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Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913.

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hältnissen, oft die Ehe noch nachträglich das Ver-
hältnis sanktionieren kann.

Welch einen verhängnisvollen Einfluß unglück-
liche, schlechte häusliche Verhältnisse ausüben, da-
für spricht der Umstand, daß von 541 Fragebogen
unehelicher Mütter, welche Adele Schreiber unter
diesem Gesichtspunkte untersuchte, 181 Vollwaisen,
Halbwaisen, Kinder geschiedener Ehen, Uneheliche,
also überall ein im Gleichgewicht gestörtes Fa-
milienleben vorhanden war. Oft waren auch Ver-
merke wie "Vater oder Mutter in der Jrren-
anstalt", "Vater trinkt, mißhandelt Familie."

Jn vielen Fällen wurden Ehehindernisse so-
zialer und konfessioneller Art angegeben. Häufiger
der einseitige Ehewille des Mädchens, das ein
Opfer der Verführung unter Vortäuschung späterer
Ehe wurde. Diese Verführung zeigt alle Variatio-
nen, sowohl das Verlöbnis, bei dem selbst die Fa-
milie des Mädchens hintergangen wurde, wie die
noch bequemere und billige Art schöner Redens-
arten, die von gutgläubigen, unerfahrenen
Mädchen für bare Münze genommen wurden, wie
auch direkter Heiratsschwindel, Verführung unter
falschem Namen usw. 5 Prozent der Hilfesuchenden
kannten den Namen des Verführers nicht, meist
geistig Minderwertige oder Jugendliche, deren
Dummheit und Unerfahrenheit ausgenützt wurde.

All diese jungen, unerfahrenen, unwissenden

hältnissen, oft die Ehe noch nachträglich das Ver-
hältnis sanktionieren kann.

Welch einen verhängnisvollen Einfluß unglück-
liche, schlechte häusliche Verhältnisse ausüben, da-
für spricht der Umstand, daß von 541 Fragebogen
unehelicher Mütter, welche Adele Schreiber unter
diesem Gesichtspunkte untersuchte, 181 Vollwaisen,
Halbwaisen, Kinder geschiedener Ehen, Uneheliche,
also überall ein im Gleichgewicht gestörtes Fa-
milienleben vorhanden war. Oft waren auch Ver-
merke wie „Vater oder Mutter in der Jrren-
anstalt“, „Vater trinkt, mißhandelt Familie.“

Jn vielen Fällen wurden Ehehindernisse so-
zialer und konfessioneller Art angegeben. Häufiger
der einseitige Ehewille des Mädchens, das ein
Opfer der Verführung unter Vortäuschung späterer
Ehe wurde. Diese Verführung zeigt alle Variatio-
nen, sowohl das Verlöbnis, bei dem selbst die Fa-
milie des Mädchens hintergangen wurde, wie die
noch bequemere und billige Art schöner Redens-
arten, die von gutgläubigen, unerfahrenen
Mädchen für bare Münze genommen wurden, wie
auch direkter Heiratsschwindel, Verführung unter
falschem Namen usw. 5 Prozent der Hilfesuchenden
kannten den Namen des Verführers nicht, meist
geistig Minderwertige oder Jugendliche, deren
Dummheit und Unerfahrenheit ausgenützt wurde.

All diese jungen, unerfahrenen, unwissenden

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[298/0302] hältnissen, oft die Ehe noch nachträglich das Ver- hältnis sanktionieren kann. Welch einen verhängnisvollen Einfluß unglück- liche, schlechte häusliche Verhältnisse ausüben, da- für spricht der Umstand, daß von 541 Fragebogen unehelicher Mütter, welche Adele Schreiber unter diesem Gesichtspunkte untersuchte, 181 Vollwaisen, Halbwaisen, Kinder geschiedener Ehen, Uneheliche, also überall ein im Gleichgewicht gestörtes Fa- milienleben vorhanden war. Oft waren auch Ver- merke wie „Vater oder Mutter in der Jrren- anstalt“, „Vater trinkt, mißhandelt Familie.“ Jn vielen Fällen wurden Ehehindernisse so- zialer und konfessioneller Art angegeben. Häufiger der einseitige Ehewille des Mädchens, das ein Opfer der Verführung unter Vortäuschung späterer Ehe wurde. Diese Verführung zeigt alle Variatio- nen, sowohl das Verlöbnis, bei dem selbst die Fa- milie des Mädchens hintergangen wurde, wie die noch bequemere und billige Art schöner Redens- arten, die von gutgläubigen, unerfahrenen Mädchen für bare Münze genommen wurden, wie auch direkter Heiratsschwindel, Verführung unter falschem Namen usw. 5 Prozent der Hilfesuchenden kannten den Namen des Verführers nicht, meist geistig Minderwertige oder Jugendliche, deren Dummheit und Unerfahrenheit ausgenützt wurde. All diese jungen, unerfahrenen, unwissenden

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-12-07T10:34:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/302>, abgerufen am 12.05.2024.