Iffland, August Wilhelm: Die Jäger. Berlin, 1785.
wenn Gott die Alte da mir heute von der Seite neh- men wollte; so träfe es mich so hart, als wenn er sie mir am Brauttage genommen hätte. Obfstn. (laut weinend.) Nun nun -- laß doch -- sprich doch nicht von so was. Obfstr. So wollte ich, daß es um Euch Kinder auch stände! Wenn wir Alten denn einmal fort sollen -- so will ich meine Augen so ruhig schliessen, als heute, wenn ich schlafen gehe. Schulz. Nun -- davon sind wir, wills Gott! noch weit! Pastor. So denke ich auch. Aber warum deswegen nicht daran denken? Warlich, man muß recht gut gelebt haben, und es muß eine edle Freude sein, die der Ge- danke nicht unterbricht. Deswegen hat ja das Leben nicht minder Werth? Obfstr. Gewiß nicht! Pastor. Es verdrießt mich allemal in der Seele, wenn man sich so viel Mühe giebt, das Leben und die Welt so hart und schwarz zu malen. Das ist unwahr und schädlich zugleich. Obfstr. Ja wohl. Pastor. Das Leben des Menschen enthält viel Glückseeligkeit. Man sollte uns nur früh lehren, sie
wenn Gott die Alte da mir heute von der Seite neh- men wollte; ſo traͤfe es mich ſo hart, als wenn er ſie mir am Brauttage genommen haͤtte. Obfſtn. (laut weinend.) Nun nun — laß doch — ſprich doch nicht von ſo was. Obfſtr. So wollte ich, daß es um Euch Kinder auch ſtaͤnde! Wenn wir Alten denn einmal fort ſollen — ſo will ich meine Augen ſo ruhig ſchlieſſen, als heute, wenn ich ſchlafen gehe. Schulz. Nun — davon ſind wir, wills Gott! noch weit! Paſtor. So denke ich auch. Aber warum deswegen nicht daran denken? Warlich, man muß recht gut gelebt haben, und es muß eine edle Freude ſein, die der Ge- danke nicht unterbricht. Deswegen hat ja das Leben nicht minder Werth? Obfſtr. Gewiß nicht! Paſtor. Es verdrießt mich allemal in der Seele, wenn man ſich ſo viel Muͤhe giebt, das Leben und die Welt ſo hart und ſchwarz zu malen. Das iſt unwahr und ſchaͤdlich zugleich. Obfſtr. Ja wohl. Paſtor. Das Leben des Menſchen enthaͤlt viel Gluͤckſeeligkeit. Man ſollte uns nur fruͤh lehren, ſie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#OBE"> <p><pb facs="#f0158" n="152"/> wenn Gott die Alte da mir heute von der Seite neh-<lb/> men wollte; ſo traͤfe es mich ſo hart, als wenn er ſie<lb/> mir am Brauttage genommen haͤtte.</p> </sp><lb/> <sp who="#OBEI"> <speaker>Obfſtn.</speaker> <stage>(laut weinend.)</stage> <p>Nun nun — laß doch —<lb/> ſprich doch nicht von ſo was.</p> </sp><lb/> <sp who="#OBE"> <speaker>Obfſtr.</speaker> <p>So wollte ich, daß es um Euch Kinder auch<lb/> ſtaͤnde! Wenn wir Alten denn einmal fort ſollen —<lb/> ſo will ich meine Augen ſo ruhig ſchlieſſen, als heute,<lb/> wenn ich ſchlafen gehe.</p> </sp><lb/> <sp who="#SCHU"> <speaker>Schulz.</speaker> <p>Nun — davon ſind wir, wills Gott! noch<lb/> weit!</p> </sp><lb/> <sp who="#PAS"> <speaker>Paſtor.</speaker> <p>So denke ich auch. Aber warum deswegen<lb/> nicht daran denken? Warlich, man muß recht gut gelebt<lb/> haben, und es muß eine edle Freude ſein, die der Ge-<lb/> danke nicht unterbricht. Deswegen hat ja das Leben<lb/> nicht minder Werth?</p> </sp><lb/> <sp who="#OBE"> <speaker>Obfſtr.</speaker> <p>Gewiß nicht!</p> </sp><lb/> <sp who="#PAS"> <speaker>Paſtor.</speaker> <p>Es verdrießt mich allemal in der Seele,<lb/> wenn man ſich ſo viel Muͤhe giebt, das Leben und die<lb/> Welt ſo hart und ſchwarz zu malen. Das iſt unwahr<lb/> und ſchaͤdlich zugleich.</p> </sp><lb/> <sp who="#OBE"> <speaker>Obfſtr.</speaker> <p>Ja wohl.</p> </sp><lb/> <sp who="#PAS"> <speaker>Paſtor.</speaker> <p>Das Leben des Menſchen enthaͤlt viel<lb/> Gluͤckſeeligkeit. Man ſollte uns nur fruͤh lehren, ſie<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [152/0158]
wenn Gott die Alte da mir heute von der Seite neh-
men wollte; ſo traͤfe es mich ſo hart, als wenn er ſie
mir am Brauttage genommen haͤtte.
Obfſtn. (laut weinend.) Nun nun — laß doch —
ſprich doch nicht von ſo was.
Obfſtr. So wollte ich, daß es um Euch Kinder auch
ſtaͤnde! Wenn wir Alten denn einmal fort ſollen —
ſo will ich meine Augen ſo ruhig ſchlieſſen, als heute,
wenn ich ſchlafen gehe.
Schulz. Nun — davon ſind wir, wills Gott! noch
weit!
Paſtor. So denke ich auch. Aber warum deswegen
nicht daran denken? Warlich, man muß recht gut gelebt
haben, und es muß eine edle Freude ſein, die der Ge-
danke nicht unterbricht. Deswegen hat ja das Leben
nicht minder Werth?
Obfſtr. Gewiß nicht!
Paſtor. Es verdrießt mich allemal in der Seele,
wenn man ſich ſo viel Muͤhe giebt, das Leben und die
Welt ſo hart und ſchwarz zu malen. Das iſt unwahr
und ſchaͤdlich zugleich.
Obfſtr. Ja wohl.
Paſtor. Das Leben des Menſchen enthaͤlt viel
Gluͤckſeeligkeit. Man ſollte uns nur fruͤh lehren, ſie
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