Concubinats vorgeben, wie wollen sie denn, daß ihre Bedienten sich verhalten, und ei- nen unüberwindlichen Trieb befriedigen sollen? Haben sie wol Belieben darzu, daß jährlich einige Wochenbette in ihren Häusern oder wenigstens auf ihre Unkosten gehalten werden? Gewiß eine Klugheit, die sehr zu bewundern stehet? Ein Man- deville erlaubet denen Herren alle Wollü- ste und Unkeuschheit, aber er will doch keusche Bedienten haben, und klaget ganz jämmerlich über die verderbten Zeiten, da die Bedienten so gerne in lüderliche Häuser gehen, und ihren Herren die schlechtesten Dienste leisten, und ihnen bey einer solchen Lebensart doch sehr kostbar werden. *) Je- doch man sorget nur für vornehme Herren und für den Glanz ihrer Familien. Und worein setzet man denselben? Darinne, daß einer oder zwey ihres Namens den Stand und ihre Reichthümer erben, der größte Theil der standesmässigen Schwestern aber in einer armen Einsamkeit sterben, und die übrigen Kinder einer solchen Familie, die nämlich mit Concubinen erzeuget wer- den, Handwerksleute und Bauern abge- ben. Nun sage man mir doch, sollte die- ser eingebildete Glanz einer Familie in den Augen des Allwissenden Gottes, und des- jenigen Schöpfers, der keine Person an-
siehet,
*)Fable des Abeilles Tom. II. p. 104-109.
Concubinats vorgeben, wie wollen ſie denn, daß ihre Bedienten ſich verhalten, und ei- nen unuͤberwindlichen Trieb befriedigen ſollen? Haben ſie wol Belieben darzu, daß jaͤhrlich einige Wochenbette in ihren Haͤuſern oder wenigſtens auf ihre Unkoſten gehalten werden? Gewiß eine Klugheit, die ſehr zu bewundern ſtehet? Ein Man- deville erlaubet denen Herren alle Wolluͤ- ſte und Unkeuſchheit, aber er will doch keuſche Bedienten haben, und klaget ganz jaͤmmerlich uͤber die verderbten Zeiten, da die Bedienten ſo gerne in luͤderliche Haͤuſer gehen, und ihren Herren die ſchlechteſten Dienſte leiſten, und ihnen bey einer ſolchen Lebensart doch ſehr koſtbar werden. *) Je- doch man ſorget nur fuͤr vornehme Herren und fuͤr den Glanz ihrer Familien. Und worein ſetzet man denſelben? Darinne, daß einer oder zwey ihres Namens den Stand und ihre Reichthuͤmer erben, der groͤßte Theil der ſtandesmaͤſſigen Schweſtern aber in einer armen Einſamkeit ſterben, und die uͤbrigen Kinder einer ſolchen Familie, die naͤmlich mit Concubinen erzeuget wer- den, Handwerksleute und Bauern abge- ben. Nun ſage man mir doch, ſollte die- ſer eingebildete Glanz einer Familie in den Augen des Allwiſſenden Gottes, und des- jenigen Schoͤpfers, der keine Perſon an-
ſiehet,
*)Fable des Abeilles Tom. II. p. 104-109.
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Concubinats vorgeben, wie wollen ſie denn,
daß ihre Bedienten ſich verhalten, und ei-
nen unuͤberwindlichen Trieb befriedigen
ſollen? Haben ſie wol Belieben darzu,
daß jaͤhrlich einige Wochenbette in ihren
Haͤuſern oder wenigſtens auf ihre Unkoſten
gehalten werden? Gewiß eine Klugheit,
die ſehr zu bewundern ſtehet? Ein Man-
deville erlaubet denen Herren alle Wolluͤ-
ſte und Unkeuſchheit, aber er will doch
keuſche Bedienten haben, und klaget ganz
jaͤmmerlich uͤber die verderbten Zeiten, da
die Bedienten ſo gerne in luͤderliche Haͤuſer
gehen, und ihren Herren die ſchlechteſten
Dienſte leiſten, und ihnen bey einer ſolchen
Lebensart doch ſehr koſtbar werden. *) Je-
doch man ſorget nur fuͤr vornehme Herren
und fuͤr den Glanz ihrer Familien. Und
worein ſetzet man denſelben? Darinne, daß
einer oder zwey ihres Namens den Stand
und ihre Reichthuͤmer erben, der groͤßte
Theil der ſtandesmaͤſſigen Schweſtern aber
in einer armen Einſamkeit ſterben, und
die uͤbrigen Kinder einer ſolchen Familie,
die naͤmlich mit Concubinen erzeuget wer-
den, Handwerksleute und Bauern abge-
ben. Nun ſage man mir doch, ſollte die-
ſer eingebildete Glanz einer Familie in den
Augen des Allwiſſenden Gottes, und des-
jenigen Schoͤpfers, der keine Perſon an-
ſiehet,
*) Fable des Abeilles Tom. II. p. 104-109.
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/334>, abgerufen am 22.11.2024.
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