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Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913.

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sammensein von Gatten, Eltern und Kindern ist
mit so außerordentlichen Nachteilen verknüpft,
daß der Vorzug zur Plage wird. Der Vater kann
die Erziehung seiner Kinder nicht leiten, die Frau
für Haushalt und Kinder nicht oder doch nur
schlecht sorgen, weil jede Minute des Tages der
Arbeit gehört. Wohl hängt die Arbeitszeit vom
Arbeiter selbst ab, aber die elende Bezahlung
zwingt ihn bis zur Erschöpfung zu arbeiten, so daß
die Selbstbestimmung hinfällig ist. Die Ansicht,
daß die Arbeitsart in der Regel für die Gesundheit
nicht schädigend ist, hat sich als grundfalsch er-
wiesen. Man weiß gegenwärtig, daß die Be-
dingungen, unter denen die Heimarbeit ausgeübt
wird, zu den gesundheitswidrigsten gehört. Jn
kleinen, häufig feuchten und dumpfen Räumen
schlafen eine große Anzahl von Personen, in denen
ebensoviele Personen tagsüber ihre Berufsarbeit
ausüben, in denen gekocht, Kinderwäsche ge-
trocknet und ungezählte andere Dinge vorge-
nommen werden. Zur Lüftung fehlt in der Regel
die Zeit, da vom Bett sofort zur Arbeit gegangen
wird, so daß die Luft ebenso ekel- wie krankheits-
erregend ist. - Daß die Verwendung aller verfüg-
baren Erwerbskräfte der Familie durch die Heim-
arbeit ermöglicht ist, hat sich als ein Fluch für die
kommenden Geschlechter herausgestellt, da sie zu
einer der schmählichsten und betrübendsten Er-

sammensein von Gatten, Eltern und Kindern ist
mit so außerordentlichen Nachteilen verknüpft,
daß der Vorzug zur Plage wird. Der Vater kann
die Erziehung seiner Kinder nicht leiten, die Frau
für Haushalt und Kinder nicht oder doch nur
schlecht sorgen, weil jede Minute des Tages der
Arbeit gehört. Wohl hängt die Arbeitszeit vom
Arbeiter selbst ab, aber die elende Bezahlung
zwingt ihn bis zur Erschöpfung zu arbeiten, so daß
die Selbstbestimmung hinfällig ist. Die Ansicht,
daß die Arbeitsart in der Regel für die Gesundheit
nicht schädigend ist, hat sich als grundfalsch er-
wiesen. Man weiß gegenwärtig, daß die Be-
dingungen, unter denen die Heimarbeit ausgeübt
wird, zu den gesundheitswidrigsten gehört. Jn
kleinen, häufig feuchten und dumpfen Räumen
schlafen eine große Anzahl von Personen, in denen
ebensoviele Personen tagsüber ihre Berufsarbeit
ausüben, in denen gekocht, Kinderwäsche ge-
trocknet und ungezählte andere Dinge vorge-
nommen werden. Zur Lüftung fehlt in der Regel
die Zeit, da vom Bett sofort zur Arbeit gegangen
wird, so daß die Luft ebenso ekel- wie krankheits-
erregend ist. – Daß die Verwendung aller verfüg-
baren Erwerbskräfte der Familie durch die Heim-
arbeit ermöglicht ist, hat sich als ein Fluch für die
kommenden Geschlechter herausgestellt, da sie zu
einer der schmählichsten und betrübendsten Er-

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[66/0070] sammensein von Gatten, Eltern und Kindern ist mit so außerordentlichen Nachteilen verknüpft, daß der Vorzug zur Plage wird. Der Vater kann die Erziehung seiner Kinder nicht leiten, die Frau für Haushalt und Kinder nicht oder doch nur schlecht sorgen, weil jede Minute des Tages der Arbeit gehört. Wohl hängt die Arbeitszeit vom Arbeiter selbst ab, aber die elende Bezahlung zwingt ihn bis zur Erschöpfung zu arbeiten, so daß die Selbstbestimmung hinfällig ist. Die Ansicht, daß die Arbeitsart in der Regel für die Gesundheit nicht schädigend ist, hat sich als grundfalsch er- wiesen. Man weiß gegenwärtig, daß die Be- dingungen, unter denen die Heimarbeit ausgeübt wird, zu den gesundheitswidrigsten gehört. Jn kleinen, häufig feuchten und dumpfen Räumen schlafen eine große Anzahl von Personen, in denen ebensoviele Personen tagsüber ihre Berufsarbeit ausüben, in denen gekocht, Kinderwäsche ge- trocknet und ungezählte andere Dinge vorge- nommen werden. Zur Lüftung fehlt in der Regel die Zeit, da vom Bett sofort zur Arbeit gegangen wird, so daß die Luft ebenso ekel- wie krankheits- erregend ist. – Daß die Verwendung aller verfüg- baren Erwerbskräfte der Familie durch die Heim- arbeit ermöglicht ist, hat sich als ein Fluch für die kommenden Geschlechter herausgestellt, da sie zu einer der schmählichsten und betrübendsten Er-

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Zitationshilfe: Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/70>, abgerufen am 07.05.2024.