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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810.

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der durch Gesang begeistert haben. Tyrtäus,
der Rolands Gesang noch unter Wilhelm dem
Eroberer, Ossians Lieder bis auf Macphersons
Erweckung, zeugen für die Macht des Gesan¬
ges. "Kampf ohne Sang hat keinen Drang"
war Heinrichs des Löwen Wahlspruch. Wenn
Klopstock auch Rouget de Lisle (den Verfasser
der Marseiller Hymne) zu wichtig machte, als er
ihm sagte: "Sie sind ein gefährlicher Mann,
mehr als funfzig tausend brave Deutsche haben
Sie erschlagen" (Meyer's Fragmente aus Pa¬
ris): So könnte vielleicht doch noch einst ein Deut¬
scher Dichter den vaterländischen Heerbann be¬
geistern, und Siege ersingen! Der Deutsche
singt gern und oft, wenn er es auch lange hin¬
durch nur in Kirchen und auf Heerstraßen üben
durfte. Er singt auch gern bei der Arbeit, so
waschen im großen Waschhause der Bielefelder
Leinwandsbleichen funfzig Mägdchen nach dem
Tact des Gesanges.

Unglückliches Deutschland! Die Verach¬
tung Deiner Muttersprache hat sich fürchterlich
gerächt. Du warst schon längst Dir unwis¬
send
durch eine fremde Sprache besiegt, durch

der durch Geſang begeiſtert haben. Tyrtäus,
der Rolands Geſang noch unter Wilhelm dem
Eroberer, Oſſians Lieder bis auf Macpherſons
Erweckung, zeugen für die Macht des Geſan¬
ges. „Kampf ohne Sang hat keinen Drang“
war Heinrichs des Löwen Wahlſpruch. Wenn
Klopſtock auch Rouget de Lisle (den Verfaſſer
der Marſeiller Hymne) zu wichtig machte, als er
ihm ſagte: „Sie ſind ein gefährlicher Mann,
mehr als funfzig tauſend brave Deutſche haben
Sie erſchlagen“ (Meyer's Fragmente aus Pa¬
ris): So könnte vielleicht doch noch einſt ein Deut¬
ſcher Dichter den vaterländiſchen Heerbann be¬
geiſtern, und Siege erſingen! Der Deutſche
ſingt gern und oft, wenn er es auch lange hin¬
durch nur in Kirchen und auf Heerſtraßen üben
durfte. Er ſingt auch gern bei der Arbeit, ſo
waſchen im großen Waſchhauſe der Bielefelder
Leinwandsbleichen funfzig Mägdchen nach dem
Tact des Geſanges.

Unglückliches Deutſchland! Die Verach¬
tung Deiner Mutterſprache hat ſich fürchterlich
gerächt. Du warſt ſchon längſt Dir unwiſ¬
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[199/0229] 199 der durch Geſang begeiſtert haben. Tyrtäus, der Rolands Geſang noch unter Wilhelm dem Eroberer, Oſſians Lieder bis auf Macpherſons Erweckung, zeugen für die Macht des Geſan¬ ges. „Kampf ohne Sang hat keinen Drang“ war Heinrichs des Löwen Wahlſpruch. Wenn Klopſtock auch Rouget de Lisle (den Verfaſſer der Marſeiller Hymne) zu wichtig machte, als er ihm ſagte: „Sie ſind ein gefährlicher Mann, mehr als funfzig tauſend brave Deutſche haben Sie erſchlagen“ (Meyer's Fragmente aus Pa¬ ris): So könnte vielleicht doch noch einſt ein Deut¬ ſcher Dichter den vaterländiſchen Heerbann be¬ geiſtern, und Siege erſingen! Der Deutſche ſingt gern und oft, wenn er es auch lange hin¬ durch nur in Kirchen und auf Heerſtraßen üben durfte. Er ſingt auch gern bei der Arbeit, ſo waſchen im großen Waſchhauſe der Bielefelder Leinwandsbleichen funfzig Mägdchen nach dem Tact des Geſanges. Unglückliches Deutſchland! Die Verach¬ tung Deiner Mutterſprache hat ſich fürchterlich gerächt. Du warſt ſchon längſt Dir unwiſ¬ ſend durch eine fremde Sprache beſiegt, durch

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Zitationshilfe: Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/229>, abgerufen am 27.11.2024.