Lichte lassen gebohren werden, darinne du einen Gott erblickest, der lauter Liebe in deine Augen strahlen lässet, und dir seinen Sohn und Geist zum Pfande derselben schenket? Wie glücklich bist du, daß du zu einem Volke gehörest, welches die Lehre Jesu erleuchtet, und welchem die Liebe Gottes das Herz weicher gemacht. Wie finster, wie fürchterlich sind die Zeiten, da man die Kinder schlachtete und den Götzen opferte? Da man Menschen in einem glüenden, ehernen Ochsen steckte, und durch deren klägliches Geheul das wüste Gehör eines grausamen Tyrannen ver- gnügte? Da Menschen mit wilden Thie- ren kämpfen, und dadurch ein lustiges Schauspiel geben mußten? Wie traurig ist es noch jetzo in den Ländern, wo die Frauen lebendig in die Flamme springen müssen, die den Leichnam ihres todten Mannes verzehren? Wo man die Krie- gesgefangenen langsam bratet, und sich mehr denn einen Tag an ihren Martern vergnüget *)? Mein Gott, warum bin ich denn eben glücklicher, als so viele tau- send andere? Warum hast du über mich einen so vorzüglich gnädigen Rathschluß
gefas-
*) Von diesem letztern lese man recht entsetzli- che Nachrichten in der Allgemeinen Ge- schichte der Länder und Völker in America Th. I. S. 404. u. f.
Lichte laſſen gebohren werden, darinne du einen Gott erblickeſt, der lauter Liebe in deine Augen ſtrahlen laͤſſet, und dir ſeinen Sohn und Geiſt zum Pfande derſelben ſchenket? Wie gluͤcklich biſt du, daß du zu einem Volke gehoͤreſt, welches die Lehre Jeſu erleuchtet, und welchem die Liebe Gottes das Herz weicher gemacht. Wie finſter, wie fuͤrchterlich ſind die Zeiten, da man die Kinder ſchlachtete und den Goͤtzen opferte? Da man Menſchen in einem gluͤenden, ehernen Ochſen ſteckte, und durch deren klaͤgliches Geheul das wuͤſte Gehoͤr eines grauſamen Tyrannen ver- gnuͤgte? Da Menſchen mit wilden Thie- ren kaͤmpfen, und dadurch ein luſtiges Schauſpiel geben mußten? Wie traurig iſt es noch jetzo in den Laͤndern, wo die Frauen lebendig in die Flamme ſpringen muͤſſen, die den Leichnam ihres todten Mannes verzehren? Wo man die Krie- gesgefangenen langſam bratet, und ſich mehr denn einen Tag an ihren Martern vergnuͤget *)? Mein Gott, warum bin ich denn eben gluͤcklicher, als ſo viele tau- ſend andere? Warum haſt du uͤber mich einen ſo vorzuͤglich gnaͤdigen Rathſchluß
gefaſ-
*) Von dieſem letztern leſe man recht entſetzli- che Nachrichten in der Allgemeinen Ge- ſchichte der Laͤnder und Voͤlker in America Th. I. S. 404. u. f.
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Lichte laſſen gebohren werden, darinne du
einen Gott erblickeſt, der lauter Liebe in
deine Augen ſtrahlen laͤſſet, und dir ſeinen
Sohn und Geiſt zum Pfande derſelben
ſchenket? Wie gluͤcklich biſt du, daß du
zu einem Volke gehoͤreſt, welches die Lehre
Jeſu erleuchtet, und welchem die Liebe
Gottes das Herz weicher gemacht. Wie
finſter, wie fuͤrchterlich ſind die Zeiten, da
man die Kinder ſchlachtete und den Goͤtzen
opferte? Da man Menſchen in einem
gluͤenden, ehernen Ochſen ſteckte, und
durch deren klaͤgliches Geheul das wuͤſte
Gehoͤr eines grauſamen Tyrannen ver-
gnuͤgte? Da Menſchen mit wilden Thie-
ren kaͤmpfen, und dadurch ein luſtiges
Schauſpiel geben mußten? Wie traurig
iſt es noch jetzo in den Laͤndern, wo die
Frauen lebendig in die Flamme ſpringen
muͤſſen, die den Leichnam ihres todten
Mannes verzehren? Wo man die Krie-
gesgefangenen langſam bratet, und ſich
mehr denn einen Tag an ihren Martern
vergnuͤget *)? Mein Gott, warum bin
ich denn eben gluͤcklicher, als ſo viele tau-
ſend andere? Warum haſt du uͤber mich
einen ſo vorzuͤglich gnaͤdigen Rathſchluß
gefaſ-
*) Von dieſem letztern leſe man recht entſetzli-
che Nachrichten in der Allgemeinen Ge-
ſchichte der Laͤnder und Voͤlker in America
Th. I. S. 404. u. f.
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/138>, abgerufen am 21.11.2024.
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