Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Dieser Tag sollte recht genossen werden.
Ich wollte unter freyem Himmel die Sonne
auch untergehen sehen. Wir nahmen unsern
Weg über die Wälle. Ich verweilte an dem
Orte, wo ich vor zwey Jahren im späten
Herbste mit Dir stand, und Du von der
weiten mannichfaltigen Aussicht so entzückt
warest. "Säh er sie jetzt!". Ein lieber Früh-
lingshauch wehte mich an, und stellte Dich
an meine Seite. O wie war rund um uns
alles so herrlich, so schön! Aber es ließ sich
nicht lange so ansehen; ich begab mich weg.
Nun kam ich an die Stelle, wo man den lan-
gen, breiten Weg um die Ecke nach S** (*)
gerade vor sich sieht. -- "Da kam ich her vor
"sechs Jahren; da kam vor zwey Jahren Cler-
"don her; da geht der Weg hin. -- Ach
"wann?" Du erinnerst Dich der Lage: eine
unabsehbare Fläche; nichts, das Auge zu
hemmen; der Weg ganz gerad aus, und so
breit, und so eben -- Wie ich darüber hin-

(*) Die erste Poststation nach C**.

Dieſer Tag ſollte recht genoſſen werden.
Ich wollte unter freyem Himmel die Sonne
auch untergehen ſehen. Wir nahmen unſern
Weg uͤber die Waͤlle. Ich verweilte an dem
Orte, wo ich vor zwey Jahren im ſpaͤten
Herbſte mit Dir ſtand, und Du von der
weiten mannichfaltigen Ausſicht ſo entzuͤckt
wareſt. „Saͤh er ſie jetzt!”. Ein lieber Fruͤh-
lingshauch wehte mich an, und ſtellte Dich
an meine Seite. O wie war rund um uns
alles ſo herrlich, ſo ſchoͤn! Aber es ließ ſich
nicht lange ſo anſehen; ich begab mich weg.
Nun kam ich an die Stelle, wo man den lan-
gen, breiten Weg um die Ecke nach S** (*)
gerade vor ſich ſieht. — „Da kam ich her vor
„ſechs Jahren; da kam vor zwey Jahren Cler-
„don her; da geht der Weg hin. — Ach
„wann?” Du erinnerſt Dich der Lage: eine
unabſehbare Flaͤche; nichts, das Auge zu
hemmen; der Weg ganz gerad aus, und ſo
breit, und ſo eben — Wie ich daruͤber hin-

(*) Die erſte Poſtſtation nach C**.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0046" n="8"/>
          <p>Die&#x017F;er Tag &#x017F;ollte recht geno&#x017F;&#x017F;en werden.<lb/>
Ich wollte unter freyem Himmel die Sonne<lb/>
auch untergehen &#x017F;ehen. Wir nahmen un&#x017F;ern<lb/>
Weg u&#x0364;ber die Wa&#x0364;lle. Ich verweilte an dem<lb/>
Orte, wo ich vor zwey Jahren im &#x017F;pa&#x0364;ten<lb/>
Herb&#x017F;te mit Dir &#x017F;tand, und Du von der<lb/>
weiten mannichfaltigen Aus&#x017F;icht &#x017F;o entzu&#x0364;ckt<lb/>
ware&#x017F;t. &#x201E;Sa&#x0364;h er &#x017F;ie jetzt!&#x201D;. Ein lieber Fru&#x0364;h-<lb/>
lingshauch wehte mich an, und &#x017F;tellte Dich<lb/>
an meine Seite. O wie war rund um uns<lb/>
alles &#x017F;o herrlich, &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n! Aber es ließ &#x017F;ich<lb/>
nicht lange &#x017F;o an&#x017F;ehen; ich begab mich weg.<lb/>
Nun kam ich an die Stelle, wo man den lan-<lb/>
gen, breiten Weg um die Ecke nach S** <note place="foot" n="(*)">Die er&#x017F;te Po&#x017F;t&#x017F;tation nach C**.</note><lb/>
gerade vor &#x017F;ich &#x017F;ieht. &#x2014; &#x201E;Da kam ich her vor<lb/>
&#x201E;&#x017F;echs Jahren; da kam vor zwey Jahren Cler-<lb/>
&#x201E;don her; da geht der Weg hin. &#x2014; Ach<lb/>
&#x201E;wann?&#x201D; Du erinner&#x017F;t Dich der Lage: eine<lb/>
unab&#x017F;ehbare Fla&#x0364;che; nichts, das Auge zu<lb/>
hemmen; der Weg ganz gerad aus, und &#x017F;o<lb/>
breit, und &#x017F;o eben &#x2014; Wie ich daru&#x0364;ber hin-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0046] Dieſer Tag ſollte recht genoſſen werden. Ich wollte unter freyem Himmel die Sonne auch untergehen ſehen. Wir nahmen unſern Weg uͤber die Waͤlle. Ich verweilte an dem Orte, wo ich vor zwey Jahren im ſpaͤten Herbſte mit Dir ſtand, und Du von der weiten mannichfaltigen Ausſicht ſo entzuͤckt wareſt. „Saͤh er ſie jetzt!”. Ein lieber Fruͤh- lingshauch wehte mich an, und ſtellte Dich an meine Seite. O wie war rund um uns alles ſo herrlich, ſo ſchoͤn! Aber es ließ ſich nicht lange ſo anſehen; ich begab mich weg. Nun kam ich an die Stelle, wo man den lan- gen, breiten Weg um die Ecke nach S** (*) gerade vor ſich ſieht. — „Da kam ich her vor „ſechs Jahren; da kam vor zwey Jahren Cler- „don her; da geht der Weg hin. — Ach „wann?” Du erinnerſt Dich der Lage: eine unabſehbare Flaͤche; nichts, das Auge zu hemmen; der Weg ganz gerad aus, und ſo breit, und ſo eben — Wie ich daruͤber hin- (*) Die erſte Poſtſtation nach C**.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/46
Zitationshilfe: Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/46>, abgerufen am 21.11.2024.