merket haben, Pharao bereits, da es heisset, daß ihn der Herr verstocket. Gott hat ihn auch nicht durch einen gewaltsamen Zug, welchem er nicht hätte widerstehen können, verhärtet, sondern er behielt alle- zeit seine Freyheit, der Stimme Gottes Gehör zu geben. Noch mehr, die gros- sen Wunder Gottes, und die weise Ver- bindung des göttlichen Ernstes und seiner Güte und Langmuth, welche bey dem Pha- rao Ursachen der Verstockung wurden, wären bey einem Gemüthe, so sich vorher nicht selber verhärtet gehabt, die kräftig- sten Mittel und Bewegungsgründe gewe- sen, sich dem Allmächtigen in der tiefsten Ehrerbietung zu unterwerfen. Diejeni- gen, welche sich überreden, Gott habe durch einen unmittelbaren innern Zug den Pharao verhärtet, bedenken nicht, daß alsdenn in dem Verhalten des Höchsten gegen diesen König gar keine unendlichen Vollkommen- heiten anständige Uebereinstimmung, son- dern lauter Widerspruch, und ein wider einander laufendes Spiel zu finden wäre. Gott sagte nach der Meynung dieser Leute zu dem Pharao: laß mein Volk ziehen, und hielte ihn doch durch eine unüberwind- liche Macht zurücke, diesem Befehle zu gehorchen. Er thäte die größten Wunder, den Pharao zu bewegen, und liesse dessen Gemüthe doch keine Freyheit, sich bewegen zu lassen. Wer darf dergleichen von Gott
geden-
merket haben, Pharao bereits, da es heiſſet, daß ihn der Herr verſtocket. Gott hat ihn auch nicht durch einen gewaltſamen Zug, welchem er nicht haͤtte widerſtehen koͤnnen, verhaͤrtet, ſondern er behielt alle- zeit ſeine Freyheit, der Stimme Gottes Gehoͤr zu geben. Noch mehr, die groſ- ſen Wunder Gottes, und die weiſe Ver- bindung des goͤttlichen Ernſtes und ſeiner Guͤte und Langmuth, welche bey dem Pha- rao Urſachen der Verſtockung wurden, waͤren bey einem Gemuͤthe, ſo ſich vorher nicht ſelber verhaͤrtet gehabt, die kraͤftig- ſten Mittel und Bewegungsgruͤnde gewe- ſen, ſich dem Allmaͤchtigen in der tiefſten Ehrerbietung zu unterwerfen. Diejeni- gen, welche ſich uͤberreden, Gott habe durch einen unmittelbaren innern Zug den Pharao verhaͤrtet, bedenken nicht, daß alsdenn in dem Verhalten des Hoͤchſten gegen dieſen Koͤnig gar keine unendlichen Vollkommen- heiten anſtaͤndige Uebereinſtimmung, ſon- dern lauter Widerſpruch, und ein wider einander laufendes Spiel zu finden waͤre. Gott ſagte nach der Meynung dieſer Leute zu dem Pharao: laß mein Volk ziehen, und hielte ihn doch durch eine unuͤberwind- liche Macht zuruͤcke, dieſem Befehle zu gehorchen. Er thaͤte die groͤßten Wunder, den Pharao zu bewegen, und lieſſe deſſen Gemuͤthe doch keine Freyheit, ſich bewegen zu laſſen. Wer darf dergleichen von Gott
geden-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0255"n="235"/>
merket haben, Pharao bereits, da es<lb/>
heiſſet, daß ihn der Herr verſtocket. Gott<lb/>
hat ihn auch nicht durch einen gewaltſamen<lb/>
Zug, welchem er nicht haͤtte widerſtehen<lb/>
koͤnnen, verhaͤrtet, ſondern er behielt alle-<lb/>
zeit ſeine Freyheit, der Stimme Gottes<lb/>
Gehoͤr zu geben. Noch mehr, die groſ-<lb/>ſen Wunder Gottes, und die weiſe Ver-<lb/>
bindung des goͤttlichen Ernſtes und ſeiner<lb/>
Guͤte und Langmuth, welche bey dem Pha-<lb/>
rao Urſachen der Verſtockung wurden,<lb/>
waͤren bey einem Gemuͤthe, ſo ſich vorher<lb/>
nicht ſelber verhaͤrtet gehabt, die kraͤftig-<lb/>ſten Mittel und Bewegungsgruͤnde gewe-<lb/>ſen, ſich dem Allmaͤchtigen in der tiefſten<lb/>
Ehrerbietung zu unterwerfen. Diejeni-<lb/>
gen, welche ſich uͤberreden, Gott habe durch<lb/>
einen unmittelbaren innern Zug den Pharao<lb/>
verhaͤrtet, bedenken nicht, daß alsdenn in<lb/>
dem Verhalten des Hoͤchſten gegen dieſen<lb/>
Koͤnig gar keine unendlichen Vollkommen-<lb/>
heiten anſtaͤndige Uebereinſtimmung, ſon-<lb/>
dern lauter Widerſpruch, und ein wider<lb/>
einander laufendes Spiel zu finden waͤre.<lb/>
Gott ſagte nach der Meynung dieſer Leute<lb/>
zu dem Pharao: <hirendition="#fr">laß mein Volk ziehen,</hi><lb/>
und hielte ihn doch durch eine unuͤberwind-<lb/>
liche Macht zuruͤcke, dieſem Befehle zu<lb/>
gehorchen. Er thaͤte die groͤßten Wunder,<lb/>
den Pharao zu bewegen, und lieſſe deſſen<lb/>
Gemuͤthe doch keine Freyheit, ſich bewegen<lb/>
zu laſſen. Wer darf dergleichen von Gott<lb/><fwplace="bottom"type="catch">geden-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[235/0255]
merket haben, Pharao bereits, da es
heiſſet, daß ihn der Herr verſtocket. Gott
hat ihn auch nicht durch einen gewaltſamen
Zug, welchem er nicht haͤtte widerſtehen
koͤnnen, verhaͤrtet, ſondern er behielt alle-
zeit ſeine Freyheit, der Stimme Gottes
Gehoͤr zu geben. Noch mehr, die groſ-
ſen Wunder Gottes, und die weiſe Ver-
bindung des goͤttlichen Ernſtes und ſeiner
Guͤte und Langmuth, welche bey dem Pha-
rao Urſachen der Verſtockung wurden,
waͤren bey einem Gemuͤthe, ſo ſich vorher
nicht ſelber verhaͤrtet gehabt, die kraͤftig-
ſten Mittel und Bewegungsgruͤnde gewe-
ſen, ſich dem Allmaͤchtigen in der tiefſten
Ehrerbietung zu unterwerfen. Diejeni-
gen, welche ſich uͤberreden, Gott habe durch
einen unmittelbaren innern Zug den Pharao
verhaͤrtet, bedenken nicht, daß alsdenn in
dem Verhalten des Hoͤchſten gegen dieſen
Koͤnig gar keine unendlichen Vollkommen-
heiten anſtaͤndige Uebereinſtimmung, ſon-
dern lauter Widerſpruch, und ein wider
einander laufendes Spiel zu finden waͤre.
Gott ſagte nach der Meynung dieſer Leute
zu dem Pharao: laß mein Volk ziehen,
und hielte ihn doch durch eine unuͤberwind-
liche Macht zuruͤcke, dieſem Befehle zu
gehorchen. Er thaͤte die groͤßten Wunder,
den Pharao zu bewegen, und lieſſe deſſen
Gemuͤthe doch keine Freyheit, ſich bewegen
zu laſſen. Wer darf dergleichen von Gott
geden-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/255>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.