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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810.

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melndes als freigeisterisches Volk wollen. Er
soll ihre Glaubenssätze nicht als künstlich und
klüglich ersonnene Schreckdinge, und an Le¬
bensabwegen aufgestellte Scheuchen mißbrau¬
chen, bald öffentlich anfeinden, bald heimlich un¬
tergraben. Der Glaube an die Hölle bleibt
menschlicher, als der an Sibirien, Botanybay,
und Cayenne. Auch hat der Staat nicht viel
mit der Kirche zu thun, er schmälere nur nicht
ihr rechtes Ansehn, und begünstige sie nicht da¬
für mit falscher Glanzentschädigung. Aber weg¬
schaffen was nunmehr anstößig ist, wenn es auch
vorher erbaute, kann nur er allein. Bei der
Deutschen Kirche, worin ich geboren und erzo¬
gen, bleibe ich stehen; Vaterlandsliebe ehrt den
Glauben der Väter.

Unsere Evangelisch-Lutherische Kirche krankt
mehr am äußern Sein, als am innern Wesen.
Letzteres ist durch edles Ringen nach Wahrheit,
Untersuchung aller Art, unermüdete Forschung,
immererneuertes Selbstdenken hervorgegangen.
Alles statt der Krücke der Lahmen, der Brille
der Blödsichtigen, des vorher benebelnden Nach¬
glaubens. Dagegen ist das Erstere durch den

J 2

melndes als freigeiſteriſches Volk wollen. Er
ſoll ihre Glaubensſätze nicht als künſtlich und
klüglich erſonnene Schreckdinge, und an Le¬
bensabwegen aufgeſtellte Scheuchen mißbrau¬
chen, bald öffentlich anfeinden, bald heimlich un¬
tergraben. Der Glaube an die Hölle bleibt
menſchlicher, als der an Sibirien, Botanybay,
und Cayenne. Auch hat der Staat nicht viel
mit der Kirche zu thun, er ſchmälere nur nicht
ihr rechtes Anſehn, und begünſtige ſie nicht da¬
für mit falſcher Glanzentſchädigung. Aber weg¬
ſchaffen was nunmehr anſtößig iſt, wenn es auch
vorher erbaute, kann nur er allein. Bei der
Deutſchen Kirche, worin ich geboren und erzo¬
gen, bleibe ich ſtehen; Vaterlandsliebe ehrt den
Glauben der Väter.

Unſere Evangeliſch-Lutheriſche Kirche krankt
mehr am äußern Sein, als am innern Weſen.
Letzteres iſt durch edles Ringen nach Wahrheit,
Unterſuchung aller Art, unermüdete Forſchung,
immererneuertes Selbſtdenken hervorgegangen.
Alles ſtatt der Krücke der Lahmen, der Brille
der Blödſichtigen, des vorher benebelnden Nach¬
glaubens. Dagegen iſt das Erſtere durch den

J 2
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[131/0161] 131 melndes als freigeiſteriſches Volk wollen. Er ſoll ihre Glaubensſätze nicht als künſtlich und klüglich erſonnene Schreckdinge, und an Le¬ bensabwegen aufgeſtellte Scheuchen mißbrau¬ chen, bald öffentlich anfeinden, bald heimlich un¬ tergraben. Der Glaube an die Hölle bleibt menſchlicher, als der an Sibirien, Botanybay, und Cayenne. Auch hat der Staat nicht viel mit der Kirche zu thun, er ſchmälere nur nicht ihr rechtes Anſehn, und begünſtige ſie nicht da¬ für mit falſcher Glanzentſchädigung. Aber weg¬ ſchaffen was nunmehr anſtößig iſt, wenn es auch vorher erbaute, kann nur er allein. Bei der Deutſchen Kirche, worin ich geboren und erzo¬ gen, bleibe ich ſtehen; Vaterlandsliebe ehrt den Glauben der Väter. Unſere Evangeliſch-Lutheriſche Kirche krankt mehr am äußern Sein, als am innern Weſen. Letzteres iſt durch edles Ringen nach Wahrheit, Unterſuchung aller Art, unermüdete Forſchung, immererneuertes Selbſtdenken hervorgegangen. Alles ſtatt der Krücke der Lahmen, der Brille der Blödſichtigen, des vorher benebelnden Nach¬ glaubens. Dagegen iſt das Erſtere durch den J 2

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Zitationshilfe: Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/161>, abgerufen am 14.05.2024.