ein Katholik ist, von dessen Nichte überall verkez- zert, verlästert und verfolgt werden. Am sicher- sten fährt man immer, wenn man ihnen nie mehr giebt, als sie mit dem unbestreitbarsten Rechte be- gehren können. Der pfäffische Geiz äußert sich oft auf die widerlichste und unanständigste Weise, und was Vater Gleim sagt:
Die Priester gehen mit leerem Magen Zum Hochzeitschmaus.
ist wahrlich kein ungegründeter Vorwurf. Aerger- lich für den Wirth und lächerlich für seine übrigen Gäste ist es, wenn der Bonze mit gierigen Blicken alle Schüsseln und Flaschen auf der Tafel zählt; jedes Gericht, welches ihm dargereicht wird, durch- wühlt, um sich das beste Stückchen heraus zu fischen, und bald diese, bald jene Speise vorüber gehen läßt, um von einer folgenden, ihm wohlschmecken- dern desto mehr zu sich zu nehmen. Jn vielen Ge- genden Norddeutschlands, ich weiß nicht, ob auch in andern Ländern, nennt man einen und zwar den besten Theil am Kälber- und Hammel- oder Schöpsenbraten sehr charakteristisch den Pfaffenknochen, weil die Herren Geistlichen sich bei Hochzeit-Kind- tauf- und Begräbnißschmäusen dies Stück als ihr legitimes Eigenthum von jeher anmaßten. Häu- fig hatte ich in frühern Zeiten Gelegenheit bei dergleichen Gastmahlen, die von geringern Bürgern und Bauern (denn bei Vornehmen mäßigen
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ein Katholik iſt, von deſſen Nichte uͤberall verkez- zert, verlaͤſtert und verfolgt werden. Am ſicher- ſten faͤhrt man immer, wenn man ihnen nie mehr giebt, als ſie mit dem unbeſtreitbarſten Rechte be- gehren koͤnnen. Der pfaͤffiſche Geiz aͤußert ſich oft auf die widerlichſte und unanſtaͤndigſte Weiſe, und was Vater Gleim ſagt:
Die Prieſter gehen mit leerem Magen Zum Hochzeitſchmaus.
iſt wahrlich kein ungegruͤndeter Vorwurf. Aerger- lich fuͤr den Wirth und laͤcherlich fuͤr ſeine uͤbrigen Gaͤſte iſt es, wenn der Bonze mit gierigen Blicken alle Schuͤſſeln und Flaſchen auf der Tafel zaͤhlt; jedes Gericht, welches ihm dargereicht wird, durch- wuͤhlt, um ſich das beſte Stuͤckchen heraus zu fiſchen, und bald dieſe, bald jene Speiſe voruͤber gehen laͤßt, um von einer folgenden, ihm wohlſchmecken- dern deſto mehr zu ſich zu nehmen. Jn vielen Ge- genden Norddeutſchlands, ich weiß nicht, ob auch in andern Laͤndern, nennt man einen und zwar den beſten Theil am Kaͤlber- und Hammel- oder Schoͤpſenbraten ſehr charakteriſtiſch den Pfaffenknochen, weil die Herren Geiſtlichen ſich bei Hochzeit-Kind- tauf- und Begraͤbnißſchmaͤuſen dies Stuͤck als ihr legitimes Eigenthum von jeher anmaßten. Haͤu- fig hatte ich in fruͤhern Zeiten Gelegenheit bei dergleichen Gaſtmahlen, die von geringern Buͤrgern und Bauern (denn bei Vornehmen maͤßigen
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ein Katholik iſt, von deſſen Nichte uͤberall verkez-
zert, verlaͤſtert und verfolgt werden. Am ſicher-
ſten faͤhrt man immer, wenn man ihnen nie mehr
giebt, als ſie mit dem unbeſtreitbarſten Rechte be-
gehren koͤnnen. Der pfaͤffiſche Geiz aͤußert ſich
oft auf die widerlichſte und unanſtaͤndigſte Weiſe,
und was Vater Gleim ſagt:
Die Prieſter gehen mit leerem Magen
Zum Hochzeitſchmaus.
iſt wahrlich kein ungegruͤndeter Vorwurf. Aerger-
lich fuͤr den Wirth und laͤcherlich fuͤr ſeine uͤbrigen
Gaͤſte iſt es, wenn der Bonze mit gierigen Blicken
alle Schuͤſſeln und Flaſchen auf der Tafel zaͤhlt;
jedes Gericht, welches ihm dargereicht wird, durch-
wuͤhlt, um ſich das beſte Stuͤckchen heraus zu fiſchen,
und bald dieſe, bald jene Speiſe voruͤber gehen
laͤßt, um von einer folgenden, ihm wohlſchmecken-
dern deſto mehr zu ſich zu nehmen. Jn vielen Ge-
genden Norddeutſchlands, ich weiß nicht, ob auch
in andern Laͤndern, nennt man einen und zwar
den beſten Theil am Kaͤlber- und Hammel- oder
Schoͤpſenbraten ſehr charakteriſtiſch den Pfaffenknochen,
weil die Herren Geiſtlichen ſich bei Hochzeit-Kind-
tauf- und Begraͤbnißſchmaͤuſen dies Stuͤck als ihr
legitimes Eigenthum von jeher anmaßten. Haͤu-
fig hatte ich in fruͤhern Zeiten Gelegenheit bei
dergleichen Gaſtmahlen, die von geringern Buͤrgern
und Bauern (denn bei Vornehmen maͤßigen
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/259>, abgerufen am 22.11.2024.
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