an Bedingungen. Die Summe seiner Reden ging dahin, daß er an den Erzählungen des Gastes, ehe und bevor die Fabrikangelegenheit in Ordnung gebracht sei, wenig Geschmack zu finden vermöge. Zuweilen hörten beide Schloßbewohner gar nicht zu, sondern sprachen mit einander von Wirthschafts- angelegenheiten, während der Freiherr die bunte- sten Wunder vortrug.
So gingen mehrere Tage hin. Die Situation war für den Helden immer peinlicher geworden. Doch die Kräfte seines Geistes waren unerschöpf- lich und gerade in Verlegenheiten entfaltete sich erst deren ganzer Reichthum. Eines Abends, wo das Fräulein auf ihrem Zimmer an ihrem Tage- buche schrieb, der alte Baron und er aber stumm lange Zeit neben einander im Versammlungsge- mache auf und nieder gegangen waren; brauchte er die Rührung als großes, heroisches Mittel. Er fing nämlich plötzlich an heftig zu schluchzen, und da der alte Baron sich erstaunt umwandte, so stellte er sich mit den strömenden doppelfarbigen Augen vor seinen Wirth, nahm dessen beide Hände, sah ihm bewegt in das Antlitz und rief mit einer von Weinen gehemmten Stimme: Könnt Ihr es
an Bedingungen. Die Summe ſeiner Reden ging dahin, daß er an den Erzählungen des Gaſtes, ehe und bevor die Fabrikangelegenheit in Ordnung gebracht ſei, wenig Geſchmack zu finden vermöge. Zuweilen hörten beide Schloßbewohner gar nicht zu, ſondern ſprachen mit einander von Wirthſchafts- angelegenheiten, während der Freiherr die bunte- ſten Wunder vortrug.
So gingen mehrere Tage hin. Die Situation war für den Helden immer peinlicher geworden. Doch die Kräfte ſeines Geiſtes waren unerſchöpf- lich und gerade in Verlegenheiten entfaltete ſich erſt deren ganzer Reichthum. Eines Abends, wo das Fräulein auf ihrem Zimmer an ihrem Tage- buche ſchrieb, der alte Baron und er aber ſtumm lange Zeit neben einander im Verſammlungsge- mache auf und nieder gegangen waren; brauchte er die Rührung als großes, heroiſches Mittel. Er fing nämlich plötzlich an heftig zu ſchluchzen, und da der alte Baron ſich erſtaunt umwandte, ſo ſtellte er ſich mit den ſtrömenden doppelfarbigen Augen vor ſeinen Wirth, nahm deſſen beide Hände, ſah ihm bewegt in das Antlitz und rief mit einer von Weinen gehemmten Stimme: Könnt Ihr es
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an Bedingungen. Die Summe ſeiner Reden ging
dahin, daß er an den Erzählungen des Gaſtes,
ehe und bevor die Fabrikangelegenheit in Ordnung
gebracht ſei, wenig Geſchmack zu finden vermöge.
Zuweilen hörten beide Schloßbewohner gar nicht
zu, ſondern ſprachen mit einander von Wirthſchafts-
angelegenheiten, während der Freiherr die bunte-
ſten Wunder vortrug.
So gingen mehrere Tage hin. Die Situation
war für den Helden immer peinlicher geworden.
Doch die Kräfte ſeines Geiſtes waren unerſchöpf-
lich und gerade in Verlegenheiten entfaltete ſich
erſt deren ganzer Reichthum. Eines Abends, wo
das Fräulein auf ihrem Zimmer an ihrem Tage-
buche ſchrieb, der alte Baron und er aber ſtumm
lange Zeit neben einander im Verſammlungsge-
mache auf und nieder gegangen waren; brauchte
er die Rührung als großes, heroiſches Mittel. Er
fing nämlich plötzlich an heftig zu ſchluchzen, und
da der alte Baron ſich erſtaunt umwandte, ſo
ſtellte er ſich mit den ſtrömenden doppelfarbigen
Augen vor ſeinen Wirth, nahm deſſen beide Hände,
ſah ihm bewegt in das Antlitz und rief mit einer
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/247>, abgerufen am 16.02.2025.
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