schon ihre Antwort ausgedacht, also lautend: Gnä- digster Herr! In den Blüthentagen der Jugend opferten wir der Leidenschaft auf dem Altare un- serer Herzen! Für dieses Opfer ist uns der Weih- rauch ausgegangen. Aber der Altar blieb stehen; lassen Sie uns auf demselben der Freundschaft ein Opfer entzünden, für welches ich ewig, Ihnen ge- genüber, Vorrath besitzen werde! -- Wie sie dann, mit dem großen goldenen Stiftskreuze begnadiget, ein Schloß in der Nähe seiner Residenz beziehen, nur seine Freundin im reinsten platonischen Sinne seyn, ihn nie anders als vor Zeugen sprechen, ihn mit seiner Gemahlin versohnen, überhaupt der segnende Genius des Fürstenhauses und des Landes werden wolle.
Allein den alten Baron unterhielt diese Schil- derung auch nicht; er hielt sie für ein "Carmen" wie er sich ausdrückte, und womit er Gedicht sa- gen wollte. Von Gedichten war er aber nie ein sonderlicher Liebhaber gewesen. Endlich fiel er auf den Gedanken, zu lesen, da er gehört hatte, daß damit so viele Menschen ihre Zeit hinbrächten. Indessen wollten auch die Bücher, deren eine klei- ne Sammlung von seinem Vater her noch auf dem Speicher stand, und unter denen er auf gut
ſchon ihre Antwort ausgedacht, alſo lautend: Gnä- digſter Herr! In den Blüthentagen der Jugend opferten wir der Leidenſchaft auf dem Altare un- ſerer Herzen! Für dieſes Opfer iſt uns der Weih- rauch ausgegangen. Aber der Altar blieb ſtehen; laſſen Sie uns auf demſelben der Freundſchaft ein Opfer entzünden, für welches ich ewig, Ihnen ge- genüber, Vorrath beſitzen werde! — Wie ſie dann, mit dem großen goldenen Stiftskreuze begnadiget, ein Schloß in der Nähe ſeiner Reſidenz beziehen, nur ſeine Freundin im reinſten platoniſchen Sinne ſeyn, ihn nie anders als vor Zeugen ſprechen, ihn mit ſeiner Gemahlin verſohnen, überhaupt der ſegnende Genius des Fürſtenhauſes und des Landes werden wolle.
Allein den alten Baron unterhielt dieſe Schil- derung auch nicht; er hielt ſie für ein „Carmen“ wie er ſich ausdrückte, und womit er Gedicht ſa- gen wollte. Von Gedichten war er aber nie ein ſonderlicher Liebhaber geweſen. Endlich fiel er auf den Gedanken, zu leſen, da er gehört hatte, daß damit ſo viele Menſchen ihre Zeit hinbrächten. Indeſſen wollten auch die Bücher, deren eine klei- ne Sammlung von ſeinem Vater her noch auf dem Speicher ſtand, und unter denen er auf gut
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ſchon ihre Antwort ausgedacht, alſo lautend: Gnä-
digſter Herr! In den Blüthentagen der Jugend
opferten wir der Leidenſchaft auf dem Altare un-
ſerer Herzen! Für dieſes Opfer iſt uns der Weih-
rauch ausgegangen. Aber der Altar blieb ſtehen;
laſſen Sie uns auf demſelben der Freundſchaft ein
Opfer entzünden, für welches ich ewig, Ihnen ge-
genüber, Vorrath beſitzen werde! — Wie ſie dann, mit
dem großen goldenen Stiftskreuze begnadiget, ein
Schloß in der Nähe ſeiner Reſidenz beziehen, nur
ſeine Freundin im reinſten platoniſchen Sinne ſeyn,
ihn nie anders als vor Zeugen ſprechen, ihn mit ſeiner
Gemahlin verſohnen, überhaupt der ſegnende Genius
des Fürſtenhauſes und des Landes werden wolle.
Allein den alten Baron unterhielt dieſe Schil-
derung auch nicht; er hielt ſie für ein „Carmen“
wie er ſich ausdrückte, und womit er Gedicht ſa-
gen wollte. Von Gedichten war er aber nie ein
ſonderlicher Liebhaber geweſen. Endlich fiel er
auf den Gedanken, zu leſen, da er gehört hatte,
daß damit ſo viele Menſchen ihre Zeit hinbrächten.
Indeſſen wollten auch die Bücher, deren eine klei-
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dem Speicher ſtand, und unter denen er auf gut
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/147>, abgerufen am 24.11.2024.
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