den. Wie kann er alles Gute, alles Schöne mit Entzücken lieben, und so genaues Maaß halten, und nie irre gehen? Wie kann er schon wissen, was jene Freude zur Thorheit macht? euch euren Ueberdruß, eu- ren Eckel, eure Mattigkeit nachfühlen, lieben Graubärte? Wie kann sein Muth sich vor euren Furchten entsetzen? Er, der dem Schmerze trotzt, und dem Tode, und nur Lust wittert. Kurz, euren innern Sinn könnt ihr ihm nicht geben; und so hättet ihr ihm, wenn er euch hörte, vollends allen Genuß des Lebens geraubt. In seinem Kopfe, wenn er ein bischen eigenes Wesen hat, muß eure Vernunft zum ärgsten Unverstande wer- den; höchstens kann sie durch Schreckbilder einige Schwermuth in seine Einbildungskraft staffieren. Ihre Stimme tönt alsdann seinem Ohr, wie ein verdrießliches Gegreine, und macht ihm Weh. Sie heißt ihn die ärgsten Qualen unaufhörlich lei- den, damit ihm nur ja kein Leid widerfahre.
den. Wie kann er alles Gute, alles Schoͤne mit Entzuͤcken lieben, und ſo genaues Maaß halten, und nie irre gehen? Wie kann er ſchon wiſſen, was jene Freude zur Thorheit macht? euch euren Ueberdruß, eu- ren Eckel, eure Mattigkeit nachfuͤhlen, lieben Graubaͤrte? Wie kann ſein Muth ſich vor euren Furchten entſetzen? Er, der dem Schmerze trotzt, und dem Tode, und nur Luſt wittert. Kurz, euren innern Sinn koͤnnt ihr ihm nicht geben; und ſo haͤttet ihr ihm, wenn er euch hoͤrte, vollends allen Genuß des Lebens geraubt. In ſeinem Kopfe, wenn er ein bischen eigenes Weſen hat, muß eure Vernunft zum aͤrgſten Unverſtande wer- den; hoͤchſtens kann ſie durch Schreckbilder einige Schwermuth in ſeine Einbildungskraft ſtaffieren. Ihre Stimme toͤnt alsdann ſeinem Ohr, wie ein verdrießliches Gegreine, und macht ihm Weh. Sie heißt ihn die aͤrgſten Qualen unaufhoͤrlich lei- den, damit ihm nur ja kein Leid widerfahre.
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kann er ſchon wiſſen, was jene Freude zur
Thorheit macht? euch euren Ueberdruß, eu-
ren Eckel, eure Mattigkeit nachfuͤhlen, lieben
Graubaͤrte? Wie kann ſein Muth ſich vor
euren Furchten entſetzen? Er, der dem
Schmerze trotzt, und dem Tode, und nur Luſt
wittert. Kurz, euren innern Sinn koͤnnt
ihr ihm nicht geben; und ſo haͤttet ihr ihm,
wenn er euch hoͤrte, vollends allen Genuß
des Lebens geraubt. In ſeinem Kopfe,
wenn er ein bischen eigenes Weſen hat, muß
eure Vernunft zum aͤrgſten Unverſtande wer-
den; hoͤchſtens kann ſie durch Schreckbilder
einige Schwermuth in ſeine Einbildungskraft
ſtaffieren. Ihre Stimme toͤnt alsdann ſeinem
Ohr, wie ein verdrießliches Gegreine, und
macht ihm Weh. Sie heißt ihn die
aͤrgſten Qualen unaufhoͤrlich lei-
den, damit ihm nur ja kein Leid
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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/266>, abgerufen am 24.11.2024.
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