Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

dem man Verbindlichkeiten schuldig ist, oder bei
dem man sich einzuschmeicheln wünscht, dann ist man
gleichfalls mit Freuden bereit, jede Ungerechtigkeit
und jedes Laster desselben zu verhüllen, und sie wohl
gar als etwas Gutes und als Tugend darzustellen.
Aber man laße einmal einen Geringern fehlen,
oder auch einen Mann höheren Standes, von dem
man keine Gaben und Geschenke, und keine Wür-
den und Pfründen erwarten darf, gleich wird jede
seiner Handlungen, und wäre sie noch so edel, ge-
mißdeutet, jeder seiner wirklichen oder erdichteten
Fehler wird entschleiert und vergrößert, und wenn
nicht öffentlich, doch insgeheim als ein Muster
zur Warnung und zum Abscheu für Andere aufge-
stellt. Manche dieser geistlichen Molche schämen sich
oft nicht einmal die Predigten ihrer aufgeklärtern
und bessern Amtsbrüder behorchen, von Geschwind-
schreibern nachschreiben zu lassen, und sie nachher
durch Zusätze und Weglassungen entstellt einem ho-
hen orthodoxen Konsistorium als Beweise der He-
terdoxie des ihnen verhaßten Mannes zu überrei-
chen, um ihn von Ehre und Brod zu bringen, und
seine Stelle, nach welcher entweder ihnen selbst
oder einem der Jhrigen gelüstet, an sich zu reissen. *)

*) Auch unter den Nichtgeistlichen giebt es Blindschlei-
chen der Art. Eine der wichtigsten in neuerer Zeit
war unstreitig der verstorbene Graf Friedrich Leo-
23 *

dem man Verbindlichkeiten ſchuldig iſt, oder bei
dem man ſich einzuſchmeicheln wuͤnſcht, dann iſt man
gleichfalls mit Freuden bereit, jede Ungerechtigkeit
und jedes Laſter deſſelben zu verhuͤllen, und ſie wohl
gar als etwas Gutes und als Tugend darzuſtellen.
Aber man laße einmal einen Geringern fehlen,
oder auch einen Mann hoͤheren Standes, von dem
man keine Gaben und Geſchenke, und keine Wuͤr-
den und Pfruͤnden erwarten darf, gleich wird jede
ſeiner Handlungen, und waͤre ſie noch ſo edel, ge-
mißdeutet, jeder ſeiner wirklichen oder erdichteten
Fehler wird entſchleiert und vergroͤßert, und wenn
nicht oͤffentlich, doch insgeheim als ein Muſter
zur Warnung und zum Abſcheu fuͤr Andere aufge-
ſtellt. Manche dieſer geiſtlichen Molche ſchaͤmen ſich
oft nicht einmal die Predigten ihrer aufgeklaͤrtern
und beſſern Amtsbruͤder behorchen, von Geſchwind-
ſchreibern nachſchreiben zu laſſen, und ſie nachher
durch Zuſaͤtze und Weglaſſungen entſtellt einem ho-
hen orthodoxen Konſiſtorium als Beweiſe der He-
terdoxie des ihnen verhaßten Mannes zu uͤberrei-
chen, um ihn von Ehre und Brod zu bringen, und
ſeine Stelle, nach welcher entweder ihnen ſelbſt
oder einem der Jhrigen geluͤſtet, an ſich zu reiſſen. *)

*) Auch unter den Nichtgeiſtlichen giebt es Blindſchlei-
chen der Art. Eine der wichtigſten in neuerer Zeit
war unſtreitig der verſtorbene Graf Friedrich Leo-
23 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0267" n="267"/>
dem man Verbindlichkeiten &#x017F;chuldig i&#x017F;t, oder bei<lb/>
dem man &#x017F;ich einzu&#x017F;chmeicheln wu&#x0364;n&#x017F;cht, dann i&#x017F;t man<lb/>
gleichfalls mit Freuden bereit, jede Ungerechtigkeit<lb/>
und jedes La&#x017F;ter de&#x017F;&#x017F;elben zu verhu&#x0364;llen, und &#x017F;ie wohl<lb/>
gar als etwas Gutes und als Tugend darzu&#x017F;tellen.<lb/>
Aber man laße einmal einen Geringern fehlen,<lb/>
oder auch einen Mann ho&#x0364;heren Standes, von dem<lb/>
man keine Gaben und Ge&#x017F;chenke, und keine Wu&#x0364;r-<lb/>
den und Pfru&#x0364;nden erwarten darf, gleich wird jede<lb/>
&#x017F;einer Handlungen, und wa&#x0364;re &#x017F;ie noch &#x017F;o edel, ge-<lb/>
mißdeutet, jeder &#x017F;einer wirklichen oder erdichteten<lb/>
Fehler wird ent&#x017F;chleiert und vergro&#x0364;ßert, und wenn<lb/>
nicht o&#x0364;ffentlich, doch insgeheim als ein Mu&#x017F;ter<lb/>
zur Warnung und zum Ab&#x017F;cheu fu&#x0364;r Andere aufge-<lb/>
&#x017F;tellt. Manche die&#x017F;er gei&#x017F;tlichen Molche &#x017F;cha&#x0364;men &#x017F;ich<lb/>
oft nicht einmal die Predigten ihrer aufgekla&#x0364;rtern<lb/>
und be&#x017F;&#x017F;ern Amtsbru&#x0364;der behorchen, von Ge&#x017F;chwind-<lb/>
&#x017F;chreibern nach&#x017F;chreiben zu la&#x017F;&#x017F;en, und &#x017F;ie nachher<lb/>
durch Zu&#x017F;a&#x0364;tze und Wegla&#x017F;&#x017F;ungen ent&#x017F;tellt einem ho-<lb/>
hen orthodoxen Kon&#x017F;i&#x017F;torium als Bewei&#x017F;e der He-<lb/>
terdoxie des ihnen verhaßten Mannes zu u&#x0364;berrei-<lb/>
chen, um ihn von Ehre und Brod zu bringen, und<lb/>
&#x017F;eine Stelle, nach welcher entweder ihnen &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
oder einem der Jhrigen gelu&#x0364;&#x017F;tet, an &#x017F;ich zu rei&#x017F;&#x017F;en. <note xml:id="seg2pn_11_1" next="#seg2pn_11_2" place="foot" n="*)">Auch unter den Nichtgei&#x017F;tlichen giebt es Blind&#x017F;chlei-<lb/>
chen der Art. Eine der wichtig&#x017F;ten in neuerer Zeit<lb/>
war un&#x017F;treitig der ver&#x017F;torbene Graf Friedrich Leo-</note></p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">23 *</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[267/0267] dem man Verbindlichkeiten ſchuldig iſt, oder bei dem man ſich einzuſchmeicheln wuͤnſcht, dann iſt man gleichfalls mit Freuden bereit, jede Ungerechtigkeit und jedes Laſter deſſelben zu verhuͤllen, und ſie wohl gar als etwas Gutes und als Tugend darzuſtellen. Aber man laße einmal einen Geringern fehlen, oder auch einen Mann hoͤheren Standes, von dem man keine Gaben und Geſchenke, und keine Wuͤr- den und Pfruͤnden erwarten darf, gleich wird jede ſeiner Handlungen, und waͤre ſie noch ſo edel, ge- mißdeutet, jeder ſeiner wirklichen oder erdichteten Fehler wird entſchleiert und vergroͤßert, und wenn nicht oͤffentlich, doch insgeheim als ein Muſter zur Warnung und zum Abſcheu fuͤr Andere aufge- ſtellt. Manche dieſer geiſtlichen Molche ſchaͤmen ſich oft nicht einmal die Predigten ihrer aufgeklaͤrtern und beſſern Amtsbruͤder behorchen, von Geſchwind- ſchreibern nachſchreiben zu laſſen, und ſie nachher durch Zuſaͤtze und Weglaſſungen entſtellt einem ho- hen orthodoxen Konſiſtorium als Beweiſe der He- terdoxie des ihnen verhaßten Mannes zu uͤberrei- chen, um ihn von Ehre und Brod zu bringen, und ſeine Stelle, nach welcher entweder ihnen ſelbſt oder einem der Jhrigen geluͤſtet, an ſich zu reiſſen. *) *) Auch unter den Nichtgeiſtlichen giebt es Blindſchlei- chen der Art. Eine der wichtigſten in neuerer Zeit war unſtreitig der verſtorbene Graf Friedrich Leo- 23 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/267
Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/267>, abgerufen am 16.07.2024.