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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.

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bin ich; habe noch Aeste und Blätter. Und so
mag der Stamm sich erhalten, bis auch seine
Aeste verdorrt sind, die Blätter verwelken und
nicht wieder kommen.

O, daß ich meinen Augen wehren könnte,
umher zu schauen; wüßte, sie wohin abzu-
wenden, weg von dem traurigen Einerley
menschlichen Lugs und Trugs! Es ist ein
wahrer Jammer, wie viel die Leute von ein-
ander fodern, erwarten, hoffen, sich und ih-
ren Brüdern zutrauen, wirklich zu geben
und zu nehmen meynen
. Jede Sonne
bringt unsterbliche Liebe, unsterbliche
Freundschaft auf die Welt; wer nur nicht
wüßte, daß auch mit jedem Tage ein Abend
kommt, und was dreymal geschehen
wird, ehe der Hahn krähet
. Am
meisten dauren einen die guten Seelen, die,
wenn sie einige Jahre zusammen fortgeschlen-
dert sind, oder wohl gar von Kindesbeinen an
ihr Thun mit einander gehabt haben, und ihrer
Sache recht gewiß zu seyn glauben, nur Ein

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bin ich; habe noch Aeſte und Blaͤtter. Und ſo
mag der Stamm ſich erhalten, bis auch ſeine
Aeſte verdorrt ſind, die Blaͤtter verwelken und
nicht wieder kommen.

O, daß ich meinen Augen wehren koͤnnte,
umher zu ſchauen; wuͤßte, ſie wohin abzu-
wenden, weg von dem traurigen Einerley
menſchlichen Lugs und Trugs! Es iſt ein
wahrer Jammer, wie viel die Leute von ein-
ander fodern, erwarten, hoffen, ſich und ih-
ren Bruͤdern zutrauen, wirklich zu geben
und zu nehmen meynen
. Jede Sonne
bringt unſterbliche Liebe, unſterbliche
Freundſchaft auf die Welt; wer nur nicht
wuͤßte, daß auch mit jedem Tage ein Abend
kommt, und was dreymal geſchehen
wird, ehe der Hahn kraͤhet
. Am
meiſten dauren einen die guten Seelen, die,
wenn ſie einige Jahre zuſammen fortgeſchlen-
dert ſind, oder wohl gar von Kindesbeinen an
ihr Thun mit einander gehabt haben, und ihrer
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B 2
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[19/0057] bin ich; habe noch Aeſte und Blaͤtter. Und ſo mag der Stamm ſich erhalten, bis auch ſeine Aeſte verdorrt ſind, die Blaͤtter verwelken und nicht wieder kommen. O, daß ich meinen Augen wehren koͤnnte, umher zu ſchauen; wuͤßte, ſie wohin abzu- wenden, weg von dem traurigen Einerley menſchlichen Lugs und Trugs! Es iſt ein wahrer Jammer, wie viel die Leute von ein- ander fodern, erwarten, hoffen, ſich und ih- ren Bruͤdern zutrauen, wirklich zu geben und zu nehmen meynen. Jede Sonne bringt unſterbliche Liebe, unſterbliche Freundſchaft auf die Welt; wer nur nicht wuͤßte, daß auch mit jedem Tage ein Abend kommt, und was dreymal geſchehen wird, ehe der Hahn kraͤhet. Am meiſten dauren einen die guten Seelen, die, wenn ſie einige Jahre zuſammen fortgeſchlen- dert ſind, oder wohl gar von Kindesbeinen an ihr Thun mit einander gehabt haben, und ihrer Sache recht gewiß zu ſeyn glauben, nur Ein B 2

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Zitationshilfe: Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/57>, abgerufen am 21.11.2024.