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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810.

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wohnheit befestigte sie, durch Freundschaft wur¬
den sie immer neu, und ewig in Liebe.

Der Jmmereinsiedler verschmäht seine Pflicht,
und verliert sein Anrecht in der Menschheit. Er
bildet sein Jch nicht zum wahren Menschen
aus, kann nicht an Menschlichkeit reifen, auf
des Augenblicks Schwingen entfliehen ihm Ju¬
gend und Leben. Jn menschenleeren Wüsten,
in stummgekünstelten Klausen wird das sittliche
Gefühl nicht zur Tugend, jedes Lebende flieht
aus der Öde. Jm Leben kann der Tugendver¬
ehrer sie kämpfend erwerben, sie huldigt keinem
der bloß Dasein hat. Das Lebende muß in
Lebendigkeit, des Menschen Erregung verleiht
die Gesellschaft. Jn ihr entfaltet der Geist sei¬
ne Unendlichkeit, es erwacht das menschliche
Hochgefühl, und Tugend und Menschenwohl
treiben das Geäder des Lebens. Es reißt sich
der Mensch aus den Banden der Sinnlichkeit;
zu dem, was war, und was ist, und was sein
wird, zum Heiligsten kehrt er sein entfesseltes
Auge. Den Blutopfern des Eigennutzes ent¬
sagt er, und feiert die Feste der Menschheit mit
Bravthun. Voller und strömender durchglüht

wohnheit befeſtigte ſie, durch Freundſchaft wur¬
den ſie immer neu, und ewig in Liebe.

Der Jmmereinſiedler verſchmäht ſeine Pflicht,
und verliert ſein Anrecht in der Menſchheit. Er
bildet ſein Jch nicht zum wahren Menſchen
aus, kann nicht an Menſchlichkeit reifen, auf
des Augenblicks Schwingen entfliehen ihm Ju¬
gend und Leben. Jn menſchenleeren Wüſten,
in ſtummgekünſtelten Klauſen wird das ſittliche
Gefühl nicht zur Tugend, jedes Lebende flieht
aus der Öde. Jm Leben kann der Tugendver¬
ehrer ſie kämpfend erwerben, ſie huldigt keinem
der bloß Daſein hat. Das Lebende muß in
Lebendigkeit, des Menſchen Erregung verleiht
die Geſellſchaft. Jn ihr entfaltet der Geiſt ſei¬
ne Unendlichkeit, es erwacht das menſchliche
Hochgefühl, und Tugend und Menſchenwohl
treiben das Geäder des Lebens. Es reißt ſich
der Menſch aus den Banden der Sinnlichkeit;
zu dem, was war, und was iſt, und was ſein
wird, zum Heiligſten kehrt er ſein entfeſſeltes
Auge. Den Blutopfern des Eigennutzes ent¬
ſagt er, und feiert die Feſte der Menſchheit mit
Bravthun. Voller und ſtrömender durchglüht

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[453/0483] 453 wohnheit befeſtigte ſie, durch Freundſchaft wur¬ den ſie immer neu, und ewig in Liebe. Der Jmmereinſiedler verſchmäht ſeine Pflicht, und verliert ſein Anrecht in der Menſchheit. Er bildet ſein Jch nicht zum wahren Menſchen aus, kann nicht an Menſchlichkeit reifen, auf des Augenblicks Schwingen entfliehen ihm Ju¬ gend und Leben. Jn menſchenleeren Wüſten, in ſtummgekünſtelten Klauſen wird das ſittliche Gefühl nicht zur Tugend, jedes Lebende flieht aus der Öde. Jm Leben kann der Tugendver¬ ehrer ſie kämpfend erwerben, ſie huldigt keinem der bloß Daſein hat. Das Lebende muß in Lebendigkeit, des Menſchen Erregung verleiht die Geſellſchaft. Jn ihr entfaltet der Geiſt ſei¬ ne Unendlichkeit, es erwacht das menſchliche Hochgefühl, und Tugend und Menſchenwohl treiben das Geäder des Lebens. Es reißt ſich der Menſch aus den Banden der Sinnlichkeit; zu dem, was war, und was iſt, und was ſein wird, zum Heiligſten kehrt er ſein entfeſſeltes Auge. Den Blutopfern des Eigennutzes ent¬ ſagt er, und feiert die Feſte der Menſchheit mit Bravthun. Voller und ſtrömender durchglüht

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Zitationshilfe: Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/483>, abgerufen am 28.11.2024.