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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810.

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braucht denn die christliche Gemeinde ein Nasen¬
zeuge davon zu sein? Warum soll ein Vor¬
nehmer umsonst, ein Reicher für zehn Thaler
nach seinem Tode eine Stinkgerechtigkeit aus¬
üben? Jst es denn nicht genug den Namen
im Leben stinkend zu machen? Was soll eine
Leichenreise nach einem andern Ort, und Tod¬
teneinfuhr vom Lande in die Städte? Das
litt schon Solon nicht, und nach ihm verboten
die Zwölf-Tafelgesetze in Rom zu begraben.

Jn vielen Ländern und Ländchen herrscht
die verunglückte Mißeinrichtung, daß gewisse
landesherrliche Verordnungen, an bestimmten
Sonntagen von der Kanzel abgelesen werden.
Die Kirche wird leer, sobald solcher Nachvor¬
trag anfängt, das Bekanntwerden wird also da¬
durch nicht befördert. Auch ist und bleibt es ein
widernatürliches Ansinnen, daß die Menschen
nach Gesang und Predigt, noch auf solche Din¬
ge Aufmerksamkeit haben sollen; selbst wenn sie
auch nicht so weit aus ihrem Gesichtskreise lie¬
gen, wie das Duellmandat in Sachsen. Schick¬
lichere und bessere Wege giebt es zur Kundma¬
chung. Eine frühe Einleitung im Schulunter¬

braucht denn die chriſtliche Gemeinde ein Naſen¬
zeuge davon zu ſein? Warum ſoll ein Vor¬
nehmer umſonſt, ein Reicher für zehn Thaler
nach ſeinem Tode eine Stinkgerechtigkeit aus¬
üben? Jſt es denn nicht genug den Namen
im Leben ſtinkend zu machen? Was ſoll eine
Leichenreiſe nach einem andern Ort, und Tod¬
teneinfuhr vom Lande in die Städte? Das
litt ſchon Solon nicht, und nach ihm verboten
die Zwölf-Tafelgeſetze in Rom zu begraben.

Jn vielen Ländern und Ländchen herrſcht
die verunglückte Mißeinrichtung, daß gewiſſe
landesherrliche Verordnungen, an beſtimmten
Sonntagen von der Kanzel abgeleſen werden.
Die Kirche wird leer, ſobald ſolcher Nachvor¬
trag anfängt, das Bekanntwerden wird alſo da¬
durch nicht befördert. Auch iſt und bleibt es ein
widernatürliches Anſinnen, daß die Menſchen
nach Geſang und Predigt, noch auf ſolche Din¬
ge Aufmerkſamkeit haben ſollen; ſelbſt wenn ſie
auch nicht ſo weit aus ihrem Geſichtskreiſe lie¬
gen, wie das Duellmandat in Sachſen. Schick¬
lichere und beſſere Wege giebt es zur Kundma¬
chung. Eine frühe Einleitung im Schulunter¬

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[134/0164] 134 braucht denn die chriſtliche Gemeinde ein Naſen¬ zeuge davon zu ſein? Warum ſoll ein Vor¬ nehmer umſonſt, ein Reicher für zehn Thaler nach ſeinem Tode eine Stinkgerechtigkeit aus¬ üben? Jſt es denn nicht genug den Namen im Leben ſtinkend zu machen? Was ſoll eine Leichenreiſe nach einem andern Ort, und Tod¬ teneinfuhr vom Lande in die Städte? Das litt ſchon Solon nicht, und nach ihm verboten die Zwölf-Tafelgeſetze in Rom zu begraben. Jn vielen Ländern und Ländchen herrſcht die verunglückte Mißeinrichtung, daß gewiſſe landesherrliche Verordnungen, an beſtimmten Sonntagen von der Kanzel abgeleſen werden. Die Kirche wird leer, ſobald ſolcher Nachvor¬ trag anfängt, das Bekanntwerden wird alſo da¬ durch nicht befördert. Auch iſt und bleibt es ein widernatürliches Anſinnen, daß die Menſchen nach Geſang und Predigt, noch auf ſolche Din¬ ge Aufmerkſamkeit haben ſollen; ſelbſt wenn ſie auch nicht ſo weit aus ihrem Geſichtskreiſe lie¬ gen, wie das Duellmandat in Sachſen. Schick¬ lichere und beſſere Wege giebt es zur Kundma¬ chung. Eine frühe Einleitung im Schulunter¬

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Zitationshilfe: Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/164>, abgerufen am 21.11.2024.