nicht oft genug zurufen. Wüßten sie doch alle Horazens Verse (Epist. II. 3. v. 45-72.) dar¬ über auswendig! Übrigens traue ich den Deut¬ schen Zeitgenossen so viel zu von dem, was in den Neubildungen Volksthum, volksthüm¬ lich, und Volksthümlichkeit liegt; daß sie diese drei Versuche nicht anstößig finden.
c)Muttersprache -- Gelehrtensprache.
Muß es die Nachwelt nicht für ein Mähr¬ chen halten, daß zu einer Zeit, als die Deut¬ schen schon große Dichter und Schriftsteller in allen Fächern der Wissenschaften hatten -- dennoch die Verhandlungen der ersten gelehr¬ ten Gesellschaft des zweiten Deutschen Staats in einer fremden lebenden Sprache geschahen, und in derselben auch zum Druck befördert wur¬ den? Oder wird sie glauben, daß die Deutsche Sprache ein so niedriges, haberechtiges, lästern¬ des Zänkergewäsch gewesen -- als in den gelehrten Anzeigeblättern erscheint? Soll sie endlich argwöhnen, daß die meisten Schriftstel¬ ler die Federdolche gelehrter Vehmrichter gefürch¬ tet, die auf den Freistühlen gelehrter Zeitungen zu Gericht gesessen? daß nur wenige Gelehrten
nicht oft genug zurufen. Wüßten ſie doch alle Horazens Verſe (Epist. II. 3. v. 45–72.) dar¬ über auswendig! Übrigens traue ich den Deut¬ ſchen Zeitgenoſſen ſo viel zu von dem, was in den Neubildungen Volksthum, volksthüm¬ lich, und Volksthümlichkeit liegt; daß ſie dieſe drei Verſuche nicht anſtößig finden.
c)Mutterſprache — Gelehrtenſprache.
Muß es die Nachwelt nicht für ein Mähr¬ chen halten, daß zu einer Zeit, als die Deut¬ ſchen ſchon große Dichter und Schriftſteller in allen Fächern der Wiſſenſchaften hatten — dennoch die Verhandlungen der erſten gelehr¬ ten Geſellſchaft des zweiten Deutſchen Staats in einer fremden lebenden Sprache geſchahen, und in derſelben auch zum Druck befördert wur¬ den? Oder wird ſie glauben, daß die Deutſche Sprache ein ſo niedriges, haberechtiges, läſtern¬ des Zänkergewäſch geweſen — als in den gelehrten Anzeigeblättern erſcheint? Soll ſie endlich argwöhnen, daß die meiſten Schriftſtel¬ ler die Federdolche gelehrter Vehmrichter gefürch¬ tet, die auf den Freiſtühlen gelehrter Zeitungen zu Gericht geſeſſen? daß nur wenige Gelehrten
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nicht oft genug zurufen. Wüßten ſie doch alle
Horazens Verſe (Epist. II. 3. v. 45–72.) dar¬
über auswendig! Übrigens traue ich den Deut¬
ſchen Zeitgenoſſen ſo viel zu von dem, was in
den Neubildungen Volksthum, volksthüm¬
lich, und Volksthümlichkeit liegt; daß ſie
dieſe drei Verſuche nicht anſtößig finden.
c) Mutterſprache — Gelehrtenſprache.
Muß es die Nachwelt nicht für ein Mähr¬
chen halten, daß zu einer Zeit, als die Deut¬
ſchen ſchon große Dichter und Schriftſteller
in allen Fächern der Wiſſenſchaften hatten —
dennoch die Verhandlungen der erſten gelehr¬
ten Geſellſchaft des zweiten Deutſchen Staats
in einer fremden lebenden Sprache geſchahen,
und in derſelben auch zum Druck befördert wur¬
den? Oder wird ſie glauben, daß die Deutſche
Sprache ein ſo niedriges, haberechtiges, läſtern¬
des Zänkergewäſch geweſen — als in den
gelehrten Anzeigeblättern erſcheint? Soll ſie
endlich argwöhnen, daß die meiſten Schriftſtel¬
ler die Federdolche gelehrter Vehmrichter gefürch¬
tet, die auf den Freiſtühlen gelehrter Zeitungen
zu Gericht geſeſſen? daß nur wenige Gelehrten
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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/406>, abgerufen am 22.11.2024.
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