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Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Der Bruder schüttelte den Kopf. Wenn ich nur wüßte, was ihr mit einander vorhabt, sagte er, indem er Abschied nahm.

Gustav hatte eine halbe Stunde vor der Stadt den Postillon halten und umkehren lassen, er habe seinen Reiseplan geändert, sagte er zum Schwager. Er ging einige hundert Schritte durch Wiesen und Felder, seinen leichten Mantelsack selbst unter dem Arm tragend. Vor der Thüre eines dürftigen Hauses hielt der Bewohner ein Pferd, gesattelt und gezäumt. Unser Freund schwang sich auf, empfahl dem Manne Verschwiegenheit, drückte ihm ein Stück Geld in die Hand, und trabte seitwärts, Gehölz und Feld in entgegengesetzter Richtung durchschneidend, davon.

Wir lassen den Beweggrund zu diesem geheimnißvollen Verfahren vor der Hand auf sich beruhn und melden nur, daß der Reiter dem Gebirge mit seinen Fabriken den Rücken wies und sich in der Richtung nach Köln zu rasch fortbewegte. Der Frühling lachte über den Gefilden und weinte aus den frischbeschnittenen Zweigen der Rebe. Gustav machte seiner lange eingeschnürt gewesenen Brust in tiefen Athemzügen der Wehmuth Luft, als er sich so allein sah, zwischen Saatengrün, Baumblüthe und Lerchenwirbel. Ach, rief er, alles Schöne in der Natur kehrt wieder, die Knospen am Baume, das Jauchzen der Vögel, die segenschwangre Aehre, die blaue schwellende Traube! Warum muß der Mensch nur einmal blühn, und dann nicht wieder?

Der Bruder schüttelte den Kopf. Wenn ich nur wüßte, was ihr mit einander vorhabt, sagte er, indem er Abschied nahm.

Gustav hatte eine halbe Stunde vor der Stadt den Postillon halten und umkehren lassen, er habe seinen Reiseplan geändert, sagte er zum Schwager. Er ging einige hundert Schritte durch Wiesen und Felder, seinen leichten Mantelsack selbst unter dem Arm tragend. Vor der Thüre eines dürftigen Hauses hielt der Bewohner ein Pferd, gesattelt und gezäumt. Unser Freund schwang sich auf, empfahl dem Manne Verschwiegenheit, drückte ihm ein Stück Geld in die Hand, und trabte seitwärts, Gehölz und Feld in entgegengesetzter Richtung durchschneidend, davon.

Wir lassen den Beweggrund zu diesem geheimnißvollen Verfahren vor der Hand auf sich beruhn und melden nur, daß der Reiter dem Gebirge mit seinen Fabriken den Rücken wies und sich in der Richtung nach Köln zu rasch fortbewegte. Der Frühling lachte über den Gefilden und weinte aus den frischbeschnittenen Zweigen der Rebe. Gustav machte seiner lange eingeschnürt gewesenen Brust in tiefen Athemzügen der Wehmuth Luft, als er sich so allein sah, zwischen Saatengrün, Baumblüthe und Lerchenwirbel. Ach, rief er, alles Schöne in der Natur kehrt wieder, die Knospen am Baume, das Jauchzen der Vögel, die segenschwangre Aehre, die blaue schwellende Traube! Warum muß der Mensch nur einmal blühn, und dann nicht wieder?

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[0122] Der Bruder schüttelte den Kopf. Wenn ich nur wüßte, was ihr mit einander vorhabt, sagte er, indem er Abschied nahm. Gustav hatte eine halbe Stunde vor der Stadt den Postillon halten und umkehren lassen, er habe seinen Reiseplan geändert, sagte er zum Schwager. Er ging einige hundert Schritte durch Wiesen und Felder, seinen leichten Mantelsack selbst unter dem Arm tragend. Vor der Thüre eines dürftigen Hauses hielt der Bewohner ein Pferd, gesattelt und gezäumt. Unser Freund schwang sich auf, empfahl dem Manne Verschwiegenheit, drückte ihm ein Stück Geld in die Hand, und trabte seitwärts, Gehölz und Feld in entgegengesetzter Richtung durchschneidend, davon. Wir lassen den Beweggrund zu diesem geheimnißvollen Verfahren vor der Hand auf sich beruhn und melden nur, daß der Reiter dem Gebirge mit seinen Fabriken den Rücken wies und sich in der Richtung nach Köln zu rasch fortbewegte. Der Frühling lachte über den Gefilden und weinte aus den frischbeschnittenen Zweigen der Rebe. Gustav machte seiner lange eingeschnürt gewesenen Brust in tiefen Athemzügen der Wehmuth Luft, als er sich so allein sah, zwischen Saatengrün, Baumblüthe und Lerchenwirbel. Ach, rief er, alles Schöne in der Natur kehrt wieder, die Knospen am Baume, das Jauchzen der Vögel, die segenschwangre Aehre, die blaue schwellende Traube! Warum muß der Mensch nur einmal blühn, und dann nicht wieder?

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:19:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:19:09Z)

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_carneval_1910/122>, abgerufen am 21.11.2024.