mer des nachgedruckten Werks aus; sondern er nennt denselben, wenn er sich anders selbst genannt hat. Der Nachwitzling aber nennt den Urheber des "nachgewitzten" Worts nicht; er maßt vielmehr sich selbst das Eigenthumsrecht an, und begeht folg- lich einen offenbaren Raub an fremdem geistigem Gut. Das ist eine abscheuliche, eine schreckliche Sünde! Ein strafenswerthes Verbrechen! Das gei- stige Eigenthum ist das heiligste Gut des Menschen! Wer dem andern seine Gedanken und seine witzi- gen Einfälle stiehlt, stiehlt ihm mehr, als Geld und Geldeswerth. Er entwendet ihm etwas Un- schätzbares. Jndessen glaube ich nicht, daß man Diebe und Räuber dieser Art aufknüpfen müsse; denn wo sollten die Stricke, wo sollte in diesen holzarmen Zeiten das Holz zu allen Galgen herkom- men? Und -- was noch das Wichtigste ist, wer soll den letzten Gedanken- und Witzdieb hängen, wenn außer ihm Niemand mehr übrig ist? Zu sol- chen Jdeen-, Gedanken- oder Ansichtendieben gehören Schriftsteller, die, ohne ihre Quellen zu nennen, buchstäblich oder doch mit sehr ähnlichen Worten, die Schriften Anderer abschreiben, und dergleichen Pla- giate nachher für ihr ursprüngliches Geisteserzeug- niß verkaufen; Uebersetzer, die sich als Verfasser ihrer Dollmetschungen dem Publikum nennen; Mi- nister und Räthe, die das, was ihnen ihr Sekretär etwa Kluges eingetrichtert hat, dem Fürsten oder
mer des nachgedruckten Werks aus; ſondern er nennt denſelben, wenn er ſich anders ſelbſt genannt hat. Der Nachwitzling aber nennt den Urheber des »nachgewitzten« Worts nicht; er maßt vielmehr ſich ſelbſt das Eigenthumsrecht an, und begeht folg- lich einen offenbaren Raub an fremdem geiſtigem Gut. Das iſt eine abſcheuliche, eine ſchreckliche Suͤnde! Ein ſtrafenswerthes Verbrechen! Das gei- ſtige Eigenthum iſt das heiligſte Gut des Menſchen! Wer dem andern ſeine Gedanken und ſeine witzi- gen Einfaͤlle ſtiehlt, ſtiehlt ihm mehr, als Geld und Geldeswerth. Er entwendet ihm etwas Un- ſchaͤtzbares. Jndeſſen glaube ich nicht, daß man Diebe und Raͤuber dieſer Art aufknuͤpfen muͤſſe; denn wo ſollten die Stricke, wo ſollte in dieſen holzarmen Zeiten das Holz zu allen Galgen herkom- men? Und — was noch das Wichtigſte iſt, wer ſoll den letzten Gedanken- und Witzdieb haͤngen, wenn außer ihm Niemand mehr uͤbrig iſt? Zu ſol- chen Jdeen-, Gedanken- oder Anſichtendieben gehoͤren Schriftſteller, die, ohne ihre Quellen zu nennen, buchſtaͤblich oder doch mit ſehr aͤhnlichen Worten, die Schriften Anderer abſchreiben, und dergleichen Pla- giate nachher fuͤr ihr urſpruͤngliches Geiſteserzeug- niß verkaufen; Ueberſetzer, die ſich als Verfaſſer ihrer Dollmetſchungen dem Publikum nennen; Mi- niſter und Raͤthe, die das, was ihnen ihr Sekretaͤr etwa Kluges eingetrichtert hat, dem Fuͤrſten oder
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mer des nachgedruckten Werks aus; ſondern er
nennt denſelben, wenn er ſich anders ſelbſt genannt
hat. Der Nachwitzling aber nennt den Urheber
des »nachgewitzten« Worts nicht; er maßt vielmehr
ſich ſelbſt das Eigenthumsrecht an, und begeht folg-
lich einen offenbaren Raub an fremdem geiſtigem
Gut. Das iſt eine abſcheuliche, eine ſchreckliche
Suͤnde! Ein ſtrafenswerthes Verbrechen! Das gei-
ſtige Eigenthum iſt das heiligſte Gut des Menſchen!
Wer dem andern ſeine Gedanken und ſeine witzi-
gen Einfaͤlle ſtiehlt, ſtiehlt ihm mehr, als Geld
und Geldeswerth. Er entwendet ihm etwas Un-
ſchaͤtzbares. Jndeſſen glaube ich nicht, daß man
Diebe und Raͤuber dieſer Art aufknuͤpfen muͤſſe;
denn wo ſollten die Stricke, wo ſollte in dieſen
holzarmen Zeiten das Holz zu allen Galgen herkom-
men? Und — was noch das Wichtigſte iſt, wer
ſoll den letzten Gedanken- und Witzdieb haͤngen,
wenn außer ihm Niemand mehr uͤbrig iſt? Zu ſol-
chen Jdeen-, Gedanken- oder Anſichtendieben gehoͤren
Schriftſteller, die, ohne ihre Quellen zu nennen,
buchſtaͤblich oder doch mit ſehr aͤhnlichen Worten, die
Schriften Anderer abſchreiben, und dergleichen Pla-
giate nachher fuͤr ihr urſpruͤngliches Geiſteserzeug-
niß verkaufen; Ueberſetzer, die ſich als Verfaſſer
ihrer Dollmetſchungen dem Publikum nennen; Mi-
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etwa Kluges eingetrichtert hat, dem Fuͤrſten oder
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/9>, abgerufen am 21.11.2024.
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