Der alte Baron lud den Freiherrn von Münch- hausen auf das Freundlichste ein, bei ihm so lange vorlieb zu nehmen, als es ihm gefiele, was Münch- hausen dankbar annahm. Alle begaben sich hierauf aus dem Garten in das Haus, nachdem der Schloßherr seinem Gaste, der das zerstörte Gebäude einigermaßen stutzig anblickte, zuvor eröffnet hatte, die Wirthschaft sei in diesem Augenblicke durch allerhand Zufälligkeiten etwas in Unordnung gera- then, auch solle gebaut werden. Auf der Treppe, die vom Hausflure zu dem Wohnzimmer führte, hätte der Freiherr beinahe wieder ein Unglück gehabt. Denn eine von den morschgewordnen Stufen knackte, als er sie betrat, und brach. Hier- auf verlor er das Gleichgewicht, wollte sich an dem Geländer halten, faßte aber nur in die dünne Luft, weil das Geländer vorlängst zu Brennholz verwendet worden war. Er wäre gefallen, wenn ihn nicht der alte Baron am Rockzipfel gehalten hätte. So aber kam er doch wieder glücklich auf seinen Füßen zu stehen, und wurde vorläufig in das Wohnzimmer geführt, bis seine Appartements in Stand gesetzt waren. Diese Einrichtung besorgte der Schulmeister, da mit dem Fräulein nichts anzu-
Der alte Baron lud den Freiherrn von Münch- hauſen auf das Freundlichſte ein, bei ihm ſo lange vorlieb zu nehmen, als es ihm gefiele, was Münch- hauſen dankbar annahm. Alle begaben ſich hierauf aus dem Garten in das Haus, nachdem der Schloßherr ſeinem Gaſte, der das zerſtörte Gebäude einigermaßen ſtutzig anblickte, zuvor eröffnet hatte, die Wirthſchaft ſei in dieſem Augenblicke durch allerhand Zufälligkeiten etwas in Unordnung gera- then, auch ſolle gebaut werden. Auf der Treppe, die vom Hausflure zu dem Wohnzimmer führte, hätte der Freiherr beinahe wieder ein Unglück gehabt. Denn eine von den morſchgewordnen Stufen knackte, als er ſie betrat, und brach. Hier- auf verlor er das Gleichgewicht, wollte ſich an dem Geländer halten, faßte aber nur in die dünne Luft, weil das Geländer vorlängſt zu Brennholz verwendet worden war. Er wäre gefallen, wenn ihn nicht der alte Baron am Rockzipfel gehalten hätte. So aber kam er doch wieder glücklich auf ſeinen Füßen zu ſtehen, und wurde vorläufig in das Wohnzimmer geführt, bis ſeine Appartements in Stand geſetzt waren. Dieſe Einrichtung beſorgte der Schulmeiſter, da mit dem Fräulein nichts anzu-
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Der alte Baron lud den Freiherrn von Münch-
hauſen auf das Freundlichſte ein, bei ihm ſo lange
vorlieb zu nehmen, als es ihm gefiele, was Münch-
hauſen dankbar annahm. Alle begaben ſich hierauf
aus dem Garten in das Haus, nachdem der
Schloßherr ſeinem Gaſte, der das zerſtörte Gebäude
einigermaßen ſtutzig anblickte, zuvor eröffnet hatte,
die Wirthſchaft ſei in dieſem Augenblicke durch
allerhand Zufälligkeiten etwas in Unordnung gera-
then, auch ſolle gebaut werden. Auf der Treppe,
die vom Hausflure zu dem Wohnzimmer führte,
hätte der Freiherr beinahe wieder ein Unglück
gehabt. Denn eine von den morſchgewordnen
Stufen knackte, als er ſie betrat, und brach. Hier-
auf verlor er das Gleichgewicht, wollte ſich an
dem Geländer halten, faßte aber nur in die dünne
Luft, weil das Geländer vorlängſt zu Brennholz
verwendet worden war. Er wäre gefallen, wenn
ihn nicht der alte Baron am Rockzipfel gehalten
hätte. So aber kam er doch wieder glücklich auf
ſeinen Füßen zu ſtehen, und wurde vorläufig in
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/192>, abgerufen am 04.12.2024.
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