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Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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ihre italienischen Verhältnisse an, von denen er doch gar nichts wußte. Daran mich zu erinnern! fuhr sie heftig auf. Daran! Jetzt! Pfui! Sie warf ihm einen Blick zu, in dem ihre erzürnte Seele loderte. Er wollte sie zurückhalten, sie riß sich los und eilte in das Haus. Er wartete auf sie vergeblich beim Abendessen. Der Bediente sagte ihm, die gnädige Frau befinde sich nicht wohl. Vor ihrem Zimmer stand die Jungfer und bat ihn mit einem verlegnen Gesichte, nicht hinein zu gehn, ihre Herrin habe ihr aufgetragen, Niemanden zu ihr zu lassen, auch den Herrn nicht, sie wollte schlummern und nicht gestört sein. Traurig kehrte er um, ihm war sehr übel zu Muthe. -- Daran . . . . Woran? murmelte er düster vor sich hin. Er wiederholte diese Worte so oft, daß man hätte glauben können, er wünsche zu entdecken, woran seine Frau nicht hätte erinnert sein wollen. --

So betrübte Fastentage folgten in diesem Hause dem lustigen Carneval. Indessen konnte noch Alles zum Guten ausschlagen, die Verstimmung war ja nur eine von den vielen, die an der Macht des Alltags und der Gewohnheit sich auflösen. Die Gatten versöhnten sich denn doch wieder; man nahm sich vor, man versprach einander unter Küssen und Thränen, daß von der unglücklichen Sache nicht mehr die Rede sein, daß der Name Sidoniens nicht ferner mehr genannt werden solle. Und darin hielten sie Wort. Nur bemerkte freilich Gustav,

ihre italienischen Verhältnisse an, von denen er doch gar nichts wußte. Daran mich zu erinnern! fuhr sie heftig auf. Daran! Jetzt! Pfui! Sie warf ihm einen Blick zu, in dem ihre erzürnte Seele loderte. Er wollte sie zurückhalten, sie riß sich los und eilte in das Haus. Er wartete auf sie vergeblich beim Abendessen. Der Bediente sagte ihm, die gnädige Frau befinde sich nicht wohl. Vor ihrem Zimmer stand die Jungfer und bat ihn mit einem verlegnen Gesichte, nicht hinein zu gehn, ihre Herrin habe ihr aufgetragen, Niemanden zu ihr zu lassen, auch den Herrn nicht, sie wollte schlummern und nicht gestört sein. Traurig kehrte er um, ihm war sehr übel zu Muthe. — Daran . . . . Woran? murmelte er düster vor sich hin. Er wiederholte diese Worte so oft, daß man hätte glauben können, er wünsche zu entdecken, woran seine Frau nicht hätte erinnert sein wollen. —

So betrübte Fastentage folgten in diesem Hause dem lustigen Carneval. Indessen konnte noch Alles zum Guten ausschlagen, die Verstimmung war ja nur eine von den vielen, die an der Macht des Alltags und der Gewohnheit sich auflösen. Die Gatten versöhnten sich denn doch wieder; man nahm sich vor, man versprach einander unter Küssen und Thränen, daß von der unglücklichen Sache nicht mehr die Rede sein, daß der Name Sidoniens nicht ferner mehr genannt werden solle. Und darin hielten sie Wort. Nur bemerkte freilich Gustav,

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[0119] ihre italienischen Verhältnisse an, von denen er doch gar nichts wußte. Daran mich zu erinnern! fuhr sie heftig auf. Daran! Jetzt! Pfui! Sie warf ihm einen Blick zu, in dem ihre erzürnte Seele loderte. Er wollte sie zurückhalten, sie riß sich los und eilte in das Haus. Er wartete auf sie vergeblich beim Abendessen. Der Bediente sagte ihm, die gnädige Frau befinde sich nicht wohl. Vor ihrem Zimmer stand die Jungfer und bat ihn mit einem verlegnen Gesichte, nicht hinein zu gehn, ihre Herrin habe ihr aufgetragen, Niemanden zu ihr zu lassen, auch den Herrn nicht, sie wollte schlummern und nicht gestört sein. Traurig kehrte er um, ihm war sehr übel zu Muthe. — Daran . . . . Woran? murmelte er düster vor sich hin. Er wiederholte diese Worte so oft, daß man hätte glauben können, er wünsche zu entdecken, woran seine Frau nicht hätte erinnert sein wollen. — So betrübte Fastentage folgten in diesem Hause dem lustigen Carneval. Indessen konnte noch Alles zum Guten ausschlagen, die Verstimmung war ja nur eine von den vielen, die an der Macht des Alltags und der Gewohnheit sich auflösen. Die Gatten versöhnten sich denn doch wieder; man nahm sich vor, man versprach einander unter Küssen und Thränen, daß von der unglücklichen Sache nicht mehr die Rede sein, daß der Name Sidoniens nicht ferner mehr genannt werden solle. Und darin hielten sie Wort. Nur bemerkte freilich Gustav,

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:19:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:19:09Z)

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_carneval_1910/119>, abgerufen am 24.11.2024.