schen der Schule und Geschlechtsreife. Das Mägdchen, ein sittlich geschlechtsloses Wesen (wie das Wörtchen das schon anzeigt), verliert sich in gesunden Zeitaltern in die Dirne. Das männliche im Hochdeutschen dem weiblichen Dir¬ ne überstehende Wort ist Bursch, ein Kraftjüng¬ ling, wo die künftige Männlichkeit sich verkün¬ det; noch ist im Dänischen Dreng, versetzt aus Derng. Dirne (mit Thier verwandt, was be¬ wegliches Lebwesen anzeigt, wie thieren sonst freie Äußerung der Belebtheit hieß) ist ein Kraft¬ mägdchen in voller Lebensfülle und Jugendblü¬ the; mit hervortretender Weiblichkeit, die durch Anmuth die Kraft mildert. Aus dem schönen Ringen des Jugendlichen und Weiblichen im Dirnenstande erscheint die Jungfrau. Jn ihr ist die Weiblichkeit vollendet, so weit es durch sich selbst möglich. Erst die Annäherung des Man¬ nes schafft Geliebte und Braut, und die Verei¬ nung der Geschlechter in ehelicher Liebe und lie¬ bender Ehe giebt die irdischmögliche Vollendung.
Groß ist die weibliche Bestimmung, für Volk und Menschheit gleich wichtig. Früh müssen die Eindrücke in die jungen Seelen kommen, damit
ſchen der Schule und Geſchlechtsreife. Das Mägdchen, ein ſittlich geſchlechtsloſes Weſen (wie das Wörtchen das ſchon anzeigt), verliert ſich in geſunden Zeitaltern in die Dirne. Das männliche im Hochdeutſchen dem weiblichen Dir¬ ne überſtehende Wort iſt Burſch, ein Kraftjüng¬ ling, wo die künftige Männlichkeit ſich verkün¬ det; noch iſt im Däniſchen Dreng, verſetzt aus Derng. Dirne (mit Thier verwandt, was be¬ wegliches Lebweſen anzeigt, wie thieren ſonſt freie Äußerung der Belebtheit hieß) iſt ein Kraft¬ mägdchen in voller Lebensfülle und Jugendblü¬ the; mit hervortretender Weiblichkeit, die durch Anmuth die Kraft mildert. Aus dem ſchönen Ringen des Jugendlichen und Weiblichen im Dirnenſtande erſcheint die Jungfrau. Jn ihr iſt die Weiblichkeit vollendet, ſo weit es durch ſich ſelbſt möglich. Erſt die Annäherung des Man¬ nes ſchafft Geliebte und Braut, und die Verei¬ nung der Geſchlechter in ehelicher Liebe und lie¬ bender Ehe giebt die irdiſchmögliche Vollendung.
Groß iſt die weibliche Beſtimmung, für Volk und Menſchheit gleich wichtig. Früh müſſen die Eindrücke in die jungen Seelen kommen, damit
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ſchen der Schule und Geſchlechtsreife. Das
Mägdchen, ein ſittlich geſchlechtsloſes Weſen
(wie das Wörtchen das ſchon anzeigt), verliert
ſich in geſunden Zeitaltern in die Dirne. Das
männliche im Hochdeutſchen dem weiblichen Dir¬
ne überſtehende Wort iſt Burſch, ein Kraftjüng¬
ling, wo die künftige Männlichkeit ſich verkün¬
det; noch iſt im Däniſchen Dreng, verſetzt aus
Derng. Dirne (mit Thier verwandt, was be¬
wegliches Lebweſen anzeigt, wie thieren ſonſt
freie Äußerung der Belebtheit hieß) iſt ein Kraft¬
mägdchen in voller Lebensfülle und Jugendblü¬
the; mit hervortretender Weiblichkeit, die durch
Anmuth die Kraft mildert. Aus dem ſchönen
Ringen des Jugendlichen und Weiblichen im
Dirnenſtande erſcheint die Jungfrau. Jn ihr
iſt die Weiblichkeit vollendet, ſo weit es durch ſich
ſelbſt möglich. Erſt die Annäherung des Man¬
nes ſchafft Geliebte und Braut, und die Verei¬
nung der Geſchlechter in ehelicher Liebe und lie¬
bender Ehe giebt die irdiſchmögliche Vollendung.
Groß iſt die weibliche Beſtimmung, für Volk
und Menſchheit gleich wichtig. Früh müſſen die
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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/297>, abgerufen am 21.11.2024.
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