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Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913.

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arbeitern für das Gemeinwohl und auf diese Weise
zu wünschenswerten Wählern heranzubilden.

Trotzdem die Bedeutung der Frau als Hausfrau
und Mutter von allen Seiten so gern hervorgehoben
ward, glaubte man merkwürdigerweise doch, ihr
gerade wegen dieser ihrer Mission eine Anteil-
nahme am öffentlichen Leben versagen zu müssen,
da man annahm, daß Haus und Öffentlichkeit zwei
einander ausschließende Begriffe seien. Erst als
die Frauen durch die Eroberung der Gymnasien und
Universitäten, durch ihr erfolgreiches Eindringen
in beinahe sämtliche Berufe den Beweis lieferten,
daß ihre Fähigkeiten über die vier Wände ihres
Hauses hinausragten, da begann man langsam, sie
auch im öffentlichen Leben für voll zu nehmen. Es
wird in der Regel noch nicht erkannt, daß der
gleiche Vorgang, der die Frau zum Erwerb außer-
halb des Hauses zwang, die Verpflanzung der Pro-
duktion vom Hause in die Fabrik, sich auch auf dem
Gebiete der Erziehung, der Armenpflege, der
Sanitätspflege, kurz, fast überall abspielt, d. h.,
daß, nachdem der Hausfrau fast jede produktive
Tätigkeit weggenommen wurde, nunmehr auch die
Mutter und Philantropin ihre Sphäre auf ein
Minimum reduziert sieht und sie, will sie nicht Ge-
fahr laufen, die Leitung und Einwirkung auf die
Erziehung und Zukunft ihrer Kinder ganz zu ver-
lieren, gezwungen ist, ihre Tätigkeit auf diesen Ge-

arbeitern für das Gemeinwohl und auf diese Weise
zu wünschenswerten Wählern heranzubilden.

Trotzdem die Bedeutung der Frau als Hausfrau
und Mutter von allen Seiten so gern hervorgehoben
ward, glaubte man merkwürdigerweise doch, ihr
gerade wegen dieser ihrer Mission eine Anteil-
nahme am öffentlichen Leben versagen zu müssen,
da man annahm, daß Haus und Öffentlichkeit zwei
einander ausschließende Begriffe seien. Erst als
die Frauen durch die Eroberung der Gymnasien und
Universitäten, durch ihr erfolgreiches Eindringen
in beinahe sämtliche Berufe den Beweis lieferten,
daß ihre Fähigkeiten über die vier Wände ihres
Hauses hinausragten, da begann man langsam, sie
auch im öffentlichen Leben für voll zu nehmen. Es
wird in der Regel noch nicht erkannt, daß der
gleiche Vorgang, der die Frau zum Erwerb außer-
halb des Hauses zwang, die Verpflanzung der Pro-
duktion vom Hause in die Fabrik, sich auch auf dem
Gebiete der Erziehung, der Armenpflege, der
Sanitätspflege, kurz, fast überall abspielt, d. h.,
daß, nachdem der Hausfrau fast jede produktive
Tätigkeit weggenommen wurde, nunmehr auch die
Mutter und Philantropin ihre Sphäre auf ein
Minimum reduziert sieht und sie, will sie nicht Ge-
fahr laufen, die Leitung und Einwirkung auf die
Erziehung und Zukunft ihrer Kinder ganz zu ver-
lieren, gezwungen ist, ihre Tätigkeit auf diesen Ge-

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[328/0332] arbeitern für das Gemeinwohl und auf diese Weise zu wünschenswerten Wählern heranzubilden. Trotzdem die Bedeutung der Frau als Hausfrau und Mutter von allen Seiten so gern hervorgehoben ward, glaubte man merkwürdigerweise doch, ihr gerade wegen dieser ihrer Mission eine Anteil- nahme am öffentlichen Leben versagen zu müssen, da man annahm, daß Haus und Öffentlichkeit zwei einander ausschließende Begriffe seien. Erst als die Frauen durch die Eroberung der Gymnasien und Universitäten, durch ihr erfolgreiches Eindringen in beinahe sämtliche Berufe den Beweis lieferten, daß ihre Fähigkeiten über die vier Wände ihres Hauses hinausragten, da begann man langsam, sie auch im öffentlichen Leben für voll zu nehmen. Es wird in der Regel noch nicht erkannt, daß der gleiche Vorgang, der die Frau zum Erwerb außer- halb des Hauses zwang, die Verpflanzung der Pro- duktion vom Hause in die Fabrik, sich auch auf dem Gebiete der Erziehung, der Armenpflege, der Sanitätspflege, kurz, fast überall abspielt, d. h., daß, nachdem der Hausfrau fast jede produktive Tätigkeit weggenommen wurde, nunmehr auch die Mutter und Philantropin ihre Sphäre auf ein Minimum reduziert sieht und sie, will sie nicht Ge- fahr laufen, die Leitung und Einwirkung auf die Erziehung und Zukunft ihrer Kinder ganz zu ver- lieren, gezwungen ist, ihre Tätigkeit auf diesen Ge-

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Zitationshilfe: Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/332>, abgerufen am 22.11.2024.