Tage in christlicher Stille die Hoch-
zeit. Bald darauf starb der Vater Christinchens
an einer Unverdaulichkeit, die er sich von einem
Kindtaufschmause geholt hatte. Herr Christlieb und
seine Huldin sind also jetzt im ungetheilten Besitz

einer

beutelgeld gegen ſchlechtes umtauſchen; daß Sie den
Armenkaſten betruͤgen; daß —

Beſter Freund, ich bitte Sie, hoͤren Sie doch —

Jch will es dem Konſiſtorium berichten —

Mein Gott, ſo hoͤren Sie nur!

Endlich ließ ſich Herr Chriſtlieb beſaͤnftigen.
Der Pfarrer ſah ein, daß ſein Gegner alle ſeine
Geheimniſſe und gewiß durch Niemanden anders, als
durch Chriſtinchens Vater erfahren hatte. Er er-
bot ſich deshalb ſelbſt, dem Herrn Kandidaten die
Adjunktur auf die fette Kuͤſterpfruͤnde zu verſchaf-
fen, welche der beſcheidene Chriſtlieb ſchon lange
gewuͤnſcht hatte, und nach einer halben Stunde
ſaßen beide Herren wieder ſo friedlich, wie jemals
bei einer Taſſe Kaffe, rauchten freundſchaftlich ihr
Pfeifchen, und ſprachen vom Laͤmmlein, von Blut
und Wunden, von den Wirkungen der Gnade, von
der Seligkeit durch den Glauben und von der Ent-
behrlichkeit aller guten Werke.

Vierzehn Tage nachher ward Herr Chriſtlieb
zum Kuͤſter- Adjoint und Dorfſchullehrer beſtellt,
und da Chriſtinchen ſich gerade auf dem Vorgebuͤr-
ge der guten Hoffnung befand; ſo feierte man noch
an demſelben Tage in chriſtlicher Stille die Hoch-
zeit. Bald darauf ſtarb der Vater Chriſtinchens
an einer Unverdaulichkeit, die er ſich von einem
Kindtaufſchmauſe geholt hatte. Herr Chriſtlieb und
ſeine Huldin ſind alſo jetzt im ungetheilten Beſitz

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[256/0256] beutelgeld gegen ſchlechtes umtauſchen; daß Sie den Armenkaſten betruͤgen; daß — Beſter Freund, ich bitte Sie, hoͤren Sie doch — Jch will es dem Konſiſtorium berichten — Mein Gott, ſo hoͤren Sie nur! Endlich ließ ſich Herr Chriſtlieb beſaͤnftigen. Der Pfarrer ſah ein, daß ſein Gegner alle ſeine Geheimniſſe und gewiß durch Niemanden anders, als durch Chriſtinchens Vater erfahren hatte. Er er- bot ſich deshalb ſelbſt, dem Herrn Kandidaten die Adjunktur auf die fette Kuͤſterpfruͤnde zu verſchaf- fen, welche der beſcheidene Chriſtlieb ſchon lange gewuͤnſcht hatte, und nach einer halben Stunde ſaßen beide Herren wieder ſo friedlich, wie jemals bei einer Taſſe Kaffe, rauchten freundſchaftlich ihr Pfeifchen, und ſprachen vom Laͤmmlein, von Blut und Wunden, von den Wirkungen der Gnade, von der Seligkeit durch den Glauben und von der Ent- behrlichkeit aller guten Werke. Vierzehn Tage nachher ward Herr Chriſtlieb zum Kuͤſter- Adjoint und Dorfſchullehrer beſtellt, und da Chriſtinchen ſich gerade auf dem Vorgebuͤr- ge der guten Hoffnung befand; ſo feierte man noch an demſelben Tage in chriſtlicher Stille die Hoch- zeit. Bald darauf ſtarb der Vater Chriſtinchens an einer Unverdaulichkeit, die er ſich von einem Kindtaufſchmauſe geholt hatte. Herr Chriſtlieb und ſeine Huldin ſind alſo jetzt im ungetheilten Beſitz einer

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Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/256>, abgerufen am 22.11.2024.