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Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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daß Adolphine unruhig wurde, wenn er Briefe empfing, deren Inhalt er ihr nicht gleich mittheilte, wenn sich Personen bei ihm anmelden ließen, die ihr unbekannt waren. Nur fiel es ihr auf, daß er das Gespräch, und oft mit einem gewissen Zwange, auf ihre Lebensumstände brachte, sich von ihr erzählen ließ, wie es ihr da und dort gefallen habe, was ihr da und dort begegnet sei? -- Kann sie denn nie Ruhe haben und halten? sprach er für sich. Will er mich ausforschen? dachte sie in der Stille. Ihr Benehmen wurde gemessen, negativ; das seinige, in der Absicht, die Reinheit seines Bewußtseins darzuthun, ängstlich und manierirt. Gegen einander waren sie vorsichtiger als früher, man vermied sorgfältiger Alles, was zu Differenzen führen konnte. Es stand etwas tief an ihrem Horizonte, wie ein weißes gefährliches Wölkchen, sie fürchteten, und wußten nicht was, aber sie fürchteten, jede Stunde könne ihnen ein Unglück bringen. -- Eines Tages sagte Gustav zu seiner Frau: Laß uns bei Zeiten essen, ich verreise heute Nachmittag. Sie stutzte über diese plötzliche Ankündigung, und fragte mit erheuchelter Gleichgültigkeit: Wohin denn? Er antwortete ihr kurz, daß er die Fabriken im Gebirge besuchen wolle, die zu sehn er sich schon lange vorgenommen habe; nahm zur bestimmten Stunde einen flüchtigen Abschied, und stieg in den Wagen. Sie sah ihm betroffen nach, und brach in Thränen aus, als der Schall der Räder nicht mehr zu hören war. Sie machte sich zu thun, um über ihre Stimmung Herr zu werden.

daß Adolphine unruhig wurde, wenn er Briefe empfing, deren Inhalt er ihr nicht gleich mittheilte, wenn sich Personen bei ihm anmelden ließen, die ihr unbekannt waren. Nur fiel es ihr auf, daß er das Gespräch, und oft mit einem gewissen Zwange, auf ihre Lebensumstände brachte, sich von ihr erzählen ließ, wie es ihr da und dort gefallen habe, was ihr da und dort begegnet sei? — Kann sie denn nie Ruhe haben und halten? sprach er für sich. Will er mich ausforschen? dachte sie in der Stille. Ihr Benehmen wurde gemessen, negativ; das seinige, in der Absicht, die Reinheit seines Bewußtseins darzuthun, ängstlich und manierirt. Gegen einander waren sie vorsichtiger als früher, man vermied sorgfältiger Alles, was zu Differenzen führen konnte. Es stand etwas tief an ihrem Horizonte, wie ein weißes gefährliches Wölkchen, sie fürchteten, und wußten nicht was, aber sie fürchteten, jede Stunde könne ihnen ein Unglück bringen. — Eines Tages sagte Gustav zu seiner Frau: Laß uns bei Zeiten essen, ich verreise heute Nachmittag. Sie stutzte über diese plötzliche Ankündigung, und fragte mit erheuchelter Gleichgültigkeit: Wohin denn? Er antwortete ihr kurz, daß er die Fabriken im Gebirge besuchen wolle, die zu sehn er sich schon lange vorgenommen habe; nahm zur bestimmten Stunde einen flüchtigen Abschied, und stieg in den Wagen. Sie sah ihm betroffen nach, und brach in Thränen aus, als der Schall der Räder nicht mehr zu hören war. Sie machte sich zu thun, um über ihre Stimmung Herr zu werden.

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[0120] daß Adolphine unruhig wurde, wenn er Briefe empfing, deren Inhalt er ihr nicht gleich mittheilte, wenn sich Personen bei ihm anmelden ließen, die ihr unbekannt waren. Nur fiel es ihr auf, daß er das Gespräch, und oft mit einem gewissen Zwange, auf ihre Lebensumstände brachte, sich von ihr erzählen ließ, wie es ihr da und dort gefallen habe, was ihr da und dort begegnet sei? — Kann sie denn nie Ruhe haben und halten? sprach er für sich. Will er mich ausforschen? dachte sie in der Stille. Ihr Benehmen wurde gemessen, negativ; das seinige, in der Absicht, die Reinheit seines Bewußtseins darzuthun, ängstlich und manierirt. Gegen einander waren sie vorsichtiger als früher, man vermied sorgfältiger Alles, was zu Differenzen führen konnte. Es stand etwas tief an ihrem Horizonte, wie ein weißes gefährliches Wölkchen, sie fürchteten, und wußten nicht was, aber sie fürchteten, jede Stunde könne ihnen ein Unglück bringen. — Eines Tages sagte Gustav zu seiner Frau: Laß uns bei Zeiten essen, ich verreise heute Nachmittag. Sie stutzte über diese plötzliche Ankündigung, und fragte mit erheuchelter Gleichgültigkeit: Wohin denn? Er antwortete ihr kurz, daß er die Fabriken im Gebirge besuchen wolle, die zu sehn er sich schon lange vorgenommen habe; nahm zur bestimmten Stunde einen flüchtigen Abschied, und stieg in den Wagen. Sie sah ihm betroffen nach, und brach in Thränen aus, als der Schall der Räder nicht mehr zu hören war. Sie machte sich zu thun, um über ihre Stimmung Herr zu werden.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:19:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:19:09Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_carneval_1910/120>, abgerufen am 21.11.2024.