Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

unzerstörbar bleibt? Und wenn die Antwort
Trost giebt, soll man sie dann nicht dem zweifel¬
müthigen Zeitalter hinterbringen? Es giebt einen
Mittelzustand, wo man ausgefürchtet zur Furcht,
ausgehofft zur Hoffnung hindämmert; sich durch
Unthätigseinmüssen, durch stummes Warten der
Dinge, zur gänzlichen Stumpfheit hinbrütet; in
dem leeren Dasein zu einem abgestandenen We¬
sen sich auslebt. Dann kommen Schreckens¬
träume, stören den Schlaf, verdüstern das Wa¬
chen. Und es hat der Mensch eben so gut ein
Vorgefühl vom Nochschlimmern, als eine Ah¬
nung vom Einstbessern. Und da mag es gut
sein, wenn in diesen Völkernöthen jemand hin¬
absichwagt in die Schattenwelt der Geschichte,
dort nach einem Ausweg und Ausgang fragt,
und auf ihre Sehersprüche für die Zukunft
horcht.

Mein Beruf zu diesem Unternehmen liegt
in meiner Erziehung, und in meinen Erlebnissen.
Jn früher Jugend pflanzte mein Vater in mein
Herz ein untilgbares Gefühl von Recht und
Unrecht; die Quelle meines nachherigen innern
Wohls, und äußern Wehs. Schon in Kna¬

* *

unzerſtörbar bleibt? Und wenn die Antwort
Troſt giebt, ſoll man ſie dann nicht dem zweifel¬
müthigen Zeitalter hinterbringen? Es giebt einen
Mittelzuſtand, wo man ausgefürchtet zur Furcht,
ausgehofft zur Hoffnung hindämmert; ſich durch
Unthätigſeinmüſſen, durch ſtummes Warten der
Dinge, zur gänzlichen Stumpfheit hinbrütet; in
dem leeren Daſein zu einem abgeſtandenen We¬
ſen ſich auslebt. Dann kommen Schreckens¬
träume, ſtören den Schlaf, verdüſtern das Wa¬
chen. Und es hat der Menſch eben ſo gut ein
Vorgefühl vom Nochſchlimmern, als eine Ah¬
nung vom Einſtbeſſern. Und da mag es gut
ſein, wenn in dieſen Völkernöthen jemand hin¬
abſichwagt in die Schattenwelt der Geſchichte,
dort nach einem Ausweg und Ausgang fragt,
und auf ihre Seherſprüche für die Zukunft
horcht.

Mein Beruf zu dieſem Unternehmen liegt
in meiner Erziehung, und in meinen Erlebniſſen.
Jn früher Jugend pflanzte mein Vater in mein
Herz ein untilgbares Gefühl von Recht und
Unrecht; die Quelle meines nachherigen innern
Wohls, und äußern Wehs. Schon in Kna¬

* *
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0023" n="XVII"/><fw type="pageNum" place="top"><hi rendition="#aq">XVII</hi><lb/></fw>unzer&#x017F;törbar bleibt? Und wenn die Antwort<lb/>
Tro&#x017F;t giebt, &#x017F;oll man &#x017F;ie dann nicht dem zweifel¬<lb/>
müthigen Zeitalter hinterbringen? Es giebt einen<lb/>
Mittelzu&#x017F;tand, wo man ausgefürchtet zur Furcht,<lb/>
ausgehofft zur Hoffnung hindämmert; &#x017F;ich durch<lb/>
Unthätig&#x017F;einmü&#x017F;&#x017F;en, durch &#x017F;tummes Warten der<lb/>
Dinge, zur gänzlichen Stumpfheit hinbrütet; in<lb/>
dem leeren Da&#x017F;ein zu einem abge&#x017F;tandenen We¬<lb/>
&#x017F;en &#x017F;ich auslebt. Dann kommen Schreckens¬<lb/>
träume, &#x017F;tören den Schlaf, verdü&#x017F;tern das Wa¬<lb/>
chen. Und es hat der Men&#x017F;ch eben &#x017F;o gut ein<lb/>
Vorgefühl vom Noch&#x017F;chlimmern, als eine Ah¬<lb/>
nung vom Ein&#x017F;tbe&#x017F;&#x017F;ern. Und da mag es gut<lb/>
&#x017F;ein, wenn in die&#x017F;en Völkernöthen jemand hin¬<lb/>
ab&#x017F;ichwagt in die Schattenwelt der Ge&#x017F;chichte,<lb/>
dort nach einem Ausweg und Ausgang fragt,<lb/>
und auf ihre Seher&#x017F;prüche für die Zukunft<lb/>
horcht.</p><lb/>
        <p>Mein Beruf zu die&#x017F;em Unternehmen liegt<lb/>
in meiner Erziehung, und in meinen Erlebni&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Jn früher Jugend pflanzte mein Vater in mein<lb/>
Herz ein untilgbares Gefühl von Recht und<lb/>
Unrecht; die Quelle meines nachherigen innern<lb/>
Wohls, und äußern Wehs. Schon in Kna¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">* *<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[XVII/0023] XVII unzerſtörbar bleibt? Und wenn die Antwort Troſt giebt, ſoll man ſie dann nicht dem zweifel¬ müthigen Zeitalter hinterbringen? Es giebt einen Mittelzuſtand, wo man ausgefürchtet zur Furcht, ausgehofft zur Hoffnung hindämmert; ſich durch Unthätigſeinmüſſen, durch ſtummes Warten der Dinge, zur gänzlichen Stumpfheit hinbrütet; in dem leeren Daſein zu einem abgeſtandenen We¬ ſen ſich auslebt. Dann kommen Schreckens¬ träume, ſtören den Schlaf, verdüſtern das Wa¬ chen. Und es hat der Menſch eben ſo gut ein Vorgefühl vom Nochſchlimmern, als eine Ah¬ nung vom Einſtbeſſern. Und da mag es gut ſein, wenn in dieſen Völkernöthen jemand hin¬ abſichwagt in die Schattenwelt der Geſchichte, dort nach einem Ausweg und Ausgang fragt, und auf ihre Seherſprüche für die Zukunft horcht. Mein Beruf zu dieſem Unternehmen liegt in meiner Erziehung, und in meinen Erlebniſſen. Jn früher Jugend pflanzte mein Vater in mein Herz ein untilgbares Gefühl von Recht und Unrecht; die Quelle meines nachherigen innern Wohls, und äußern Wehs. Schon in Kna¬ * *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/23
Zitationshilfe: Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. XVII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/23>, abgerufen am 21.11.2024.