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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

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Wesen eben so wie das andere. Es
sind zweyerley Gründe, auf welche die
Menschen diesen Jrrthum bauen. Eini-
ge stellen sich GOtt als ein Wesen vor,
welches sich wegen seiner Hoheit um die
eintzelnen Dinge dieser Welt, beson-
ders um die Kleinigkeiten derselben we-
nig bekümmere, und selbige gar nicht
achte. Sie vergleichen selbiges mit
sich, und weil sie sich selbst GOtt an
die Seite setzen, und die Verfassung ih-
res Gemüths für erhaben, ja für gött-
lich halten, so sprechen sie demselben ab,
was sie nicht besitzen. Sie achten sich
zu hoch, an Dinge, die ihrer Meinung
nach gering sind, zu dencken. Dero-
wegen muß es unvernünftig und unbe-
sonnen seyn, GOTT eine Sorge über
Kleinigkeiten beyzumessen. Die Güte
GOttes ist das zweyte, welches viele
Menschen bewegt zu glauben: das höch-
ste Wesen sey insbesondere bey den
freyen Handlungen der vernünftigen Ge-
schöpfe gleichgültig. Sie halten dafür,
es streite mit einer unendlichen Liebe ei-
nen Haß gegen Fehler endlicher Geister
zu hegen. Am wenigsten aber könne
ihm eine widrige Neigung gegen dieje-
nigen beygemessen werden, welche seine
heiligsten Gesetze muthwillig übertreten.

§. 4.
X 5





Weſen eben ſo wie das andere. Es
ſind zweyerley Gruͤnde, auf welche die
Menſchen dieſen Jrrthum bauen. Eini-
ge ſtellen ſich GOtt als ein Weſen vor,
welches ſich wegen ſeiner Hoheit um die
eintzelnen Dinge dieſer Welt, beſon-
ders um die Kleinigkeiten derſelben we-
nig bekuͤmmere, und ſelbige gar nicht
achte. Sie vergleichen ſelbiges mit
ſich, und weil ſie ſich ſelbſt GOtt an
die Seite ſetzen, und die Verfaſſung ih-
res Gemuͤths fuͤr erhaben, ja fuͤr goͤtt-
lich halten, ſo ſprechen ſie demſelben ab,
was ſie nicht beſitzen. Sie achten ſich
zu hoch, an Dinge, die ihrer Meinung
nach gering ſind, zu dencken. Dero-
wegen muß es unvernuͤnftig und unbe-
ſonnen ſeyn, GOTT eine Sorge uͤber
Kleinigkeiten beyzumeſſen. Die Guͤte
GOttes iſt das zweyte, welches viele
Menſchen bewegt zu glauben: das hoͤch-
ſte Weſen ſey insbeſondere bey den
freyen Handlungen der vernuͤnftigen Ge-
ſchoͤpfe gleichguͤltig. Sie halten dafuͤr,
es ſtreite mit einer unendlichen Liebe ei-
nen Haß gegen Fehler endlicher Geiſter
zu hegen. Am wenigſten aber koͤnne
ihm eine widrige Neigung gegen dieje-
nigen beygemeſſen werden, welche ſeine
heiligſten Geſetze muthwillig uͤbertreten.

§. 4.
X 5
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[329[325]/0361] Weſen eben ſo wie das andere. Es ſind zweyerley Gruͤnde, auf welche die Menſchen dieſen Jrrthum bauen. Eini- ge ſtellen ſich GOtt als ein Weſen vor, welches ſich wegen ſeiner Hoheit um die eintzelnen Dinge dieſer Welt, beſon- ders um die Kleinigkeiten derſelben we- nig bekuͤmmere, und ſelbige gar nicht achte. Sie vergleichen ſelbiges mit ſich, und weil ſie ſich ſelbſt GOtt an die Seite ſetzen, und die Verfaſſung ih- res Gemuͤths fuͤr erhaben, ja fuͤr goͤtt- lich halten, ſo ſprechen ſie demſelben ab, was ſie nicht beſitzen. Sie achten ſich zu hoch, an Dinge, die ihrer Meinung nach gering ſind, zu dencken. Dero- wegen muß es unvernuͤnftig und unbe- ſonnen ſeyn, GOTT eine Sorge uͤber Kleinigkeiten beyzumeſſen. Die Guͤte GOttes iſt das zweyte, welches viele Menſchen bewegt zu glauben: das hoͤch- ſte Weſen ſey insbeſondere bey den freyen Handlungen der vernuͤnftigen Ge- ſchoͤpfe gleichguͤltig. Sie halten dafuͤr, es ſtreite mit einer unendlichen Liebe ei- nen Haß gegen Fehler endlicher Geiſter zu hegen. Am wenigſten aber koͤnne ihm eine widrige Neigung gegen dieje- nigen beygemeſſen werden, welche ſeine heiligſten Geſetze muthwillig uͤbertreten. §. 4. X 5

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 329[325]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/361>, abgerufen am 22.11.2024.