Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

ein Katholik ist, von dessen Nichte überall verkez-
zert, verlästert und verfolgt werden. Am sicher-
sten fährt man immer, wenn man ihnen nie mehr
giebt, als sie mit dem unbestreitbarsten Rechte be-
gehren können. Der pfäffische Geiz äußert sich
oft auf die widerlichste und unanständigste Weise,
und was Vater Gleim sagt:

Die Priester gehen mit leerem Magen
Zum Hochzeitschmaus.

ist wahrlich kein ungegründeter Vorwurf. Aerger-
lich für den Wirth und lächerlich für seine übrigen
Gäste ist es, wenn der Bonze mit gierigen Blicken
alle Schüsseln und Flaschen auf der Tafel zählt;
jedes Gericht, welches ihm dargereicht wird, durch-
wühlt, um sich das beste Stückchen heraus zu fischen,
und bald diese, bald jene Speise vorüber gehen
läßt, um von einer folgenden, ihm wohlschmecken-
dern desto mehr zu sich zu nehmen. Jn vielen Ge-
genden Norddeutschlands, ich weiß nicht, ob auch
in andern Ländern, nennt man einen und zwar
den besten Theil am Kälber- und Hammel- oder
Schöpsenbraten sehr charakteristisch den Pfaffenknochen,
weil die Herren Geistlichen sich bei Hochzeit-Kind-
tauf- und Begräbnißschmäusen dies Stück als ihr
legitimes Eigenthum von jeher anmaßten. Häu-
fig hatte ich in frühern Zeiten Gelegenheit bei
dergleichen Gastmahlen, die von geringern Bürgern
und Bauern (denn bei Vornehmen mäßigen

22 *

ein Katholik iſt, von deſſen Nichte uͤberall verkez-
zert, verlaͤſtert und verfolgt werden. Am ſicher-
ſten faͤhrt man immer, wenn man ihnen nie mehr
giebt, als ſie mit dem unbeſtreitbarſten Rechte be-
gehren koͤnnen. Der pfaͤffiſche Geiz aͤußert ſich
oft auf die widerlichſte und unanſtaͤndigſte Weiſe,
und was Vater Gleim ſagt:

Die Prieſter gehen mit leerem Magen
Zum Hochzeitſchmaus.

iſt wahrlich kein ungegruͤndeter Vorwurf. Aerger-
lich fuͤr den Wirth und laͤcherlich fuͤr ſeine uͤbrigen
Gaͤſte iſt es, wenn der Bonze mit gierigen Blicken
alle Schuͤſſeln und Flaſchen auf der Tafel zaͤhlt;
jedes Gericht, welches ihm dargereicht wird, durch-
wuͤhlt, um ſich das beſte Stuͤckchen heraus zu fiſchen,
und bald dieſe, bald jene Speiſe voruͤber gehen
laͤßt, um von einer folgenden, ihm wohlſchmecken-
dern deſto mehr zu ſich zu nehmen. Jn vielen Ge-
genden Norddeutſchlands, ich weiß nicht, ob auch
in andern Laͤndern, nennt man einen und zwar
den beſten Theil am Kaͤlber- und Hammel- oder
Schoͤpſenbraten ſehr charakteriſtiſch den Pfaffenknochen,
weil die Herren Geiſtlichen ſich bei Hochzeit-Kind-
tauf- und Begraͤbnißſchmaͤuſen dies Stuͤck als ihr
legitimes Eigenthum von jeher anmaßten. Haͤu-
fig hatte ich in fruͤhern Zeiten Gelegenheit bei
dergleichen Gaſtmahlen, die von geringern Buͤrgern
und Bauern (denn bei Vornehmen maͤßigen

22 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0259" n="259"/>
ein Katholik i&#x017F;t, von de&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#g">Nichte</hi> u&#x0364;berall verkez-<lb/>
zert, verla&#x0364;&#x017F;tert und verfolgt werden. Am &#x017F;icher-<lb/>
&#x017F;ten fa&#x0364;hrt man immer, wenn man ihnen nie mehr<lb/>
giebt, als &#x017F;ie mit dem unbe&#x017F;treitbar&#x017F;ten Rechte be-<lb/>
gehren ko&#x0364;nnen. Der pfa&#x0364;ffi&#x017F;che Geiz a&#x0364;ußert &#x017F;ich<lb/>
oft auf die widerlich&#x017F;te und unan&#x017F;ta&#x0364;ndig&#x017F;te Wei&#x017F;e,<lb/>
und was Vater <hi rendition="#g">Gle</hi>im &#x017F;agt:</p><lb/>
        <cit>
          <quote>Die Prie&#x017F;ter gehen mit leerem Magen<lb/><hi rendition="#c">Zum Hochzeit&#x017F;chmaus.</hi></quote>
        </cit><lb/>
        <p>i&#x017F;t wahrlich kein ungegru&#x0364;ndeter Vorwurf. Aerger-<lb/>
lich fu&#x0364;r den Wirth und la&#x0364;cherlich fu&#x0364;r &#x017F;eine u&#x0364;brigen<lb/>
Ga&#x0364;&#x017F;te i&#x017F;t es, wenn der Bonze mit gierigen Blicken<lb/>
alle Schu&#x0364;&#x017F;&#x017F;eln und Fla&#x017F;chen auf der Tafel za&#x0364;hlt;<lb/>
jedes Gericht, welches ihm dargereicht wird, durch-<lb/>
wu&#x0364;hlt, um &#x017F;ich das be&#x017F;te Stu&#x0364;ckchen heraus zu fi&#x017F;chen,<lb/>
und bald die&#x017F;e, bald jene Spei&#x017F;e voru&#x0364;ber gehen<lb/>
la&#x0364;ßt, um von einer folgenden, ihm wohl&#x017F;chmecken-<lb/>
dern de&#x017F;to mehr zu &#x017F;ich zu nehmen. Jn vielen Ge-<lb/>
genden Norddeut&#x017F;chlands, ich weiß nicht, ob auch<lb/>
in andern La&#x0364;ndern, nennt man einen und zwar<lb/>
den be&#x017F;ten Theil am Ka&#x0364;lber- und Hammel- oder<lb/>
Scho&#x0364;p&#x017F;enbraten &#x017F;ehr charakteri&#x017F;ti&#x017F;ch den Pfaffenknochen,<lb/>
weil die Herren Gei&#x017F;tlichen &#x017F;ich bei Hochzeit-Kind-<lb/>
tauf- und Begra&#x0364;bniß&#x017F;chma&#x0364;u&#x017F;en dies Stu&#x0364;ck als ihr<lb/><hi rendition="#g">legitimes</hi> Eigenthum von jeher anmaßten. Ha&#x0364;u-<lb/>
fig hatte ich in fru&#x0364;hern Zeiten Gelegenheit bei<lb/>
dergleichen Ga&#x017F;tmahlen, die von geringern Bu&#x0364;rgern<lb/>
und Bauern (denn bei Vornehmen ma&#x0364;ßigen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">22 *</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[259/0259] ein Katholik iſt, von deſſen Nichte uͤberall verkez- zert, verlaͤſtert und verfolgt werden. Am ſicher- ſten faͤhrt man immer, wenn man ihnen nie mehr giebt, als ſie mit dem unbeſtreitbarſten Rechte be- gehren koͤnnen. Der pfaͤffiſche Geiz aͤußert ſich oft auf die widerlichſte und unanſtaͤndigſte Weiſe, und was Vater Gleim ſagt: Die Prieſter gehen mit leerem Magen Zum Hochzeitſchmaus. iſt wahrlich kein ungegruͤndeter Vorwurf. Aerger- lich fuͤr den Wirth und laͤcherlich fuͤr ſeine uͤbrigen Gaͤſte iſt es, wenn der Bonze mit gierigen Blicken alle Schuͤſſeln und Flaſchen auf der Tafel zaͤhlt; jedes Gericht, welches ihm dargereicht wird, durch- wuͤhlt, um ſich das beſte Stuͤckchen heraus zu fiſchen, und bald dieſe, bald jene Speiſe voruͤber gehen laͤßt, um von einer folgenden, ihm wohlſchmecken- dern deſto mehr zu ſich zu nehmen. Jn vielen Ge- genden Norddeutſchlands, ich weiß nicht, ob auch in andern Laͤndern, nennt man einen und zwar den beſten Theil am Kaͤlber- und Hammel- oder Schoͤpſenbraten ſehr charakteriſtiſch den Pfaffenknochen, weil die Herren Geiſtlichen ſich bei Hochzeit-Kind- tauf- und Begraͤbnißſchmaͤuſen dies Stuͤck als ihr legitimes Eigenthum von jeher anmaßten. Haͤu- fig hatte ich in fruͤhern Zeiten Gelegenheit bei dergleichen Gaſtmahlen, die von geringern Buͤrgern und Bauern (denn bei Vornehmen maͤßigen 22 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/259
Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/259>, abgerufen am 22.11.2024.