oder ihnen etwa vorkam, nein wie es wohl her¬ aus vernünftelt werden könnte, ist ihre Darstel¬ lung. Die Wirklichkeit ist ihnen nicht schön ge¬ nug, Wahrheit zu nackt, sie müssen erst stutzen und putzen. So wird das Große zum Gemei¬ nen verzerrt, das Reinmenschliche durch grobe Pinselzüge verwischt, das Gewöhnliche zum Un¬ ding verschraubt. Auf hochtrabenden, aus aller Welt Sprachen zusammengeplünderten Wörtern wollen sie dann durch den Unflath stelzen. Ohne die Rinde des Bodens zu kennen, auf den sie fußen, und der Decke Saum, die sie überschwebt, vermessen sie sich, ein abentheuerlicher Spuk, Aussprüche der Weltordnung zu verkünden. Sie stürzen Altäre der ewigen Gottheit, die über die Menschheit waltet; beten auf Opferhügeln des blinden Erfolgs eigene Götzen an -- heute diese -- morgen jene.
Mit unserer Sprache sind wir lange schlecht umgegangen, schlechter noch mit unserer Ge¬ schichte. "Nichts ist mehr zu wünschen, als daß Deutschland gute Geschichtschreiber haben möge; sie allein können machen, daß sich die Auslän¬ der mehr um uns bekümmern" lautet Lichten¬
oder ihnen etwa vorkam, nein wie es wohl her¬ aus vernünftelt werden könnte, iſt ihre Darſtel¬ lung. Die Wirklichkeit iſt ihnen nicht ſchön ge¬ nug, Wahrheit zu nackt, ſie müſſen erſt ſtutzen und putzen. So wird das Große zum Gemei¬ nen verzerrt, das Reinmenſchliche durch grobe Pinſelzüge verwiſcht, das Gewöhnliche zum Un¬ ding verſchraubt. Auf hochtrabenden, aus aller Welt Sprachen zuſammengeplünderten Wörtern wollen ſie dann durch den Unflath ſtelzen. Ohne die Rinde des Bodens zu kennen, auf den ſie fußen, und der Decke Saum, die ſie überſchwebt, vermeſſen ſie ſich, ein abentheuerlicher Spuk, Ausſprüche der Weltordnung zu verkünden. Sie ſtürzen Altäre der ewigen Gottheit, die über die Menſchheit waltet; beten auf Opferhügeln des blinden Erfolgs eigene Götzen an — heute dieſe — morgen jene.
Mit unſerer Sprache ſind wir lange ſchlecht umgegangen, ſchlechter noch mit unſerer Ge¬ ſchichte. „Nichts iſt mehr zu wünſchen, als daß Deutſchland gute Geſchichtſchreiber haben möge; ſie allein können machen, daß ſich die Auslän¬ der mehr um uns bekümmern“ lautet Lichten¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0251"n="221"/><fwtype="pageNum"place="top">221<lb/></fw>oder ihnen etwa vorkam, nein wie es wohl her¬<lb/>
aus vernünftelt werden könnte, iſt ihre Darſtel¬<lb/>
lung. Die Wirklichkeit iſt ihnen nicht ſchön ge¬<lb/>
nug, Wahrheit zu nackt, ſie müſſen erſt ſtutzen<lb/>
und putzen. So wird das Große zum Gemei¬<lb/>
nen verzerrt, das Reinmenſchliche durch grobe<lb/>
Pinſelzüge verwiſcht, das Gewöhnliche zum Un¬<lb/>
ding verſchraubt. Auf hochtrabenden, aus aller<lb/>
Welt Sprachen zuſammengeplünderten Wörtern<lb/>
wollen ſie dann durch den Unflath ſtelzen. Ohne<lb/>
die Rinde des Bodens zu kennen, auf den ſie<lb/>
fußen, und der Decke Saum, die ſie überſchwebt,<lb/>
vermeſſen ſie ſich, ein abentheuerlicher Spuk,<lb/>
Ausſprüche der Weltordnung zu verkünden. Sie<lb/>ſtürzen Altäre der ewigen Gottheit, die über die<lb/>
Menſchheit waltet; beten auf Opferhügeln des<lb/>
blinden Erfolgs eigene Götzen an — heute dieſe<lb/>— morgen jene.</p><lb/><p>Mit unſerer Sprache ſind wir lange ſchlecht<lb/>
umgegangen, ſchlechter noch mit unſerer Ge¬<lb/>ſchichte. „Nichts iſt mehr zu wünſchen, als daß<lb/>
Deutſchland gute Geſchichtſchreiber haben möge;<lb/>ſie allein können machen, daß ſich die Auslän¬<lb/>
der mehr um uns bekümmern“ lautet <hirendition="#g">Lichten¬</hi><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[221/0251]
221
oder ihnen etwa vorkam, nein wie es wohl her¬
aus vernünftelt werden könnte, iſt ihre Darſtel¬
lung. Die Wirklichkeit iſt ihnen nicht ſchön ge¬
nug, Wahrheit zu nackt, ſie müſſen erſt ſtutzen
und putzen. So wird das Große zum Gemei¬
nen verzerrt, das Reinmenſchliche durch grobe
Pinſelzüge verwiſcht, das Gewöhnliche zum Un¬
ding verſchraubt. Auf hochtrabenden, aus aller
Welt Sprachen zuſammengeplünderten Wörtern
wollen ſie dann durch den Unflath ſtelzen. Ohne
die Rinde des Bodens zu kennen, auf den ſie
fußen, und der Decke Saum, die ſie überſchwebt,
vermeſſen ſie ſich, ein abentheuerlicher Spuk,
Ausſprüche der Weltordnung zu verkünden. Sie
ſtürzen Altäre der ewigen Gottheit, die über die
Menſchheit waltet; beten auf Opferhügeln des
blinden Erfolgs eigene Götzen an — heute dieſe
— morgen jene.
Mit unſerer Sprache ſind wir lange ſchlecht
umgegangen, ſchlechter noch mit unſerer Ge¬
ſchichte. „Nichts iſt mehr zu wünſchen, als daß
Deutſchland gute Geſchichtſchreiber haben möge;
ſie allein können machen, daß ſich die Auslän¬
der mehr um uns bekümmern“ lautet Lichten¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/251>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.