Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hunold, Christian Friedrich: Die Edle Bemühung müssiger Stunden. Hamburg, 1702.

Bild:
<< vorherige Seite
Schertzhaffte
Ein Schneider saß in guter Ruh/
Und da kroch eine Lauß herzu/
Die drohet ihm den ärgsten Todt.
Der Schneider war in Angst und Noth/
Doch fast er sich bald einen Muth/
Er nahm sein Schild den Finger-Hut/
Die Nadel war sein blancker Spieß
Wormit er schrecklich um sich stieß.
Der Strit gieng an/ der war sehr scharff/
Biß er die Lauß zu Boden warff.
Er brachte sie erbärmlich um/
Das gab den Schneider grossen Ruhm.
Wer hatt' ihm dieses zu getraut?
Er zieht ihr endlich ab die Haut/
Und macht sich ein paar Hosen draus.
Ach! Schade vor die arme Lauß.
Noch eins: Das Quodlibet ist aus.
Die Phantasie in lieben.
1.
WIe offt verändern sich doch lieben und Gedancken?
Ihr wunderlicher Trieb ist selten einerley:
Bald führen sie den Geist in die verbuhlten Schrancken/
Und zeigen/ daß daselbst die Lust unschätzbar sey/
Bald lehren sie uns auch/ es wären Kinder possen/
Und ein Verliebter sey mit Hasen-Schroot geschossen.
2.
Ein Mädgen muß hier offt ein schöner Engel heissen/
Ein neues Himmelreich/ woran zwey Sonnen seyn/
Die rundte Stirne kan wie Alabaster gleisen/
Die Nase steht sehr wohl/ der Halß ist Helffenbein.
Der Marmor kan noch nicht den weissen Zähnen gleichen/
Der Schnee ist viel zu schwartz/ und muß den Brüsten weichen.
3. Die
Schertzhaffte
Ein Schneider ſaß in guter Ruh/
Und da kroch eine Lauß herzu/
Die drohet ihm den aͤrgſten Todt.
Der Schneider war in Angſt und Noth/
Doch faſt er ſich bald einen Muth/
Er nahm ſein Schild den Finger-Hut/
Die Nadel war ſein blancker Spieß
Wormit er ſchrecklich um ſich ſtieß.
Der Strit gieng an/ der war ſehr ſcharff/
Biß er die Lauß zu Boden warff.
Er brachte ſie erbaͤrmlich um/
Das gab den Schneider groſſen Ruhm.
Wer hatt' ihm dieſes zu getraut?
Er zieht ihr endlich ab die Haut/
Und macht ſich ein paar Hoſen draus.
Ach! Schade vor die arme Lauß.
Noch eins: Das Quodlibet iſt aus.
Die Phantaſie in lieben.
1.
WIe offt veraͤndern ſich doch lieben und Gedancken?
Ihr wunderlicher Trieb iſt ſelten einerley:
Bald fuͤhren ſie den Geiſt in die verbuhlten Schrancken/
Und zeigen/ daß daſelbſt die Luſt unſchaͤtzbar ſey/
Bald lehren ſie uns auch/ es waͤren Kinder poſſen/
Und ein Verliebter ſey mit Haſen-Schroot geſchoſſen.
2.
Ein Maͤdgen muß hier offt ein ſchoͤner Engel heiſſen/
Ein neues Himmelreich/ woran zwey Sonnen ſeyn/
Die rundte Stirne kan wie Alabaſter gleiſen/
Die Naſe ſteht ſehr wohl/ der Halß iſt Helffenbein.
Der Marmor kan noch nicht den weiſſen Zaͤhnen gleichen/
Der Schnee iſt viel zu ſchwartz/ und muß den Bruͤſten weichen.
3. Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0116" n="106"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#fr">Schertzhaffte</hi> </fw><lb/>
            <l>Ein Schneider &#x017F;aß in guter Ruh/</l><lb/>
            <l>Und da kroch eine Lauß herzu/</l><lb/>
            <l>Die drohet ihm den a&#x0364;rg&#x017F;ten Todt.</l><lb/>
            <l>Der Schneider war in Ang&#x017F;t und Noth/</l><lb/>
            <l>Doch fa&#x017F;t er &#x017F;ich bald einen Muth/</l><lb/>
            <l>Er nahm &#x017F;ein Schild den Finger-Hut/</l><lb/>
            <l>Die Nadel war &#x017F;ein blancker Spieß</l><lb/>
            <l>Wormit er &#x017F;chrecklich um &#x017F;ich &#x017F;tieß.</l><lb/>
            <l>Der Strit gieng an/ der war &#x017F;ehr &#x017F;charff/</l><lb/>
            <l>Biß er die Lauß zu Boden warff.</l><lb/>
            <l>Er brachte &#x017F;ie erba&#x0364;rmlich um/</l><lb/>
            <l>Das gab den Schneider gro&#x017F;&#x017F;en Ruhm.</l><lb/>
            <l>Wer hatt' ihm die&#x017F;es zu getraut?</l><lb/>
            <l>Er zieht ihr endlich ab die Haut/</l><lb/>
            <l>Und macht &#x017F;ich ein paar Ho&#x017F;en draus.</l><lb/>
            <l>Ach! Schade vor die arme Lauß.</l><lb/>
            <l>Noch eins: Das <hi rendition="#aq">Quodlibet</hi> i&#x017F;t aus.</l>
          </lg><lb/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#in">D</hi>ie <hi rendition="#in">P</hi>hanta&#x017F;ie in lieben.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l> <hi rendition="#c">1.</hi> </l><lb/>
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">W</hi>Ie offt vera&#x0364;ndern &#x017F;ich doch lieben und Gedancken?</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Ihr wunderlicher Trieb i&#x017F;t &#x017F;elten einerley:</hi> </l><lb/>
              <l>Bald fu&#x0364;hren &#x017F;ie den Gei&#x017F;t in die verbuhlten Schrancken/</l><lb/>
              <l>Und zeigen/ daß da&#x017F;elb&#x017F;t die Lu&#x017F;t un&#x017F;cha&#x0364;tzbar &#x017F;ey/</l><lb/>
              <l>Bald lehren &#x017F;ie uns auch/ es wa&#x0364;ren Kinder po&#x017F;&#x017F;en/</l><lb/>
              <l>Und ein Verliebter &#x017F;ey mit Ha&#x017F;en-Schroot ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en.</l>
            </lg><lb/>
            <l> <hi rendition="#c">2.</hi> </l><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Ein Ma&#x0364;dgen muß hier offt ein &#x017F;cho&#x0364;ner Engel hei&#x017F;&#x017F;en/</l><lb/>
              <l>Ein neues Himmelreich/ woran zwey Sonnen &#x017F;eyn/</l><lb/>
              <l>Die rundte Stirne kan wie Alaba&#x017F;ter glei&#x017F;en/</l><lb/>
              <l>Die Na&#x017F;e &#x017F;teht &#x017F;ehr wohl/ der Halß i&#x017F;t Helffenbein.</l><lb/>
              <l>Der Marmor kan noch nicht den wei&#x017F;&#x017F;en Za&#x0364;hnen gleichen/</l><lb/>
              <l>Der Schnee i&#x017F;t viel zu &#x017F;chwartz/ und muß den Bru&#x0364;&#x017F;ten weichen.</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">3. Die</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106/0116] Schertzhaffte Ein Schneider ſaß in guter Ruh/ Und da kroch eine Lauß herzu/ Die drohet ihm den aͤrgſten Todt. Der Schneider war in Angſt und Noth/ Doch faſt er ſich bald einen Muth/ Er nahm ſein Schild den Finger-Hut/ Die Nadel war ſein blancker Spieß Wormit er ſchrecklich um ſich ſtieß. Der Strit gieng an/ der war ſehr ſcharff/ Biß er die Lauß zu Boden warff. Er brachte ſie erbaͤrmlich um/ Das gab den Schneider groſſen Ruhm. Wer hatt' ihm dieſes zu getraut? Er zieht ihr endlich ab die Haut/ Und macht ſich ein paar Hoſen draus. Ach! Schade vor die arme Lauß. Noch eins: Das Quodlibet iſt aus. Die Phantaſie in lieben. 1. WIe offt veraͤndern ſich doch lieben und Gedancken? Ihr wunderlicher Trieb iſt ſelten einerley: Bald fuͤhren ſie den Geiſt in die verbuhlten Schrancken/ Und zeigen/ daß daſelbſt die Luſt unſchaͤtzbar ſey/ Bald lehren ſie uns auch/ es waͤren Kinder poſſen/ Und ein Verliebter ſey mit Haſen-Schroot geſchoſſen. 2. Ein Maͤdgen muß hier offt ein ſchoͤner Engel heiſſen/ Ein neues Himmelreich/ woran zwey Sonnen ſeyn/ Die rundte Stirne kan wie Alabaſter gleiſen/ Die Naſe ſteht ſehr wohl/ der Halß iſt Helffenbein. Der Marmor kan noch nicht den weiſſen Zaͤhnen gleichen/ Der Schnee iſt viel zu ſchwartz/ und muß den Bruͤſten weichen. 3. Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hunold_gedichte_1702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hunold_gedichte_1702/116
Zitationshilfe: Hunold, Christian Friedrich: Die Edle Bemühung müssiger Stunden. Hamburg, 1702, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hunold_gedichte_1702/116>, abgerufen am 25.11.2024.