Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847.nerung bliebe, auch treibe derselbe den größten Unfug in sei¬ nerung bliebe, auch treibe derſelbe den groͤßten Unfug in ſei¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0128" n="120"/> nerung bliebe, auch treibe derſelbe den groͤßten Unfug in ſei¬<lb/> nem Leibe, wogegen er kein anderes Huͤlfsmittel habe auffin¬<lb/> den koͤnnen, als das Zeichen des heiligen Kreuzes, wozu auch<lb/> eine Stimme ihm gerathen habe. Dieſer Kampf mit dem<lb/> Teufel ſei allerdings ſehr quaͤlend, indeß Gott habe ihm zum<lb/> Schutz gegen denſelben den heiligen Geiſt geſandt, denn er fuͤhle<lb/> deutlich ein lebendiges kleines Weſen in ſeinem Leibe ſich be¬<lb/> wegen, welches eine Reinigung deſſelben vornehme, weshalb er<lb/> viel ſpucken muͤſſe. Uebrigens behauptete er, geſund zu ſein,<lb/> und ſah es als eine Schickung Gottes an, daß er ins Irren¬<lb/> haus gebracht ſei, da dies zu ſeinem Beſten gereiche, und<lb/> worin er ſich willig ergebe, da er noch nicht den rechten<lb/> Glauben gehabt habe. Nach der fortgeſetzten Anwendung ge¬<lb/> linder Abfuͤhrungen, wodurch ſeine Unterleibsbeſchwerden groͤ߬<lb/> tentheils beſeitigt wurden, erlangte er ſcheinbar eine groͤßere<lb/> Ruhe, indem er Troſt aus der Ueberzeugung ſchoͤpfte, daß er<lb/> als Arbeiter im Weinberge des Herrn ſeine Suͤnden abarbeiten<lb/> koͤnne. Indeß eine weſentliche Veraͤnderung trat nicht ein,<lb/> namentlich aͤußerte er bei einer ſpaͤteren Gelegenheit, er habe<lb/> in ſich zwei Stimmen, eine gute und eine boͤſe, die eine auf<lb/> der rechten, die andere auf ſeiner linken Seite; die boͤſe ſage<lb/> immer, fluche Gott, wie er dies von Menſchen, namentlich<lb/> von einem Polizeicommiſſaͤr gehoͤrt habe, welcher die Bibel<lb/> ein verfluchtes Buch nannte. Die gute Stimme ermunterte<lb/> ihn, ſeinem Heilande treu zu bleiben. In ſeinem 35. Jahre<lb/> habe er als Vorſteher einer Kaſſe den Kaſſenſchreiber, der dieſe<lb/> betrogen, angezeigt; dies ſei eine Verraͤtherei von ihm gewe¬<lb/> ſen, da man lieber Unrecht leiden, als Anderen Unrecht zu¬<lb/> fuͤgen muͤſſe. Hierbei gerieth er in ein heftiges Weinen und<lb/> Schluchzen, und rang die Haͤnde, ſo daß er nur mit Muͤhe<lb/> beſchwichtigt werden konnte. Dann aͤußerte er, nachdem der<lb/> heilige Geiſt ſeine Reinigung vorgenommen, ſtehe er feſt im<lb/> Glauben, und troͤſte ſich mit den Worten Davids: „Ihr habt<lb/> einen ſchweren Bußkampf gehabt, und ſeid noch jung wie die<lb/> Adler”. Endlich ſprach er „ich bin auf Golgatha geweſen,<lb/> d. h. ich habe die Gnadenthraͤnen gehabt, die der Herr ſchickt,<lb/> und zwar als ich in die Georgenkirche gegangen bin, denn das<lb/> iſt die Gnade und Freudigkeit des heiligen Geiſtes, die man<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [120/0128]
nerung bliebe, auch treibe derſelbe den groͤßten Unfug in ſei¬
nem Leibe, wogegen er kein anderes Huͤlfsmittel habe auffin¬
den koͤnnen, als das Zeichen des heiligen Kreuzes, wozu auch
eine Stimme ihm gerathen habe. Dieſer Kampf mit dem
Teufel ſei allerdings ſehr quaͤlend, indeß Gott habe ihm zum
Schutz gegen denſelben den heiligen Geiſt geſandt, denn er fuͤhle
deutlich ein lebendiges kleines Weſen in ſeinem Leibe ſich be¬
wegen, welches eine Reinigung deſſelben vornehme, weshalb er
viel ſpucken muͤſſe. Uebrigens behauptete er, geſund zu ſein,
und ſah es als eine Schickung Gottes an, daß er ins Irren¬
haus gebracht ſei, da dies zu ſeinem Beſten gereiche, und
worin er ſich willig ergebe, da er noch nicht den rechten
Glauben gehabt habe. Nach der fortgeſetzten Anwendung ge¬
linder Abfuͤhrungen, wodurch ſeine Unterleibsbeſchwerden groͤ߬
tentheils beſeitigt wurden, erlangte er ſcheinbar eine groͤßere
Ruhe, indem er Troſt aus der Ueberzeugung ſchoͤpfte, daß er
als Arbeiter im Weinberge des Herrn ſeine Suͤnden abarbeiten
koͤnne. Indeß eine weſentliche Veraͤnderung trat nicht ein,
namentlich aͤußerte er bei einer ſpaͤteren Gelegenheit, er habe
in ſich zwei Stimmen, eine gute und eine boͤſe, die eine auf
der rechten, die andere auf ſeiner linken Seite; die boͤſe ſage
immer, fluche Gott, wie er dies von Menſchen, namentlich
von einem Polizeicommiſſaͤr gehoͤrt habe, welcher die Bibel
ein verfluchtes Buch nannte. Die gute Stimme ermunterte
ihn, ſeinem Heilande treu zu bleiben. In ſeinem 35. Jahre
habe er als Vorſteher einer Kaſſe den Kaſſenſchreiber, der dieſe
betrogen, angezeigt; dies ſei eine Verraͤtherei von ihm gewe¬
ſen, da man lieber Unrecht leiden, als Anderen Unrecht zu¬
fuͤgen muͤſſe. Hierbei gerieth er in ein heftiges Weinen und
Schluchzen, und rang die Haͤnde, ſo daß er nur mit Muͤhe
beſchwichtigt werden konnte. Dann aͤußerte er, nachdem der
heilige Geiſt ſeine Reinigung vorgenommen, ſtehe er feſt im
Glauben, und troͤſte ſich mit den Worten Davids: „Ihr habt
einen ſchweren Bußkampf gehabt, und ſeid noch jung wie die
Adler”. Endlich ſprach er „ich bin auf Golgatha geweſen,
d. h. ich habe die Gnadenthraͤnen gehabt, die der Herr ſchickt,
und zwar als ich in die Georgenkirche gegangen bin, denn das
iſt die Gnade und Freudigkeit des heiligen Geiſtes, die man
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