ungeachtet sie kein volständiges System sondern nur Anmerkungen über eine Tabelle darüber verspricht und giebt. Hingegen der erste Band ist nicht sowol eine Enzyklopädie als eine Methodologie und Nomenklatur der Wissenschaften, in der nur selten eine Hermannische Bemerkung glänzt. Die übrigen Fötusse, Embryonen und molecules5 organiques auf Konzeptpapier sind fast alle wie er selbst verlassene und verwaiste Genies und von grösserem Werthe als die volendeten. Denn seine Ausarbeitung erschwert durch 3 erlei ausserordentlich das Lesen und Verstehen: 1) durch Perioden von 2, 21/2 Seiten (wie in der Naturwissenschaft) 2) durch unnöthige sich selbst ersezende Bestim-10 mungen*), welcher Fehler Kant mehr unverständlich macht als sein Tiefsin selbst (es ist als besiehst du eine Landschaft durch ein Mikroskop) 3) durch eine sonderbare Bescheidenheit und Verstektheit, womit er gerade seine besten Ideen mehr mit Winken als Worten andeutet. Jezt kömt es darauf an, ob dein Lesen dieses Urtheil und hernach meinen15 neulichen Rath bestätigt, anfangs nur die besten Stücke überal, selbst aus der Naturwissenschaft (z. B. Seit. 652 etc. etc. eine meisterhafte physiologische Darstellung des menschlichen Körpers darin) heraus- zugeben und dan erst die Naturwissenschaft darauf zu geben. Dazu kömt noch, daß viele Ideen, die er erfand, weil er wenig las oder alles20 mit seiner Ideenmasse auflösete und amalgamierte, schon vorher erfunden waren. So warf ihm ein Rezensent seinen Saz von den groben Theilen der Luft, des Äthers als ein Plagiat vor. So schrieb er mir selbst, daß er eine Theorie über die Schwere unterdrükte, weil er sie bei einem andern nachher gefunden. Wenn wir das thun: so25 gehen wir den Umständen aus dem Weg, die seinen lezten Werken das Schiksal seiner gedrukten zuziehen könten; und wenn einmal der[328] Werth dieses grossen Geistes öffentlich gefühlt und gestanden ist, so daß es die Höfer etc. Spizbuben vernehmen: so haben wir beide nur den halben Schmerz über sein Hinfallen.30
Aber eile ein wenig, weil ich im einen Falle viele Arbeit, bei so knapper Musse hätte.
Ich vergas unter meinen obigen Gründen noch, daß sein Werth und Geist nicht in seinen Wendungen liege und daß die, in denen er ist, ia nur behalten werden dürfen.35
*) Siehe meine Beilage.
ungeachtet ſie kein volſtändiges Syſtem ſondern nur Anmerkungen über eine Tabelle darüber verſpricht und giebt. Hingegen der erſte Band iſt nicht ſowol eine Enzyklopädie als eine Methodologie und Nomenklatur der Wiſſenſchaften, in der nur ſelten eine Hermanniſche Bemerkung glänzt. Die übrigen Fötuſſe, Embryonen und molecules5 organiques auf Konzeptpapier ſind faſt alle wie er ſelbſt verlaſſene und verwaiſte Genies und von gröſſerem Werthe als die volendeten. Denn ſeine Ausarbeitung erſchwert durch 3 erlei auſſerordentlich das Leſen und Verſtehen: 1) durch Perioden von 2, 2½ Seiten (wie in der Naturwiſſenſchaft) 2) durch unnöthige ſich ſelbſt erſezende Beſtim-10 mungen*), welcher Fehler Kant mehr unverſtändlich macht als ſein Tiefſin ſelbſt (es iſt als beſiehſt du eine Landſchaft durch ein Mikroſkop) 3) durch eine ſonderbare Beſcheidenheit und Verſtektheit, womit er gerade ſeine beſten Ideen mehr mit Winken als Worten andeutet. Jezt kömt es darauf an, ob dein Leſen dieſes Urtheil und hernach meinen15 neulichen Rath beſtätigt, anfangs nur die beſten Stücke überal, ſelbſt aus der Naturwiſſenſchaft (z. B. Seit. 652 ꝛc. ꝛc. eine meiſterhafte phyſiologiſche Darſtellung des menſchlichen Körpers darin) heraus- zugeben und dan erſt die Naturwiſſenſchaft darauf zu geben. Dazu kömt noch, daß viele Ideen, die er erfand, weil er wenig las oder alles20 mit ſeiner Ideenmaſſe auflöſete und amalgamierte, ſchon vorher erfunden waren. So warf ihm ein Rezenſent ſeinen Saz von den groben Theilen der Luft, des Äthers als ein Plagiat vor. So ſchrieb er mir ſelbſt, daß er eine Theorie über die Schwere unterdrükte, weil er ſie bei einem andern nachher gefunden. Wenn wir das thun: ſo25 gehen wir den Umſtänden aus dem Weg, die ſeinen lezten Werken das Schikſal ſeiner gedrukten zuziehen könten; und wenn einmal der[328] Werth dieſes groſſen Geiſtes öffentlich gefühlt und geſtanden iſt, ſo daß es die Höfer ꝛc. Spizbuben vernehmen: ſo haben wir beide nur den halben Schmerz über ſein Hinfallen.30
Aber eile ein wenig, weil ich im einen Falle viele Arbeit, bei ſo knapper Muſſe hätte.
Ich vergas unter meinen obigen Gründen noch, daß ſein Werth und Geiſt nicht in ſeinen Wendungen liege und daß die, in denen er iſt, ia nur behalten werden dürfen.35
*) Siehe meine Beilage.
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und verwaiſte Genies und von gröſſerem Werthe als die volendeten.
Denn ſeine Ausarbeitung erſchwert durch 3 erlei auſſerordentlich das
Leſen und Verſtehen: 1) durch Perioden von 2, 2½ Seiten (wie in der
Naturwiſſenſchaft) 2) durch unnöthige ſich ſelbſt erſezende Beſtim- 10
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Tiefſin ſelbſt (es iſt als beſiehſt du eine Landſchaft durch ein Mikroſkop)
3) durch eine ſonderbare Beſcheidenheit und Verſtektheit, womit er
gerade ſeine beſten Ideen mehr mit Winken als Worten andeutet. Jezt
kömt es darauf an, ob dein Leſen dieſes Urtheil und hernach meinen 15
neulichen Rath beſtätigt, anfangs nur die beſten Stücke überal, ſelbſt
aus der Naturwiſſenſchaft (z. B. Seit. 652 ꝛc. ꝛc. eine meiſterhafte
phyſiologiſche Darſtellung des menſchlichen Körpers darin) heraus-
zugeben und dan erſt die Naturwiſſenſchaft darauf zu geben. Dazu
kömt noch, daß viele Ideen, die er erfand, weil er wenig las oder alles 20
mit ſeiner Ideenmaſſe auflöſete und amalgamierte, ſchon vorher
erfunden waren. So warf ihm ein Rezenſent ſeinen Saz von den
groben Theilen der Luft, des Äthers als ein Plagiat vor. So ſchrieb
er mir ſelbſt, daß er eine Theorie über die Schwere unterdrükte, weil
er ſie bei einem andern nachher gefunden. Wenn wir das thun: ſo 25
gehen wir den Umſtänden aus dem Weg, die ſeinen lezten Werken das
Schikſal ſeiner gedrukten zuziehen könten; und wenn einmal der
Werth dieſes groſſen Geiſtes öffentlich gefühlt und geſtanden iſt, ſo
daß es die Höfer ꝛc. Spizbuben vernehmen: ſo haben wir beide nur
den halben Schmerz über ſein Hinfallen. 30
[328]Aber eile ein wenig, weil ich im einen Falle viele Arbeit, bei ſo
knapper Muſſe hätte.
Ich vergas unter meinen obigen Gründen noch, daß ſein Werth und
Geiſt nicht in ſeinen Wendungen liege und daß die, in denen er iſt, ia
nur behalten werden dürfen. 35
*) Siehe meine Beilage.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/337>, abgerufen am 24.11.2024.
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