angezeiget wird. Jch aber glaube, daß dieses Wort hier in seinem engern und ge- wöhnlichern Verstande am füglichsten ge- nommen, und durch Hurerey oder Ehe- bruch übersetzet werde. Denn Jesus hat nicht griechisch geredet, sondern diejenige Sprache, welche damals im Jüdischen Lande die gewöhnlichste war. Wir müs- sen dahero auf dasjenige Jüdische Wort zurück sehen, welches der Heiland bey die- ser Materie muthmaßlich gebraucht hat, und auf diejenige Bedeutung, so man in dieser Materie damit verknüpfet. Er fällt aber in dieser Sache der damals blühen- den Jüdischen Secte der Schammäaner bey, welche wider die Hillelianer, eine andere, damals berühmte Secte, behau- ptete, es sey wider die Absicht Gottes, wenn man nach damaliger bösen Gewohn- heit wegen einer jeden geringen Ursache der Frau den Scheidebrief gäbe. Es könne solches nicht mit Recht geschehen, als wenn man sie im Ehebruch betroffen. Da nun Christus den Schammäanern darinne bey- stimmet, daß man nicht um einer jeden Ursache eine Scheidung vornehmen könne, so ist muthmaßlich, daß er sich auch bey der Ausnahme derjenigen Worte bedienet, so den Schammäanern gewöhnlich, und zwar in derjenigen Bedeutung, die sie in dieser Frage damit verbunden, und folglich denjenigen Fall ausgenommen, wenn ein
Ehe-
angezeiget wird. Jch aber glaube, daß dieſes Wort hier in ſeinem engern und ge- woͤhnlichern Verſtande am fuͤglichſten ge- nommen, und durch Hurerey oder Ehe- bruch uͤberſetzet werde. Denn Jeſus hat nicht griechiſch geredet, ſondern diejenige Sprache, welche damals im Juͤdiſchen Lande die gewoͤhnlichſte war. Wir muͤſ- ſen dahero auf dasjenige Juͤdiſche Wort zuruͤck ſehen, welches der Heiland bey die- ſer Materie muthmaßlich gebraucht hat, und auf diejenige Bedeutung, ſo man in dieſer Materie damit verknuͤpfet. Er faͤllt aber in dieſer Sache der damals bluͤhen- den Juͤdiſchen Secte der Schammaͤaner bey, welche wider die Hillelianer, eine andere, damals beruͤhmte Secte, behau- ptete, es ſey wider die Abſicht Gottes, wenn man nach damaliger boͤſen Gewohn- heit wegen einer jeden geringen Urſache der Frau den Scheidebrief gaͤbe. Es koͤnne ſolches nicht mit Recht geſchehen, als wenn man ſie im Ehebruch betroffen. Da nun Chriſtus den Schammaͤanern darinne bey- ſtimmet, daß man nicht um einer jeden Urſache eine Scheidung vornehmen koͤnne, ſo iſt muthmaßlich, daß er ſich auch bey der Ausnahme derjenigen Worte bedienet, ſo den Schammaͤanern gewoͤhnlich, und zwar in derjenigen Bedeutung, die ſie in dieſer Frage damit verbunden, und folglich denjenigen Fall ausgenommen, wenn ein
Ehe-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0273"n="253"/>
angezeiget wird. Jch aber glaube, daß<lb/>
dieſes Wort hier in ſeinem engern und ge-<lb/>
woͤhnlichern Verſtande am fuͤglichſten ge-<lb/>
nommen, und durch Hurerey oder Ehe-<lb/>
bruch uͤberſetzet werde. Denn Jeſus hat<lb/>
nicht griechiſch geredet, ſondern diejenige<lb/>
Sprache, welche damals im Juͤdiſchen<lb/>
Lande die gewoͤhnlichſte war. Wir muͤſ-<lb/>ſen dahero auf dasjenige Juͤdiſche Wort<lb/>
zuruͤck ſehen, welches der Heiland bey die-<lb/>ſer Materie muthmaßlich gebraucht hat,<lb/>
und auf diejenige Bedeutung, ſo man in<lb/>
dieſer Materie damit verknuͤpfet. Er faͤllt<lb/>
aber in dieſer Sache der damals bluͤhen-<lb/>
den Juͤdiſchen Secte der Schammaͤaner<lb/>
bey, welche wider die Hillelianer, eine<lb/>
andere, damals beruͤhmte Secte, behau-<lb/>
ptete, es ſey wider die Abſicht Gottes,<lb/>
wenn man nach damaliger boͤſen Gewohn-<lb/>
heit wegen einer jeden geringen Urſache der<lb/>
Frau den Scheidebrief gaͤbe. Es koͤnne<lb/>ſolches nicht mit Recht geſchehen, als wenn<lb/>
man ſie im Ehebruch betroffen. Da nun<lb/>
Chriſtus den Schammaͤanern darinne bey-<lb/>ſtimmet, daß man nicht um einer jeden<lb/>
Urſache eine Scheidung vornehmen koͤnne,<lb/>ſo iſt muthmaßlich, daß er ſich auch bey<lb/>
der Ausnahme derjenigen Worte bedienet,<lb/>ſo den Schammaͤanern gewoͤhnlich, und<lb/>
zwar in derjenigen Bedeutung, die ſie in<lb/>
dieſer Frage damit verbunden, und folglich<lb/>
denjenigen Fall ausgenommen, wenn ein<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Ehe-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[253/0273]
angezeiget wird. Jch aber glaube, daß
dieſes Wort hier in ſeinem engern und ge-
woͤhnlichern Verſtande am fuͤglichſten ge-
nommen, und durch Hurerey oder Ehe-
bruch uͤberſetzet werde. Denn Jeſus hat
nicht griechiſch geredet, ſondern diejenige
Sprache, welche damals im Juͤdiſchen
Lande die gewoͤhnlichſte war. Wir muͤſ-
ſen dahero auf dasjenige Juͤdiſche Wort
zuruͤck ſehen, welches der Heiland bey die-
ſer Materie muthmaßlich gebraucht hat,
und auf diejenige Bedeutung, ſo man in
dieſer Materie damit verknuͤpfet. Er faͤllt
aber in dieſer Sache der damals bluͤhen-
den Juͤdiſchen Secte der Schammaͤaner
bey, welche wider die Hillelianer, eine
andere, damals beruͤhmte Secte, behau-
ptete, es ſey wider die Abſicht Gottes,
wenn man nach damaliger boͤſen Gewohn-
heit wegen einer jeden geringen Urſache der
Frau den Scheidebrief gaͤbe. Es koͤnne
ſolches nicht mit Recht geſchehen, als wenn
man ſie im Ehebruch betroffen. Da nun
Chriſtus den Schammaͤanern darinne bey-
ſtimmet, daß man nicht um einer jeden
Urſache eine Scheidung vornehmen koͤnne,
ſo iſt muthmaßlich, daß er ſich auch bey
der Ausnahme derjenigen Worte bedienet,
ſo den Schammaͤanern gewoͤhnlich, und
zwar in derjenigen Bedeutung, die ſie in
dieſer Frage damit verbunden, und folglich
denjenigen Fall ausgenommen, wenn ein
Ehe-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/273>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.