haupten, daß sie dieselben so gut wie möglich vor- bereiten?" zitiert Professor Forell in seinem Standardwerk "Die sexuelle Frage" die Schweizer Pädagogin, Frau Schmidt-Jäger. "Gewiß nicht; heute noch vernachlässigt man die elementarste Kenntnis, die eine zukünftige Gattin und Mutter haben muß, und seit Jahrhunderten heiraten junge Mädchen in mehr oder minder vollständiger Un- wissenheit ihrer natürlichen Funktionen und Pflichten. Freilich lehrt man sie öfters wenigstens kochen, nähen und haushalten; aber man sagt ihnen nichts über ihre sexuellen Funktionen und deren Folgen.
Wie viele unglückliche Ehen würden vermieden, wenn die jungen Mädchen die ehelichen Pflichten, die ihrer harren, vorher kennen würden! Forell nennt die Sitten, die von unseren jungen Mädchen eine wahnsinnige Unwissenheit fordern, die für ihre Zukunft ungeheuer gefährlich ist, grausam und unnatürlich und fordert eine Bestrafung der- jenigen Eltern, die ihre unwissenden Töchter an Männer vergeben, die sogenannte unwissende Bräute fordern. Und er hat vollständig recht, denn es ist eine gedankenlose Kurzsichtigkeit, die sich unglaublich rächt, wenn man die Mädchen immer nur von dem Standpunkt aus erzieht, wie sie den Mann am meisten reizen, statt das, was ihnen selbst für ihre Entwicklung und ihre Zukunft am
12 Jchenhaeuser, Frauenziele.
haupten, daß sie dieselben so gut wie möglich vor- bereiten?“ zitiert Professor Forell in seinem Standardwerk „Die sexuelle Frage“ die Schweizer Pädagogin, Frau Schmidt-Jäger. „Gewiß nicht; heute noch vernachlässigt man die elementarste Kenntnis, die eine zukünftige Gattin und Mutter haben muß, und seit Jahrhunderten heiraten junge Mädchen in mehr oder minder vollständiger Un- wissenheit ihrer natürlichen Funktionen und Pflichten. Freilich lehrt man sie öfters wenigstens kochen, nähen und haushalten; aber man sagt ihnen nichts über ihre sexuellen Funktionen und deren Folgen.
Wie viele unglückliche Ehen würden vermieden, wenn die jungen Mädchen die ehelichen Pflichten, die ihrer harren, vorher kennen würden! Forell nennt die Sitten, die von unseren jungen Mädchen eine wahnsinnige Unwissenheit fordern, die für ihre Zukunft ungeheuer gefährlich ist, grausam und unnatürlich und fordert eine Bestrafung der- jenigen Eltern, die ihre unwissenden Töchter an Männer vergeben, die sogenannte unwissende Bräute fordern. Und er hat vollständig recht, denn es ist eine gedankenlose Kurzsichtigkeit, die sich unglaublich rächt, wenn man die Mädchen immer nur von dem Standpunkt aus erzieht, wie sie den Mann am meisten reizen, statt das, was ihnen selbst für ihre Entwicklung und ihre Zukunft am
12 Jchenhaeuser, Frauenziele.
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haupten, daß sie dieselben so gut wie möglich vor-
bereiten?“ zitiert Professor Forell in seinem
Standardwerk „Die sexuelle Frage“ die Schweizer
Pädagogin, Frau Schmidt-Jäger. „Gewiß nicht;
heute noch vernachlässigt man die elementarste
Kenntnis, die eine zukünftige Gattin und Mutter
haben muß, und seit Jahrhunderten heiraten junge
Mädchen in mehr oder minder vollständiger Un-
wissenheit ihrer natürlichen Funktionen und
Pflichten. Freilich lehrt man sie öfters wenigstens
kochen, nähen und haushalten; aber man sagt
ihnen nichts über ihre sexuellen Funktionen und
deren Folgen.
Wie viele unglückliche Ehen würden vermieden,
wenn die jungen Mädchen die ehelichen Pflichten,
die ihrer harren, vorher kennen würden! Forell
nennt die Sitten, die von unseren jungen Mädchen
eine wahnsinnige Unwissenheit fordern, die für
ihre Zukunft ungeheuer gefährlich ist, grausam
und unnatürlich und fordert eine Bestrafung der-
jenigen Eltern, die ihre unwissenden Töchter an
Männer vergeben, die sogenannte unwissende
Bräute fordern. Und er hat vollständig recht, denn
es ist eine gedankenlose Kurzsichtigkeit, die sich
unglaublich rächt, wenn man die Mädchen immer
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(2020-12-07T10:34:09Z)
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Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/181>, abgerufen am 16.02.2025.
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