Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

in der Brust ein Beben, immer tiefer und inni-
ger; im geheimsten Busen auflösendes Beben,
das den Erdensohn tödtete. Tod, schö-
ner, himmlischer Jüngling! Des verwesenden
Theils entladen, flog ich in seine Arme,
sank in seinen Schoos, war bey ihm, war
in ihm, in Ihm, der da ist, und war,
und seyn wird; kostete Allmacht, Schöpfung,
ewiges Bleiben in Liebe. -- Ach,
Sylli, daß ich zurückkehren, daß der Tag
kommen mußte!

Aber dennoch ein herrlicher Tag; einer
der schönsten meines Lebens!

Mit dem ersten Blicke der Sonne, der
meine Augen auf die umher verbreitete herr-
liche Gegend niederlenkte, und mich der Erde
wiedergab, schoß mir lichtschnell durch die
Seele ein Strafgedanke: welch ein sündliches
Wesen es doch sey, diese herrliche Pracht
Gottes so über Wall und Graben nur zu be-
schielen; nur etwa am Abend ein wenig dar-

in der Bruſt ein Beben, immer tiefer und inni-
ger; im geheimſten Buſen aufloͤſendes Beben,
das den Erdenſohn toͤdtete. Tod, ſchoͤ-
ner, himmliſcher Juͤngling! Des verweſenden
Theils entladen, flog ich in ſeine Arme,
ſank in ſeinen Schoos, war bey ihm, war
in ihm, in Ihm, der da iſt, und war,
und ſeyn wird; koſtete Allmacht, Schoͤpfung,
ewiges Bleiben in Liebe. — Ach,
Sylli, daß ich zuruͤckkehren, daß der Tag
kommen mußte!

Aber dennoch ein herrlicher Tag; einer
der ſchoͤnſten meines Lebens!

Mit dem erſten Blicke der Sonne, der
meine Augen auf die umher verbreitete herr-
liche Gegend niederlenkte, und mich der Erde
wiedergab, ſchoß mir lichtſchnell durch die
Seele ein Strafgedanke: welch ein ſuͤndliches
Weſen es doch ſey, dieſe herrliche Pracht
Gottes ſo uͤber Wall und Graben nur zu be-
ſchielen; nur etwa am Abend ein wenig dar-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0064" n="26"/>
in der Bru&#x017F;t ein Beben, immer tiefer und inni-<lb/>
ger; im geheim&#x017F;ten Bu&#x017F;en auflo&#x0364;&#x017F;endes Beben,<lb/>
das den <hi rendition="#g">Erden&#x017F;ohn</hi> to&#x0364;dtete. Tod, &#x017F;cho&#x0364;-<lb/>
ner, himmli&#x017F;cher Ju&#x0364;ngling! Des verwe&#x017F;enden<lb/>
Theils entladen, flog ich in <hi rendition="#g">&#x017F;eine</hi> Arme,<lb/>
&#x017F;ank in <hi rendition="#g">&#x017F;einen</hi> Schoos, war <hi rendition="#g">bey</hi> ihm, war<lb/><hi rendition="#g">in</hi> ihm, in <hi rendition="#g">Ihm</hi>, der da i&#x017F;t, und war,<lb/>
und &#x017F;eyn wird; ko&#x017F;tete Allmacht, Scho&#x0364;pfung,<lb/><hi rendition="#g">ewiges Bleiben in Liebe</hi>. &#x2014; Ach,<lb/>
Sylli, daß ich zuru&#x0364;ckkehren, daß der Tag<lb/>
kommen mußte!</p><lb/>
          <p>Aber dennoch ein herrlicher Tag; einer<lb/>
der &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten meines Lebens!</p><lb/>
          <p>Mit dem er&#x017F;ten Blicke der Sonne, der<lb/>
meine Augen auf die umher verbreitete herr-<lb/>
liche Gegend niederlenkte, und mich der Erde<lb/>
wiedergab, &#x017F;choß mir licht&#x017F;chnell durch die<lb/>
Seele ein Strafgedanke: welch ein &#x017F;u&#x0364;ndliches<lb/>
We&#x017F;en es doch &#x017F;ey, die&#x017F;e herrliche Pracht<lb/>
Gottes &#x017F;o u&#x0364;ber Wall und Graben nur zu be-<lb/>
&#x017F;chielen; nur etwa am Abend ein wenig dar-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0064] in der Bruſt ein Beben, immer tiefer und inni- ger; im geheimſten Buſen aufloͤſendes Beben, das den Erdenſohn toͤdtete. Tod, ſchoͤ- ner, himmliſcher Juͤngling! Des verweſenden Theils entladen, flog ich in ſeine Arme, ſank in ſeinen Schoos, war bey ihm, war in ihm, in Ihm, der da iſt, und war, und ſeyn wird; koſtete Allmacht, Schoͤpfung, ewiges Bleiben in Liebe. — Ach, Sylli, daß ich zuruͤckkehren, daß der Tag kommen mußte! Aber dennoch ein herrlicher Tag; einer der ſchoͤnſten meines Lebens! Mit dem erſten Blicke der Sonne, der meine Augen auf die umher verbreitete herr- liche Gegend niederlenkte, und mich der Erde wiedergab, ſchoß mir lichtſchnell durch die Seele ein Strafgedanke: welch ein ſuͤndliches Weſen es doch ſey, dieſe herrliche Pracht Gottes ſo uͤber Wall und Graben nur zu be- ſchielen; nur etwa am Abend ein wenig dar-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/64
Zitationshilfe: Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/64>, abgerufen am 21.11.2024.