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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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Inzwischen umkreisete Fräulein Emerentia ein
mit Muscheln eingefaßtes Becken, welches freilich
schon seit geraumen Jahren so trocken lag, wie
das rothe Meer, als die Israeliten hindurchgingen.
Ein Delphin streckte in der Mitte dieses Beckens
seine aufgestülpte Nase empor. Er hatte von Glück
zu sagen, daß er aus Kupferblech bestand; ohne
diese Constitution hätte er in solcher Trockniß ret-
tungslos verschmachten müssen. Auch ein Unbe-
schäftigter! Woher sollte der Wasserstrahl ihm zu-
fließen, den er sonst aus den Nüstern in die Höhe
gesendet hatte? -- Das Fräulein umschritt, wie
gesagt, das Becken, und sah bald auf dessen Grund,
bald auf den Delphin, bald auf die bunten Kiesel,
welche in Sternen, Rauten und Blumen eingelegt,
den Platz um das Becken zierten, ohne daß sie
von einem dieser Gegenstände Trost für ihre weh-
müthigen Empfindungen zugesprochen bekommen
hätte. Hartes Loos, flüsterte sie schwermuthsvoll
vor sich hin, mit einem reichen Herzen, mit einem
zarten Gemüthe unter kalten, abstoßenden Naturen
leben zu müssen! Wer versteht hier die heilige Sehn-
sucht, die mich so ganz nach Rucciopuccio erfüllt,
dem Fürsten von Hechelkram im Geheimen? Ich

Inzwiſchen umkreiſete Fräulein Emerentia ein
mit Muſcheln eingefaßtes Becken, welches freilich
ſchon ſeit geraumen Jahren ſo trocken lag, wie
das rothe Meer, als die Iſraeliten hindurchgingen.
Ein Delphin ſtreckte in der Mitte dieſes Beckens
ſeine aufgeſtülpte Naſe empor. Er hatte von Glück
zu ſagen, daß er aus Kupferblech beſtand; ohne
dieſe Conſtitution hätte er in ſolcher Trockniß ret-
tungslos verſchmachten müſſen. Auch ein Unbe-
ſchäftigter! Woher ſollte der Waſſerſtrahl ihm zu-
fließen, den er ſonſt aus den Nüſtern in die Höhe
geſendet hatte? — Das Fräulein umſchritt, wie
geſagt, das Becken, und ſah bald auf deſſen Grund,
bald auf den Delphin, bald auf die bunten Kieſel,
welche in Sternen, Rauten und Blumen eingelegt,
den Platz um das Becken zierten, ohne daß ſie
von einem dieſer Gegenſtände Troſt für ihre weh-
müthigen Empfindungen zugeſprochen bekommen
hätte. Hartes Loos, flüſterte ſie ſchwermuthsvoll
vor ſich hin, mit einem reichen Herzen, mit einem
zarten Gemüthe unter kalten, abſtoßenden Naturen
leben zu müſſen! Wer verſteht hier die heilige Sehn-
ſucht, die mich ſo ganz nach Rucciopuccio erfüllt,
dem Fürſten von Hechelkram im Geheimen? Ich

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[169/0177] Inzwiſchen umkreiſete Fräulein Emerentia ein mit Muſcheln eingefaßtes Becken, welches freilich ſchon ſeit geraumen Jahren ſo trocken lag, wie das rothe Meer, als die Iſraeliten hindurchgingen. Ein Delphin ſtreckte in der Mitte dieſes Beckens ſeine aufgeſtülpte Naſe empor. Er hatte von Glück zu ſagen, daß er aus Kupferblech beſtand; ohne dieſe Conſtitution hätte er in ſolcher Trockniß ret- tungslos verſchmachten müſſen. Auch ein Unbe- ſchäftigter! Woher ſollte der Waſſerſtrahl ihm zu- fließen, den er ſonſt aus den Nüſtern in die Höhe geſendet hatte? — Das Fräulein umſchritt, wie geſagt, das Becken, und ſah bald auf deſſen Grund, bald auf den Delphin, bald auf die bunten Kieſel, welche in Sternen, Rauten und Blumen eingelegt, den Platz um das Becken zierten, ohne daß ſie von einem dieſer Gegenſtände Troſt für ihre weh- müthigen Empfindungen zugeſprochen bekommen hätte. Hartes Loos, flüſterte ſie ſchwermuthsvoll vor ſich hin, mit einem reichen Herzen, mit einem zarten Gemüthe unter kalten, abſtoßenden Naturen leben zu müſſen! Wer verſteht hier die heilige Sehn- ſucht, die mich ſo ganz nach Rucciopuccio erfüllt, dem Fürſten von Hechelkram im Geheimen? Ich

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/177>, abgerufen am 28.11.2024.