dem Argwohne Gelegenheit geben können, daß die Frau und des Bruders Sohn Ab- sichten auf einander hätten, und daher auf den Tod des Mannes hofften und warte- ten. Ja, was noch weit mehr? Unter den Jsraeliten wurde die Scheidung nach- gesehen. Eine Frau, die sich in einen an- dern verliebte, konnte dem Manne das Le- ben so sauer machen, daß er ihr gerne ei- nen Scheidebrief gab. Wenn nun aber des Bruders Sohn dergleichen veranlas- set, was für eine Zerrüttung hätte solches in der Familie gegeben, und was für eine unanständige Sache wäre es nicht gewesen, wenn des Bruders Sohn eine geschiedene Frau des Oheims vor den Augen desselben geehelichet hätte? Die nachgesehene Schei- dung machte bey den Jsraeliten Gesetze nothwendig, die es nicht mehr sind, nach- dem selbige aufgehoben worden.
Bey der Frau des Bruders der Mut- ter, waren obige Umstände entweder gar nicht oder nicht so unvermeidlich, wie in dem vorigen Falle. Die Mütter konnten nicht aus der ganz allernächsten Verwand- schaft seyn, sondern waren aus abgeson- derten Familien, ja nicht selten eine ge- kaufte Magd, 2 B. Mos. C. 21. v. 7-11. Hier war der vertrautere Umgang eines Sohnes mit seiner Mutter Bruders Frau, entweder gar nicht möglich, oder der Mut-
ter
Jac. Betr. 4. Band. B b
dem Argwohne Gelegenheit geben koͤnnen, daß die Frau und des Bruders Sohn Ab- ſichten auf einander haͤtten, und daher auf den Tod des Mannes hofften und warte- ten. Ja, was noch weit mehr? Unter den Jſraeliten wurde die Scheidung nach- geſehen. Eine Frau, die ſich in einen an- dern verliebte, konnte dem Manne das Le- ben ſo ſauer machen, daß er ihr gerne ei- nen Scheidebrief gab. Wenn nun aber des Bruders Sohn dergleichen veranlaſ- ſet, was fuͤr eine Zerruͤttung haͤtte ſolches in der Familie gegeben, und was fuͤr eine unanſtaͤndige Sache waͤre es nicht geweſen, wenn des Bruders Sohn eine geſchiedene Frau des Oheims vor den Augen deſſelben geehelichet haͤtte? Die nachgeſehene Schei- dung machte bey den Jſraeliten Geſetze nothwendig, die es nicht mehr ſind, nach- dem ſelbige aufgehoben worden.
Bey der Frau des Bruders der Mut- ter, waren obige Umſtaͤnde entweder gar nicht oder nicht ſo unvermeidlich, wie in dem vorigen Falle. Die Muͤtter konnten nicht aus der ganz allernaͤchſten Verwand- ſchaft ſeyn, ſondern waren aus abgeſon- derten Familien, ja nicht ſelten eine ge- kaufte Magd, 2 B. Moſ. C. 21. v. 7-11. Hier war der vertrautere Umgang eines Sohnes mit ſeiner Mutter Bruders Frau, entweder gar nicht moͤglich, oder der Mut-
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Jac. Betr. 4. Band. B b
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dem Argwohne Gelegenheit geben koͤnnen,
daß die Frau und des Bruders Sohn Ab-
ſichten auf einander haͤtten, und daher auf
den Tod des Mannes hofften und warte-
ten. Ja, was noch weit mehr? Unter
den Jſraeliten wurde die Scheidung nach-
geſehen. Eine Frau, die ſich in einen an-
dern verliebte, konnte dem Manne das Le-
ben ſo ſauer machen, daß er ihr gerne ei-
nen Scheidebrief gab. Wenn nun aber
des Bruders Sohn dergleichen veranlaſ-
ſet, was fuͤr eine Zerruͤttung haͤtte ſolches
in der Familie gegeben, und was fuͤr eine
unanſtaͤndige Sache waͤre es nicht geweſen,
wenn des Bruders Sohn eine geſchiedene
Frau des Oheims vor den Augen deſſelben
geehelichet haͤtte? Die nachgeſehene Schei-
dung machte bey den Jſraeliten Geſetze
nothwendig, die es nicht mehr ſind, nach-
dem ſelbige aufgehoben worden.
Bey der Frau des Bruders der Mut-
ter, waren obige Umſtaͤnde entweder gar
nicht oder nicht ſo unvermeidlich, wie in
dem vorigen Falle. Die Muͤtter konnten
nicht aus der ganz allernaͤchſten Verwand-
ſchaft ſeyn, ſondern waren aus abgeſon-
derten Familien, ja nicht ſelten eine ge-
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/405>, abgerufen am 22.11.2024.
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