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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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nicht, die Tochter aber, welche kein Auge von dem
schönen Jäger verwandte, half ihm den Sinn ent-
decken, und er gab darauf richtigen Bescheid. Diesen
verstand wieder der Jäger seinerseits erst nach
dreimaligem Fragen, brachte aber endlich doch her-
aus, daß die Stadt auf dem schwer zu findenden
Fußwege unter zwei starken Stunden nicht zu
erreichen sei.

Die Mittagshitze, der Anblick des vor ihm
stehenden reinlichen Mahls und sein eigner Hunger
riefen in dem Jäger die Frage auf: Ob er nicht
hier für Geld und gute Worte Essen und Trinken
und bis zur Abendkühle Obdach erhalten könne? --
Für Geld nicht, versetzte der Hofschulze, für ein
gutes Wort aber Mittagsessen und Abendbrod dazu
und Rast, so lange es dem Herrn beliebt; ließ
einen spiegelblanken zinnernen Teller, Messer, Gabel
und Löffel, eben so blank wie der Teller, aufsetzen
und nöthigte den Gast zum Sitzen. Dieser sprach
dem kräftigen gekochten Schinken, den großen Boh-
nen, den Eiern und Würsten, woraus die Mahlzeit
bestand, mit allem Appetite der Jugend zu, und
fand, daß die weit und breit als böotisch ver-
schrieene Landeskost gar so übel nicht sei.


nicht, die Tochter aber, welche kein Auge von dem
ſchönen Jäger verwandte, half ihm den Sinn ent-
decken, und er gab darauf richtigen Beſcheid. Dieſen
verſtand wieder der Jäger ſeinerſeits erſt nach
dreimaligem Fragen, brachte aber endlich doch her-
aus, daß die Stadt auf dem ſchwer zu findenden
Fußwege unter zwei ſtarken Stunden nicht zu
erreichen ſei.

Die Mittagshitze, der Anblick des vor ihm
ſtehenden reinlichen Mahls und ſein eigner Hunger
riefen in dem Jäger die Frage auf: Ob er nicht
hier für Geld und gute Worte Eſſen und Trinken
und bis zur Abendkühle Obdach erhalten könne? —
Für Geld nicht, verſetzte der Hofſchulze, für ein
gutes Wort aber Mittagseſſen und Abendbrod dazu
und Raſt, ſo lange es dem Herrn beliebt; ließ
einen ſpiegelblanken zinnernen Teller, Meſſer, Gabel
und Löffel, eben ſo blank wie der Teller, aufſetzen
und nöthigte den Gaſt zum Sitzen. Dieſer ſprach
dem kräftigen gekochten Schinken, den großen Boh-
nen, den Eiern und Würſten, woraus die Mahlzeit
beſtand, mit allem Appetite der Jugend zu, und
fand, daß die weit und breit als böotiſch ver-
ſchrieene Landeskoſt gar ſo übel nicht ſei.


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[304/0312] nicht, die Tochter aber, welche kein Auge von dem ſchönen Jäger verwandte, half ihm den Sinn ent- decken, und er gab darauf richtigen Beſcheid. Dieſen verſtand wieder der Jäger ſeinerſeits erſt nach dreimaligem Fragen, brachte aber endlich doch her- aus, daß die Stadt auf dem ſchwer zu findenden Fußwege unter zwei ſtarken Stunden nicht zu erreichen ſei. Die Mittagshitze, der Anblick des vor ihm ſtehenden reinlichen Mahls und ſein eigner Hunger riefen in dem Jäger die Frage auf: Ob er nicht hier für Geld und gute Worte Eſſen und Trinken und bis zur Abendkühle Obdach erhalten könne? — Für Geld nicht, verſetzte der Hofſchulze, für ein gutes Wort aber Mittagseſſen und Abendbrod dazu und Raſt, ſo lange es dem Herrn beliebt; ließ einen ſpiegelblanken zinnernen Teller, Meſſer, Gabel und Löffel, eben ſo blank wie der Teller, aufſetzen und nöthigte den Gaſt zum Sitzen. Dieſer ſprach dem kräftigen gekochten Schinken, den großen Boh- nen, den Eiern und Würſten, woraus die Mahlzeit beſtand, mit allem Appetite der Jugend zu, und fand, daß die weit und breit als böotiſch ver- ſchrieene Landeskoſt gar ſo übel nicht ſei.

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/312>, abgerufen am 22.11.2024.