Nichts u. s. w. zum Grunde läge: allem Em- pfinden überhaupt auch ein reines Empfin- den von Nichts zum Grunde liegen müßte, und es sich am Ende zeigen würde, daß die Wurzel, die tiefste eigentlichste Wur- zel des Lebens, ein bloßer leerer Raum der Empfindung, ein Bewußtseyn ohne Bewußt- seyn, ein reines Vermögen zu leben, von und zu Nichts wäre.
Allwill lächelte. Ich erzählte ihm jetzt noch von einem ungedruckten Aufsatze, den ich ein- mal für Clerdon abgeschrieben, und wovon ich, mit seiner Bewilligung, auch für mich eine Ab- schrift genommen hätte. Aus diesem Aufsatze führte ich ihm folgende Stellen, die ich aus- wendig wußte, an.
"Unsere Vernunft ist jenem blinden Theba- nischen Wahrsager, Tiresias, ähnlich, dem seine Tochter, Manto, den Flug der Vögel beschrieb: er prophezeyte aus ihren Nachrichten.
" .... Unsere Gedanken sind nichts als
Frag-
Nichts u. ſ. w. zum Grunde laͤge: allem Em- pfinden uͤberhaupt auch ein reines Empfin- den von Nichts zum Grunde liegen muͤßte, und es ſich am Ende zeigen wuͤrde, daß die Wurzel, die tiefſte eigentlichſte Wur- zel des Lebens, ein bloßer leerer Raum der Empfindung, ein Bewußtſeyn ohne Bewußt- ſeyn, ein reines Vermoͤgen zu leben, von und zu Nichts waͤre.
Allwill laͤchelte. Ich erzaͤhlte ihm jetzt noch von einem ungedruckten Aufſatze, den ich ein- mal fuͤr Clerdon abgeſchrieben, und wovon ich, mit ſeiner Bewilligung, auch fuͤr mich eine Ab- ſchrift genommen haͤtte. Aus dieſem Aufſatze fuͤhrte ich ihm folgende Stellen, die ich aus- wendig wußte, an.
„Unſere Vernunft iſt jenem blinden Theba- niſchen Wahrſager, Tireſias, aͤhnlich, dem ſeine Tochter, Manto, den Flug der Voͤgel beſchrieb: er prophezeyte aus ihren Nachrichten.
„ .... Unſere Gedanken ſind nichts als
Frag-
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Nichts u. ſ. w. zum Grunde laͤge: allem Em-
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den von Nichts zum Grunde liegen muͤßte,
und es ſich am Ende zeigen wuͤrde, daß die
Wurzel, die tiefſte eigentlichſte Wur-
zel des Lebens, ein bloßer leerer Raum der
Empfindung, ein Bewußtſeyn ohne Bewußt-
ſeyn, ein reines Vermoͤgen zu leben, von und
zu Nichts waͤre.
Allwill laͤchelte. Ich erzaͤhlte ihm jetzt noch
von einem ungedruckten Aufſatze, den ich ein-
mal fuͤr Clerdon abgeſchrieben, und wovon ich,
mit ſeiner Bewilligung, auch fuͤr mich eine Ab-
ſchrift genommen haͤtte. Aus dieſem Aufſatze
fuͤhrte ich ihm folgende Stellen, die ich aus-
wendig wußte, an.
„Unſere Vernunft iſt jenem blinden Theba-
niſchen Wahrſager, Tireſias, aͤhnlich, dem
ſeine Tochter, Manto, den Flug der Voͤgel
beſchrieb: er prophezeyte aus ihren Nachrichten.
„ .... Unſere Gedanken ſind nichts als
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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/198>, abgerufen am 24.11.2024.
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