Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913.

Bild:
<< vorherige Seite

durch immer bessere und zugänglichere Berufs-
bildung und Haushaltungsunterricht zu heben. Sie
alle lernen den Ernst des Lebens auch ohne Dienst-
jahr kennen. Die einzige Klasse, für die es viel-
leicht ein heilsamer Zwang wäre, die Mädchen
ernster zu erziehen, die einzige, bei der der ethische
Wert einer ernsten Tätigkeit noch nicht erkannt
wird, ist die der reichen Leute, die erst im ersten
Stadium des Reichtums stehen, d. h. die selbst noch
nicht die Kultur erlangt haben, die sie aus naiven
Nurgenießenden zu Wollenden und Strebenden er-
hebt, zum Bewußtsein der Verpflichtung, die der
Reichtum mit sich bringt.

Aber wegen dieser kleinen Zahl kann man die
große Masse der Frauen, für die es ohnehin schon
sehr schwierig ist, eine tüchtige Berufsausbildung
zu bekommen - waren doch die Eltern bis vor
kurzem gewohnt, das Geld hierfür zu sparen, und
geben sie es noch heute vielfach sehr ungern dafür
her -, nicht noch überdies mit einem Dienstjahr
belasten.

Ließe sich aber unter gewissen Umständen von
dem Langeschen Standpunkt aus über das Dienst-
jahr, also das bürgerliche Dienstjahr, diskutieren,
so scheint mir der Vorschlag eines militärischen
Dienstjahres der Frau ganz indiskutabel. Das
Dienstjahr greift bei den Männern ja auch in
Studium und Beruf meist sehr störend ein, und es

11 Jchenhaeuser, Frauenziele.

durch immer bessere und zugänglichere Berufs-
bildung und Haushaltungsunterricht zu heben. Sie
alle lernen den Ernst des Lebens auch ohne Dienst-
jahr kennen. Die einzige Klasse, für die es viel-
leicht ein heilsamer Zwang wäre, die Mädchen
ernster zu erziehen, die einzige, bei der der ethische
Wert einer ernsten Tätigkeit noch nicht erkannt
wird, ist die der reichen Leute, die erst im ersten
Stadium des Reichtums stehen, d. h. die selbst noch
nicht die Kultur erlangt haben, die sie aus naiven
Nurgenießenden zu Wollenden und Strebenden er-
hebt, zum Bewußtsein der Verpflichtung, die der
Reichtum mit sich bringt.

Aber wegen dieser kleinen Zahl kann man die
große Masse der Frauen, für die es ohnehin schon
sehr schwierig ist, eine tüchtige Berufsausbildung
zu bekommen – waren doch die Eltern bis vor
kurzem gewohnt, das Geld hierfür zu sparen, und
geben sie es noch heute vielfach sehr ungern dafür
her –, nicht noch überdies mit einem Dienstjahr
belasten.

Ließe sich aber unter gewissen Umständen von
dem Langeschen Standpunkt aus über das Dienst-
jahr, also das bürgerliche Dienstjahr, diskutieren,
so scheint mir der Vorschlag eines militärischen
Dienstjahres der Frau ganz indiskutabel. Das
Dienstjahr greift bei den Männern ja auch in
Studium und Beruf meist sehr störend ein, und es

11 Jchenhaeuser, Frauenziele.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0165" n="161"/>
durch immer bessere und zugänglichere Berufs-<lb/>
bildung und Haushaltungsunterricht zu heben. Sie<lb/>
alle lernen den Ernst des Lebens auch ohne Dienst-<lb/>
jahr kennen. Die einzige Klasse, für die es viel-<lb/>
leicht ein heilsamer Zwang wäre, die Mädchen<lb/>
ernster zu erziehen, die einzige, bei der der ethische<lb/>
Wert einer ernsten Tätigkeit noch nicht erkannt<lb/>
wird, ist die der reichen Leute, die erst im ersten<lb/>
Stadium des Reichtums stehen, d. h. die selbst noch<lb/>
nicht die Kultur erlangt haben, die sie aus naiven<lb/>
Nurgenießenden zu Wollenden und Strebenden er-<lb/>
hebt, zum Bewußtsein der Verpflichtung, die der<lb/>
Reichtum mit sich bringt.</p><lb/>
          <p>Aber wegen dieser kleinen Zahl kann man die<lb/>
große Masse der Frauen, für die es ohnehin schon<lb/>
sehr schwierig ist, eine tüchtige Berufsausbildung<lb/>
zu bekommen &#x2013; waren doch die Eltern bis vor<lb/>
kurzem gewohnt, das Geld hierfür zu sparen, und<lb/>
geben sie es noch heute vielfach sehr ungern dafür<lb/>
her &#x2013;, nicht noch überdies mit einem Dienstjahr<lb/>
belasten.<lb/></p>
          <p>Ließe sich aber unter gewissen Umständen von<lb/>
dem Langeschen Standpunkt aus über das Dienst-<lb/>
jahr, also das bürgerliche Dienstjahr, diskutieren,<lb/>
so scheint mir der Vorschlag eines militärischen<lb/>
Dienstjahres der Frau ganz indiskutabel. Das<lb/>
Dienstjahr greift bei den Männern ja auch in<lb/>
Studium und Beruf meist sehr störend ein, und es<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">11 Jchenhaeuser, Frauenziele.</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[161/0165] durch immer bessere und zugänglichere Berufs- bildung und Haushaltungsunterricht zu heben. Sie alle lernen den Ernst des Lebens auch ohne Dienst- jahr kennen. Die einzige Klasse, für die es viel- leicht ein heilsamer Zwang wäre, die Mädchen ernster zu erziehen, die einzige, bei der der ethische Wert einer ernsten Tätigkeit noch nicht erkannt wird, ist die der reichen Leute, die erst im ersten Stadium des Reichtums stehen, d. h. die selbst noch nicht die Kultur erlangt haben, die sie aus naiven Nurgenießenden zu Wollenden und Strebenden er- hebt, zum Bewußtsein der Verpflichtung, die der Reichtum mit sich bringt. Aber wegen dieser kleinen Zahl kann man die große Masse der Frauen, für die es ohnehin schon sehr schwierig ist, eine tüchtige Berufsausbildung zu bekommen – waren doch die Eltern bis vor kurzem gewohnt, das Geld hierfür zu sparen, und geben sie es noch heute vielfach sehr ungern dafür her –, nicht noch überdies mit einem Dienstjahr belasten. Ließe sich aber unter gewissen Umständen von dem Langeschen Standpunkt aus über das Dienst- jahr, also das bürgerliche Dienstjahr, diskutieren, so scheint mir der Vorschlag eines militärischen Dienstjahres der Frau ganz indiskutabel. Das Dienstjahr greift bei den Männern ja auch in Studium und Beruf meist sehr störend ein, und es 11 Jchenhaeuser, Frauenziele.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-12-07T10:34:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Juliane Nau: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-12-07T10:34:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/165
Zitationshilfe: Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/165>, abgerufen am 21.11.2024.