gedenken? Was würden wir von einem Generale urtheilen, der zu einem Soldaten sagte: lauf nicht weg, oder ich lasse dich henken, und gebe ihm darauf eine Arzeney ein, die ihn verwirrt und unruhig machte, daß er aus dem Lager gienge, und alsdenn aufgehenket würde? Dieser Wi- derspruch fällt aber bey unserer Vorstellung der Verhärtung des Pharao ganz hinweg. Man wird einwenden, er bleibe bey mei- ner Erklärung ebenfalls. Denn es wäre bey denen, welche die Allwissenheit Gottes in ihrem völligen Umfange zugäben, un- leugbar, daß Gott zum voraus gesehen, was sein Befehl und seine Wunder bey den Pharao wirken, und daß sie ihn nur noch mehr verhärten würden. Da er also mit Gewißheit gewußt, daß die Gesand- schaft des Moses den König von Aegypten in die größte Wuth setzen, und so wol die vielen Plagen, als ihre baldige Aufhebung noch mehr verhärten würden, so hätte er ja dennoch dadurch wider sich selber und seinen Endzweck gehandelt.
§. 21.
Warum Gott den Pharao ver- stocket.
Dieser Einwurf ist scheinbar, er wird aber auf einmal verschwinden, wenn wir nachforschen, warum Gott den Pharao verstocket, und warum er solches durch obi- ge Mittel gethan. Da Gott einmal be- schlossen, die Nachkommen Abrahams in
ein
gedenken? Was wuͤrden wir von einem Generale urtheilen, der zu einem Soldaten ſagte: lauf nicht weg, oder ich laſſe dich henken, und gebe ihm darauf eine Arzeney ein, die ihn verwirrt und unruhig machte, daß er aus dem Lager gienge, und alsdenn aufgehenket wuͤrde? Dieſer Wi- derſpruch faͤllt aber bey unſerer Vorſtellung der Verhaͤrtung des Pharao ganz hinweg. Man wird einwenden, er bleibe bey mei- ner Erklaͤrung ebenfalls. Denn es waͤre bey denen, welche die Allwiſſenheit Gottes in ihrem voͤlligen Umfange zugaͤben, un- leugbar, daß Gott zum voraus geſehen, was ſein Befehl und ſeine Wunder bey den Pharao wirken, und daß ſie ihn nur noch mehr verhaͤrten wuͤrden. Da er alſo mit Gewißheit gewußt, daß die Geſand- ſchaft des Moſes den Koͤnig von Aegypten in die groͤßte Wuth ſetzen, und ſo wol die vielen Plagen, als ihre baldige Aufhebung noch mehr verhaͤrten wuͤrden, ſo haͤtte er ja dennoch dadurch wider ſich ſelber und ſeinen Endzweck gehandelt.
§. 21.
Warum Gott den Pharao ver- ſtocket.
Dieſer Einwurf iſt ſcheinbar, er wird aber auf einmal verſchwinden, wenn wir nachforſchen, warum Gott den Pharao verſtocket, und warum er ſolches durch obi- ge Mittel gethan. Da Gott einmal be- ſchloſſen, die Nachkommen Abrahams in
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gedenken? Was wuͤrden wir von einem
Generale urtheilen, der zu einem Soldaten
ſagte: lauf nicht weg, oder ich laſſe
dich henken, und gebe ihm darauf eine
Arzeney ein, die ihn verwirrt und unruhig
machte, daß er aus dem Lager gienge, und
alsdenn aufgehenket wuͤrde? Dieſer Wi-
derſpruch faͤllt aber bey unſerer Vorſtellung
der Verhaͤrtung des Pharao ganz hinweg.
Man wird einwenden, er bleibe bey mei-
ner Erklaͤrung ebenfalls. Denn es waͤre
bey denen, welche die Allwiſſenheit Gottes
in ihrem voͤlligen Umfange zugaͤben, un-
leugbar, daß Gott zum voraus geſehen,
was ſein Befehl und ſeine Wunder bey
den Pharao wirken, und daß ſie ihn nur
noch mehr verhaͤrten wuͤrden. Da er alſo
mit Gewißheit gewußt, daß die Geſand-
ſchaft des Moſes den Koͤnig von Aegypten
in die groͤßte Wuth ſetzen, und ſo wol die
vielen Plagen, als ihre baldige Aufhebung
noch mehr verhaͤrten wuͤrden, ſo haͤtte er
ja dennoch dadurch wider ſich ſelber und
ſeinen Endzweck gehandelt.
§. 21.
Dieſer Einwurf iſt ſcheinbar, er wird
aber auf einmal verſchwinden, wenn wir
nachforſchen, warum Gott den Pharao
verſtocket, und warum er ſolches durch obi-
ge Mittel gethan. Da Gott einmal be-
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/256>, abgerufen am 22.11.2024.
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