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Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913.

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mütsmenschen jedes Minimalquäntchen an sozi-
aler Hilfsarbeit nennen, noch die unnatürlichen
der Schande, der Not, der Schutzlosigkeit beigesellt
werden?

Wie viele Faktoren zum Fall einer solch un-
glücklichen unehelichen Mutter beitragen, dafür
spricht in lebendigen Zahlen eine ergreifende
soziologische Studie von Adele Schreiber, die sie auf
Grund eines Materials, das sie aus mehreren
tausend Fragebogen gewonnen hat, in ihrem eben
erschienenen ausgezeichneten oben bereits zitierten
Sammelwerk "Mutterschaft" entwickelt. Da
sehen wir zunächst, daß etwa ein Viertel
Minderjährige unter 21 Jahre alt sind, hier-
von ein nicht geringer Teil noch dem Kindes-
alter nahestehend zwischen 15 bis 18 Jahren.
Mindestens die Hälfte haben das 25. Jahr noch
nicht überschritten, nur wenige das 30. Etwa
10 Prozent sind Angehörige der gebildeten Klassen,
darunter nicht wenige die Berufen angehören, die
ein Zölibat von der Frau verlangen, wie die der
Lehrerin, der Beamtin, der Krankenpflegerin usw.
Den höchsten Prozentsatz der unehelichen Mütter
stellen die Dienstboten, was vielfach auf ihre Ju-
gend und Unerfahrenheit zurückzuführen ist, be-
sonders wenn sie vom Lande oder aus kleinen
Orten kommen, glauben sie den schönen Worten,
denken auch vielfach, daß, wie bei ländlichen Ver-

mütsmenschen jedes Minimalquäntchen an sozi-
aler Hilfsarbeit nennen, noch die unnatürlichen
der Schande, der Not, der Schutzlosigkeit beigesellt
werden?

Wie viele Faktoren zum Fall einer solch un-
glücklichen unehelichen Mutter beitragen, dafür
spricht in lebendigen Zahlen eine ergreifende
soziologische Studie von Adele Schreiber, die sie auf
Grund eines Materials, das sie aus mehreren
tausend Fragebogen gewonnen hat, in ihrem eben
erschienenen ausgezeichneten oben bereits zitierten
Sammelwerk „Mutterschaft“ entwickelt. Da
sehen wir zunächst, daß etwa ein Viertel
Minderjährige unter 21 Jahre alt sind, hier-
von ein nicht geringer Teil noch dem Kindes-
alter nahestehend zwischen 15 bis 18 Jahren.
Mindestens die Hälfte haben das 25. Jahr noch
nicht überschritten, nur wenige das 30. Etwa
10 Prozent sind Angehörige der gebildeten Klassen,
darunter nicht wenige die Berufen angehören, die
ein Zölibat von der Frau verlangen, wie die der
Lehrerin, der Beamtin, der Krankenpflegerin usw.
Den höchsten Prozentsatz der unehelichen Mütter
stellen die Dienstboten, was vielfach auf ihre Ju-
gend und Unerfahrenheit zurückzuführen ist, be-
sonders wenn sie vom Lande oder aus kleinen
Orten kommen, glauben sie den schönen Worten,
denken auch vielfach, daß, wie bei ländlichen Ver-

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[297/0301] mütsmenschen jedes Minimalquäntchen an sozi- aler Hilfsarbeit nennen, noch die unnatürlichen der Schande, der Not, der Schutzlosigkeit beigesellt werden? Wie viele Faktoren zum Fall einer solch un- glücklichen unehelichen Mutter beitragen, dafür spricht in lebendigen Zahlen eine ergreifende soziologische Studie von Adele Schreiber, die sie auf Grund eines Materials, das sie aus mehreren tausend Fragebogen gewonnen hat, in ihrem eben erschienenen ausgezeichneten oben bereits zitierten Sammelwerk „Mutterschaft“ entwickelt. Da sehen wir zunächst, daß etwa ein Viertel Minderjährige unter 21 Jahre alt sind, hier- von ein nicht geringer Teil noch dem Kindes- alter nahestehend zwischen 15 bis 18 Jahren. Mindestens die Hälfte haben das 25. Jahr noch nicht überschritten, nur wenige das 30. Etwa 10 Prozent sind Angehörige der gebildeten Klassen, darunter nicht wenige die Berufen angehören, die ein Zölibat von der Frau verlangen, wie die der Lehrerin, der Beamtin, der Krankenpflegerin usw. Den höchsten Prozentsatz der unehelichen Mütter stellen die Dienstboten, was vielfach auf ihre Ju- gend und Unerfahrenheit zurückzuführen ist, be- sonders wenn sie vom Lande oder aus kleinen Orten kommen, glauben sie den schönen Worten, denken auch vielfach, daß, wie bei ländlichen Ver-

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-12-07T10:34:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/301>, abgerufen am 22.11.2024.