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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823.

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mer des nachgedruckten Werks aus; sondern er
nennt denselben, wenn er sich anders selbst genannt
hat. Der Nachwitzling aber nennt den Urheber
des "nachgewitzten" Worts nicht; er maßt vielmehr
sich selbst das Eigenthumsrecht an, und begeht folg-
lich einen offenbaren Raub an fremdem geistigem
Gut. Das ist eine abscheuliche, eine schreckliche
Sünde! Ein strafenswerthes Verbrechen! Das gei-
stige Eigenthum ist das heiligste Gut des Menschen!
Wer dem andern seine Gedanken und seine witzi-
gen Einfälle stiehlt, stiehlt ihm mehr, als Geld
und Geldeswerth. Er entwendet ihm etwas Un-
schätzbares. Jndessen glaube ich nicht, daß man
Diebe und Räuber dieser Art aufknüpfen müsse;
denn wo sollten die Stricke, wo sollte in diesen
holzarmen Zeiten das Holz zu allen Galgen herkom-
men? Und -- was noch das Wichtigste ist, wer
soll den letzten Gedanken- und Witzdieb hängen,
wenn außer ihm Niemand mehr übrig ist? Zu sol-
chen Jdeen-, Gedanken- oder Ansichtendieben gehören
Schriftsteller, die, ohne ihre Quellen zu nennen,
buchstäblich oder doch mit sehr ähnlichen Worten, die
Schriften Anderer abschreiben, und dergleichen Pla-
giate nachher für ihr ursprüngliches Geisteserzeug-
niß verkaufen; Uebersetzer, die sich als Verfasser
ihrer Dollmetschungen dem Publikum nennen; Mi-
nister und Räthe, die das, was ihnen ihr Sekretär
etwa Kluges eingetrichtert hat, dem Fürsten oder

mer des nachgedruckten Werks aus; ſondern er
nennt denſelben, wenn er ſich anders ſelbſt genannt
hat. Der Nachwitzling aber nennt den Urheber
des »nachgewitzten« Worts nicht; er maßt vielmehr
ſich ſelbſt das Eigenthumsrecht an, und begeht folg-
lich einen offenbaren Raub an fremdem geiſtigem
Gut. Das iſt eine abſcheuliche, eine ſchreckliche
Suͤnde! Ein ſtrafenswerthes Verbrechen! Das gei-
ſtige Eigenthum iſt das heiligſte Gut des Menſchen!
Wer dem andern ſeine Gedanken und ſeine witzi-
gen Einfaͤlle ſtiehlt, ſtiehlt ihm mehr, als Geld
und Geldeswerth. Er entwendet ihm etwas Un-
ſchaͤtzbares. Jndeſſen glaube ich nicht, daß man
Diebe und Raͤuber dieſer Art aufknuͤpfen muͤſſe;
denn wo ſollten die Stricke, wo ſollte in dieſen
holzarmen Zeiten das Holz zu allen Galgen herkom-
men? Und — was noch das Wichtigſte iſt, wer
ſoll den letzten Gedanken- und Witzdieb haͤngen,
wenn außer ihm Niemand mehr uͤbrig iſt? Zu ſol-
chen Jdeen-, Gedanken- oder Anſichtendieben gehoͤren
Schriftſteller, die, ohne ihre Quellen zu nennen,
buchſtaͤblich oder doch mit ſehr aͤhnlichen Worten, die
Schriften Anderer abſchreiben, und dergleichen Pla-
giate nachher fuͤr ihr urſpruͤngliches Geiſteserzeug-
niß verkaufen; Ueberſetzer, die ſich als Verfaſſer
ihrer Dollmetſchungen dem Publikum nennen; Mi-
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[9/0009] mer des nachgedruckten Werks aus; ſondern er nennt denſelben, wenn er ſich anders ſelbſt genannt hat. Der Nachwitzling aber nennt den Urheber des »nachgewitzten« Worts nicht; er maßt vielmehr ſich ſelbſt das Eigenthumsrecht an, und begeht folg- lich einen offenbaren Raub an fremdem geiſtigem Gut. Das iſt eine abſcheuliche, eine ſchreckliche Suͤnde! Ein ſtrafenswerthes Verbrechen! Das gei- ſtige Eigenthum iſt das heiligſte Gut des Menſchen! Wer dem andern ſeine Gedanken und ſeine witzi- gen Einfaͤlle ſtiehlt, ſtiehlt ihm mehr, als Geld und Geldeswerth. Er entwendet ihm etwas Un- ſchaͤtzbares. Jndeſſen glaube ich nicht, daß man Diebe und Raͤuber dieſer Art aufknuͤpfen muͤſſe; denn wo ſollten die Stricke, wo ſollte in dieſen holzarmen Zeiten das Holz zu allen Galgen herkom- men? Und — was noch das Wichtigſte iſt, wer ſoll den letzten Gedanken- und Witzdieb haͤngen, wenn außer ihm Niemand mehr uͤbrig iſt? Zu ſol- chen Jdeen-, Gedanken- oder Anſichtendieben gehoͤren Schriftſteller, die, ohne ihre Quellen zu nennen, buchſtaͤblich oder doch mit ſehr aͤhnlichen Worten, die Schriften Anderer abſchreiben, und dergleichen Pla- giate nachher fuͤr ihr urſpruͤngliches Geiſteserzeug- niß verkaufen; Ueberſetzer, die ſich als Verfaſſer ihrer Dollmetſchungen dem Publikum nennen; Mi- niſter und Raͤthe, die das, was ihnen ihr Sekretaͤr etwa Kluges eingetrichtert hat, dem Fuͤrſten oder

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Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/9>, abgerufen am 21.11.2024.