Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

"Übersicht Deutscher Staatengeschich¬
ten"
vom Letztern gezeigt, würden wohlthätige
Wegweiser unserer künftigen Geschichtschreiber
sein.

Fünf Arten Geschichtler haben bis jetzt in
Geschichtschreibung bei uns gepfuschert. Die
Raufbolde
zuerst und am Längsten. Schlözer
hat über sie auf den ersten Seiten seiner Welt¬
geschichte das Halsgericht gehalten. Die Phi¬
lister
welche meinten: Was auf dem Erdenrund
geschieht, ist Geschichte, Zeitungen sind Zeugen
der Zeit. Zahlmeister die alle zählbare Din¬
ge zählten. Allesvonselbstwisser und
Schönlinge versehen jetzt den Büchermarkt
und Trödel mit Geschichten. Sie wollen über¬
all Bescheid wissen, stoßen doch an jeden Stein,
rennen mit der Brille an Bäume; schnüffeln
umher mit witternder Nase wie Schleichwaaren¬
riecher. Verbildet ist ihr Verstand, die Schlicht¬
heit ist im Begaffen der Weltpuppenspiele ver¬
loren; Alles sehen sie durch ihr Glas halb und
schief. Aus dem Gemüthe ist Kindlichkeit ver¬
schwunden, die Reinsinnigkeit zur einfältigen
Auffassung fehlt; nicht wie es würklich war,

Überſicht Deutſcher Staatengeſchich¬
ten“
vom Letztern gezeigt, würden wohlthätige
Wegweiſer unſerer künftigen Geſchichtſchreiber
ſein.

Fünf Arten Geſchichtler haben bis jetzt in
Geſchichtſchreibung bei uns gepfuſchert. Die
Raufbolde
zuerſt und am Längſten. Schlözer
hat über ſie auf den erſten Seiten ſeiner Welt¬
geſchichte das Halsgericht gehalten. Die Phi¬
liſter
welche meinten: Was auf dem Erdenrund
geſchieht, iſt Geſchichte, Zeitungen ſind Zeugen
der Zeit. Zahlmeiſter die alle zählbare Din¬
ge zählten. Allesvonſelbſtwiſſer und
Schönlinge verſehen jetzt den Büchermarkt
und Trödel mit Geſchichten. Sie wollen über¬
all Beſcheid wiſſen, ſtoßen doch an jeden Stein,
rennen mit der Brille an Bäume; ſchnüffeln
umher mit witternder Naſe wie Schleichwaaren¬
riecher. Verbildet iſt ihr Verſtand, die Schlicht¬
heit iſt im Begaffen der Weltpuppenſpiele ver¬
loren; Alles ſehen ſie durch ihr Glas halb und
ſchief. Aus dem Gemüthe iſt Kindlichkeit ver¬
ſchwunden, die Reinſinnigkeit zur einfältigen
Auffaſſung fehlt; nicht wie es würklich war,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0250" n="220"/><fw type="pageNum" place="top">220<lb/></fw>&#x201E;<hi rendition="#g">Über&#x017F;icht Deut&#x017F;cher Staatenge&#x017F;chich¬<lb/>
ten&#x201C;</hi> vom Letztern gezeigt, würden wohlthätige<lb/>
Wegwei&#x017F;er un&#x017F;erer künftigen Ge&#x017F;chicht&#x017F;chreiber<lb/>
&#x017F;ein.</p><lb/>
          <p>Fünf Arten Ge&#x017F;chichtler haben bis jetzt in<lb/>
Ge&#x017F;chicht&#x017F;chreibung bei uns gepfu&#x017F;chert. <hi rendition="#g">Die<lb/>
Raufbolde</hi> zuer&#x017F;t und am Läng&#x017F;ten. Schlözer<lb/>
hat über &#x017F;ie auf den er&#x017F;ten Seiten &#x017F;einer Welt¬<lb/>
ge&#x017F;chichte das Halsgericht gehalten. <hi rendition="#g">Die Phi¬<lb/>
li&#x017F;ter</hi> welche meinten: Was auf dem Erdenrund<lb/>
ge&#x017F;chieht, i&#x017F;t Ge&#x017F;chichte, Zeitungen &#x017F;ind Zeugen<lb/>
der Zeit. <hi rendition="#g">Zahlmei&#x017F;ter</hi> die alle zählbare Din¬<lb/>
ge zählten. <hi rendition="#g">Allesvon&#x017F;elb&#x017F;twi&#x017F;&#x017F;er</hi> und<lb/><hi rendition="#g">Schönlinge</hi> ver&#x017F;ehen jetzt den Büchermarkt<lb/>
und Trödel mit Ge&#x017F;chichten. Sie wollen über¬<lb/>
all Be&#x017F;cheid wi&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;toßen doch an jeden Stein,<lb/>
rennen mit der Brille an Bäume; &#x017F;chnüffeln<lb/>
umher mit witternder Na&#x017F;e wie Schleichwaaren¬<lb/>
riecher. Verbildet i&#x017F;t ihr Ver&#x017F;tand, die Schlicht¬<lb/>
heit i&#x017F;t im Begaffen der Weltpuppen&#x017F;piele ver¬<lb/>
loren; Alles &#x017F;ehen &#x017F;ie durch ihr Glas halb und<lb/>
&#x017F;chief. Aus dem Gemüthe i&#x017F;t Kindlichkeit ver¬<lb/>
&#x017F;chwunden, die Rein&#x017F;innigkeit zur einfältigen<lb/>
Auffa&#x017F;&#x017F;ung fehlt; nicht wie es würklich war,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[220/0250] 220 „Überſicht Deutſcher Staatengeſchich¬ ten“ vom Letztern gezeigt, würden wohlthätige Wegweiſer unſerer künftigen Geſchichtſchreiber ſein. Fünf Arten Geſchichtler haben bis jetzt in Geſchichtſchreibung bei uns gepfuſchert. Die Raufbolde zuerſt und am Längſten. Schlözer hat über ſie auf den erſten Seiten ſeiner Welt¬ geſchichte das Halsgericht gehalten. Die Phi¬ liſter welche meinten: Was auf dem Erdenrund geſchieht, iſt Geſchichte, Zeitungen ſind Zeugen der Zeit. Zahlmeiſter die alle zählbare Din¬ ge zählten. Allesvonſelbſtwiſſer und Schönlinge verſehen jetzt den Büchermarkt und Trödel mit Geſchichten. Sie wollen über¬ all Beſcheid wiſſen, ſtoßen doch an jeden Stein, rennen mit der Brille an Bäume; ſchnüffeln umher mit witternder Naſe wie Schleichwaaren¬ riecher. Verbildet iſt ihr Verſtand, die Schlicht¬ heit iſt im Begaffen der Weltpuppenſpiele ver¬ loren; Alles ſehen ſie durch ihr Glas halb und ſchief. Aus dem Gemüthe iſt Kindlichkeit ver¬ ſchwunden, die Reinſinnigkeit zur einfältigen Auffaſſung fehlt; nicht wie es würklich war,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/250
Zitationshilfe: Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/250>, abgerufen am 14.05.2024.