als ihre Keuschheit aufgeopfert *). Was für eine starke Vormauer der Keuschheit, der Trieb der Schamhaftigkeit sey, hat man bisher in der berühmten Stadt Genf wahrnehmen können, wo die Verbrechen der Unzucht sehr selten sind, weil man sie noch unter die schändlichen Verbrechen zäh- let, und sich derselben schämet. Es ist dieses um destomehr zu verwundern, da man daselbst keinen gezwungenen, sondern ganz freyen, aber doch ehrbaren Umgang liebet **). Und sollte die Schamhaftig- keit, und die Furcht für der Schande nicht das stärkeste Mittel seyn, welches unser vornehmes junges Frauenzimmer in den Schranken der Keuschheit erhält? Sollte denn dieser Trieb nicht gleiche Stärke bey den niedrigern Frauenspersonen, und bey dem ganzen männlichen Geschlecht haben, wenn er nicht mit Fleiß, und durch böse Gewohnheiten entkräftet würde? Belegte man die Unzucht vornehmer Mannsperso- nen mit eben der Schande, welche ein junges vornehmes Frauenzimmer, so sich
ver-
*) Von der Schamhaftigkeit und deren Wir- kungen lese man Ciceronem de officiis. L. I. C. XXX. §. 3. Valerii Maximi Memorabilia Lib. VI.
**)Keyßlers Reisebeschreibung Th. I. S. 208. Menoza S. 182. 183.
als ihre Keuſchheit aufgeopfert *). Was fuͤr eine ſtarke Vormauer der Keuſchheit, der Trieb der Schamhaftigkeit ſey, hat man bisher in der beruͤhmten Stadt Genf wahrnehmen koͤnnen, wo die Verbrechen der Unzucht ſehr ſelten ſind, weil man ſie noch unter die ſchaͤndlichen Verbrechen zaͤh- let, und ſich derſelben ſchaͤmet. Es iſt dieſes um deſtomehr zu verwundern, da man daſelbſt keinen gezwungenen, ſondern ganz freyen, aber doch ehrbaren Umgang liebet **). Und ſollte die Schamhaftig- keit, und die Furcht fuͤr der Schande nicht das ſtaͤrkeſte Mittel ſeyn, welches unſer vornehmes junges Frauenzimmer in den Schranken der Keuſchheit erhaͤlt? Sollte denn dieſer Trieb nicht gleiche Staͤrke bey den niedrigern Frauensperſonen, und bey dem ganzen maͤnnlichen Geſchlecht haben, wenn er nicht mit Fleiß, und durch boͤſe Gewohnheiten entkraͤftet wuͤrde? Belegte man die Unzucht vornehmer Mannsperſo- nen mit eben der Schande, welche ein junges vornehmes Frauenzimmer, ſo ſich
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*) Von der Schamhaftigkeit und deren Wir- kungen leſe man Ciceronem de officiis. L. I. C. XXX. §. 3. Valerii Maximi Memorabilia Lib. VI.
**)Keyßlers Reiſebeſchreibung Th. I. S. 208. Menoza S. 182. 183.
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als ihre Keuſchheit aufgeopfert *). Was
fuͤr eine ſtarke Vormauer der Keuſchheit,
der Trieb der Schamhaftigkeit ſey, hat
man bisher in der beruͤhmten Stadt Genf
wahrnehmen koͤnnen, wo die Verbrechen
der Unzucht ſehr ſelten ſind, weil man ſie
noch unter die ſchaͤndlichen Verbrechen zaͤh-
let, und ſich derſelben ſchaͤmet. Es iſt
dieſes um deſtomehr zu verwundern, da
man daſelbſt keinen gezwungenen, ſondern
ganz freyen, aber doch ehrbaren Umgang
liebet **). Und ſollte die Schamhaftig-
keit, und die Furcht fuͤr der Schande nicht
das ſtaͤrkeſte Mittel ſeyn, welches unſer
vornehmes junges Frauenzimmer in den
Schranken der Keuſchheit erhaͤlt? Sollte
denn dieſer Trieb nicht gleiche Staͤrke bey
den niedrigern Frauensperſonen, und bey
dem ganzen maͤnnlichen Geſchlecht haben,
wenn er nicht mit Fleiß, und durch boͤſe
Gewohnheiten entkraͤftet wuͤrde? Belegte
man die Unzucht vornehmer Mannsperſo-
nen mit eben der Schande, welche ein
junges vornehmes Frauenzimmer, ſo ſich
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*) Von der Schamhaftigkeit und deren Wir-
kungen leſe man Ciceronem de officiis. L. I.
C. XXX. §. 3. Valerii Maximi Memorabilia
Lib. VI.
**) Keyßlers Reiſebeſchreibung Th. I. S. 208.
Menoza S. 182. 183.
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/316>, abgerufen am 22.11.2024.
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