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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

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die auf den feuchten Steinen in Menge saßen,
nahm ein Paar morscher Bretter, womit der Brun-
nen überdeckt war, hinweg, beugte sich über die
niedrige Brunnenmauer, ließ einen Stein hinunter-
fallen und freute sich, als das Plätschern unten
anzeigte, daß noch Wasser in dem Brunnen war.
Er legte einige große Steine neben den Brunnen
und einen Strick, den er aus der Tasche zog,
legte er dazu. Dann schwang er sich ungeachtet
seines Alters rüstig an dem Hollunderbaume über
die Mauer, nachdem er noch ein Blatt von dem
Baume abgebrochen hatte. Auf dem Blatte pfiff
er eine Melodie, während er draußen durch Wiesen
und Felder nach seinen Besitzungen ging. Zuerst wollte
er das Nußholz und dann die Pfaffenwiese besuchen.

Als das Haus des Oberhofes ganz still gewor-
den war, that es oben an der Thüre der Kammer,
worin das Schwert Karl's des Großen gelegen
hatte, ein leises Klinken, so leise, als fürchte der
Klinkende, daß auch nur das geringste Geräusch
von ihm vernommen werden möchte. Darauf schlich
es eben so leise über den Gang nach dem Zimmer
Lisbeth's, und dann wurde es wieder eine Zeit-
lang ganz still, als werde an der Thüre gehorcht,

Immermann's Münchhausen. 4. Th. 9

die auf den feuchten Steinen in Menge ſaßen,
nahm ein Paar morſcher Bretter, womit der Brun-
nen überdeckt war, hinweg, beugte ſich über die
niedrige Brunnenmauer, ließ einen Stein hinunter-
fallen und freute ſich, als das Plätſchern unten
anzeigte, daß noch Waſſer in dem Brunnen war.
Er legte einige große Steine neben den Brunnen
und einen Strick, den er aus der Taſche zog,
legte er dazu. Dann ſchwang er ſich ungeachtet
ſeines Alters rüſtig an dem Hollunderbaume über
die Mauer, nachdem er noch ein Blatt von dem
Baume abgebrochen hatte. Auf dem Blatte pfiff
er eine Melodie, während er draußen durch Wieſen
und Felder nach ſeinen Beſitzungen ging. Zuerſt wollte
er das Nußholz und dann die Pfaffenwieſe beſuchen.

Als das Haus des Oberhofes ganz ſtill gewor-
den war, that es oben an der Thüre der Kammer,
worin das Schwert Karl’s des Großen gelegen
hatte, ein leiſes Klinken, ſo leiſe, als fürchte der
Klinkende, daß auch nur das geringſte Geräuſch
von ihm vernommen werden möchte. Darauf ſchlich
es eben ſo leiſe über den Gang nach dem Zimmer
Lisbeth’s, und dann wurde es wieder eine Zeit-
lang ganz ſtill, als werde an der Thüre gehorcht,

Immermann’s Münchhauſen. 4. Th. 9
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[129/0141] die auf den feuchten Steinen in Menge ſaßen, nahm ein Paar morſcher Bretter, womit der Brun- nen überdeckt war, hinweg, beugte ſich über die niedrige Brunnenmauer, ließ einen Stein hinunter- fallen und freute ſich, als das Plätſchern unten anzeigte, daß noch Waſſer in dem Brunnen war. Er legte einige große Steine neben den Brunnen und einen Strick, den er aus der Taſche zog, legte er dazu. Dann ſchwang er ſich ungeachtet ſeines Alters rüſtig an dem Hollunderbaume über die Mauer, nachdem er noch ein Blatt von dem Baume abgebrochen hatte. Auf dem Blatte pfiff er eine Melodie, während er draußen durch Wieſen und Felder nach ſeinen Beſitzungen ging. Zuerſt wollte er das Nußholz und dann die Pfaffenwieſe beſuchen. Als das Haus des Oberhofes ganz ſtill gewor- den war, that es oben an der Thüre der Kammer, worin das Schwert Karl’s des Großen gelegen hatte, ein leiſes Klinken, ſo leiſe, als fürchte der Klinkende, daß auch nur das geringſte Geräuſch von ihm vernommen werden möchte. Darauf ſchlich es eben ſo leiſe über den Gang nach dem Zimmer Lisbeth’s, und dann wurde es wieder eine Zeit- lang ganz ſtill, als werde an der Thüre gehorcht, Immermann’s Münchhauſen. 4. Th. 9

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/141>, abgerufen am 21.11.2024.