Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Auf diese huldreiche Anrede maaß der Hof-
schulze seinen vornehmen Gast mit den Augen und
versetzte dann stolz und bedächtig: Ich weiß nicht,
Herr, ob die Sitten hier anders sind, als anderer
Orten, denn ich bin nie über Börde und Haar-
strang hinausgekommen, habe auch niemalen Lust
dazu gehabt. Richtig ist es, daß hier Alles mit
der Manier zugeht, Alles und Jedes seine Ord-
nung, Zeit und den gewiesenen Platz hat, Jeder-
mann die ihm gebührende Reverenz genießt, so daß
ich den Halbhüfner, den Kötter und wer es sonst
seyn mag, Jeden bei seiner Gebühr nennen muß,
freilich aber auch prätendire, daß mich Niemand
anders als Hofschulze nennt, das heißt, versteht
sich, von meines Gleichen, denn, Herr, hinter den
Bergen mögen wohl andere Sitten und Gebräuche
herrschen.

Es war gut, daß in diesem Augenblicke das
letzte Gericht der Mahlzeit, der Rollkuchen verzehrt
war, und von weiterer Herablassung Seitens des
vornehmen Herren nicht mehr die Rede seyn konnte,
denn man kann nicht wissen, bis zu welchen unan-
genehmen Auftritten dieselbe noch geführt haben
würde. Der Diaconus sprach das Gratias, aber-

Auf dieſe huldreiche Anrede maaß der Hof-
ſchulze ſeinen vornehmen Gaſt mit den Augen und
verſetzte dann ſtolz und bedächtig: Ich weiß nicht,
Herr, ob die Sitten hier anders ſind, als anderer
Orten, denn ich bin nie über Börde und Haar-
ſtrang hinausgekommen, habe auch niemalen Luſt
dazu gehabt. Richtig iſt es, daß hier Alles mit
der Manier zugeht, Alles und Jedes ſeine Ord-
nung, Zeit und den gewieſenen Platz hat, Jeder-
mann die ihm gebührende Reverenz genießt, ſo daß
ich den Halbhüfner, den Kötter und wer es ſonſt
ſeyn mag, Jeden bei ſeiner Gebühr nennen muß,
freilich aber auch prätendire, daß mich Niemand
anders als Hofſchulze nennt, das heißt, verſteht
ſich, von meines Gleichen, denn, Herr, hinter den
Bergen mögen wohl andere Sitten und Gebräuche
herrſchen.

Es war gut, daß in dieſem Augenblicke das
letzte Gericht der Mahlzeit, der Rollkuchen verzehrt
war, und von weiterer Herablaſſung Seitens des
vornehmen Herren nicht mehr die Rede ſeyn konnte,
denn man kann nicht wiſſen, bis zu welchen unan-
genehmen Auftritten dieſelbe noch geführt haben
würde. Der Diaconus ſprach das Gratias, aber-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0118" n="104"/>
          <p>Auf die&#x017F;e huldreiche Anrede maaß der Hof-<lb/>
&#x017F;chulze &#x017F;einen vornehmen Ga&#x017F;t mit den Augen und<lb/>
ver&#x017F;etzte dann &#x017F;tolz und bedächtig: Ich weiß nicht,<lb/>
Herr, ob die Sitten hier anders &#x017F;ind, als anderer<lb/>
Orten, denn ich bin nie über Börde und Haar-<lb/>
&#x017F;trang hinausgekommen, habe auch niemalen Lu&#x017F;t<lb/>
dazu gehabt. Richtig i&#x017F;t es, daß hier Alles mit<lb/>
der Manier zugeht, Alles und Jedes &#x017F;eine Ord-<lb/>
nung, Zeit und den gewie&#x017F;enen Platz hat, Jeder-<lb/>
mann die ihm gebührende Reverenz genießt, &#x017F;o daß<lb/>
ich den Halbhüfner, den Kötter und wer es &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
&#x017F;eyn mag, Jeden bei &#x017F;einer Gebühr nennen muß,<lb/>
freilich aber auch prätendire, daß mich Niemand<lb/>
anders als Hof&#x017F;chulze nennt, das heißt, ver&#x017F;teht<lb/>
&#x017F;ich, von meines Gleichen, denn, Herr, hinter den<lb/>
Bergen mögen wohl andere Sitten und Gebräuche<lb/>
herr&#x017F;chen.</p><lb/>
          <p>Es war gut, daß in die&#x017F;em Augenblicke das<lb/>
letzte Gericht der Mahlzeit, der Rollkuchen verzehrt<lb/>
war, und von weiterer Herabla&#x017F;&#x017F;ung Seitens des<lb/>
vornehmen Herren nicht mehr die Rede &#x017F;eyn konnte,<lb/>
denn man kann nicht wi&#x017F;&#x017F;en, bis zu welchen unan-<lb/>
genehmen Auftritten die&#x017F;elbe noch geführt haben<lb/>
würde. Der Diaconus &#x017F;prach das Gratias, aber-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0118] Auf dieſe huldreiche Anrede maaß der Hof- ſchulze ſeinen vornehmen Gaſt mit den Augen und verſetzte dann ſtolz und bedächtig: Ich weiß nicht, Herr, ob die Sitten hier anders ſind, als anderer Orten, denn ich bin nie über Börde und Haar- ſtrang hinausgekommen, habe auch niemalen Luſt dazu gehabt. Richtig iſt es, daß hier Alles mit der Manier zugeht, Alles und Jedes ſeine Ord- nung, Zeit und den gewieſenen Platz hat, Jeder- mann die ihm gebührende Reverenz genießt, ſo daß ich den Halbhüfner, den Kötter und wer es ſonſt ſeyn mag, Jeden bei ſeiner Gebühr nennen muß, freilich aber auch prätendire, daß mich Niemand anders als Hofſchulze nennt, das heißt, verſteht ſich, von meines Gleichen, denn, Herr, hinter den Bergen mögen wohl andere Sitten und Gebräuche herrſchen. Es war gut, daß in dieſem Augenblicke das letzte Gericht der Mahlzeit, der Rollkuchen verzehrt war, und von weiterer Herablaſſung Seitens des vornehmen Herren nicht mehr die Rede ſeyn konnte, denn man kann nicht wiſſen, bis zu welchen unan- genehmen Auftritten dieſelbe noch geführt haben würde. Der Diaconus ſprach das Gratias, aber-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/118
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/118>, abgerufen am 21.11.2024.