Mittelmässigkeit erträglich wird, wenn man sich erinnert, daß er vorher noch schlechter war -- Bedenken Sie dies, und Sie haben Sich alles erklärt. Allein ich wil die Sache mit ihm durch Briefe betreiben, wo man am meisten den Schein vermeiden kan, ihm einreden zu wollen; sprechen Sie etwan [?] einmal selbst mit ihm, wo Sie seine schwachen5 Seiten eben sobald kennen lernen, als er durch Ihre vorteilhaften wird eingenommen werden. Ich ermüde Sie; ich schliesse. Nur noch eines. Beeren Sie mich in's Künftige mit Ihren Briefen, die mir eben solches Vergnügen verschaffen, als Ihnen vielleicht die meinigen Ekkel erregen; hegen Sie noch ferner die gütigen Gesinnungen gegen10 uns, die wir mer Ihrer Menschenliebe als unsern Verdiensten zu danken haben; verteidigen Sie noch ferner die, die eben so viel von Ihnen hoffen, als sie Ihnen schon schuldig sind; sein Sie der Vater derer, die keinen Vater haben und einen so nötig brauchen; beschüzzen Sie die, die ohne Sie dem Spotte iedes Boshaften, der Verachtung15 iedes heimlichen Feinds und der Unterdrükkung iedes Mächtigen aus- gesezt sein würden; vergeben Sie die Feler, die dieselbe [?] Schwach- heit, aus der sie begangen worden, verzeihlich macht; helfen Sie denen mit Ihren Talenten, denen durch keine andern als die Ihrigen ge- holfen werden kan und reissen Sie im Gegenteil denen den Sieg aus20 den Händen, deren Sache so schlecht ist wie ihr Verteidiger. Wir können Sie nicht belonen; aber der kan Sie belonen, der auch Ihre Kinder glüklich machen kan. Wir können Ihnen nicht die Früchte Ihrer Arbeiten erteilen; aber Ihr Herz kan's, wenn's Ihnen sagt: du hast edler gehandlet als ieder andre Tugendhafte -- etc.25
17. An Pfarrer Vogel in Rehau.
[Konzept, nicht abgeschickt][Leipzig, Nov. 1781]
Ich sage Ihnen für Ihren wertesten Brief, den ich erst den .. Nov. erhielt, den wärmsten Dank; ich weis nicht, was ich Ihnen für Ihre fürtreflichen Anmerkungen sagen sol? Sie haben mir auf einmal soviel[27]30 Gutes geschrieben, daß ich dadurch wenigstens eben soviel Mitt[el- mässiges] schreiben mus. Erlauben Sie mir also, vorher Ihren Brief, und darauf [?] die An[merkungen] zu beantworten. Lassen Sie iezt die Geduld Ihre Fürerin sein, sonst werden Sie übel durch diesen Brief hindurch kommen, und machen Sie Sich dem Dinge bekant, das man35
Mittelmäſſigkeit erträglich wird, wenn man ſich erinnert, daß er vorher noch ſchlechter war — Bedenken Sie dies, und Sie haben Sich alles erklärt. Allein ich wil die Sache mit ihm durch Briefe betreiben, wo man am meiſten den Schein vermeiden kan, ihm einreden zu wollen; ſprechen Sie etwan [?] einmal ſelbſt mit ihm, wo Sie ſeine ſchwachen5 Seiten eben ſobald kennen lernen, als er durch Ihre vorteilhaften wird eingenommen werden. Ich ermüde Sie; ich ſchlieſſe. Nur noch eines. Beeren Sie mich in’s Künftige mit Ihren Briefen, die mir eben ſolches Vergnügen verſchaffen, als Ihnen vielleicht die meinigen Ekkel erregen; hegen Sie noch ferner die gütigen Geſinnungen gegen10 uns, die wir mer Ihrer Menſchenliebe als unſern Verdienſten zu danken haben; verteidigen Sie noch ferner die, die eben ſo viel von Ihnen hoffen, als ſie Ihnen ſchon ſchuldig ſind; ſein Sie der Vater derer, die keinen Vater haben und einen ſo nötig brauchen; beſchüzzen Sie die, die ohne Sie dem Spotte iedes Boshaften, der Verachtung15 iedes heimlichen Feinds und der Unterdrükkung iedes Mächtigen aus- geſezt ſein würden; vergeben Sie die Feler, die dieſelbe [?] Schwach- heit, aus der ſie begangen worden, verzeihlich macht; helfen Sie denen mit Ihren Talenten, denen durch keine andern als die Ihrigen ge- holfen werden kan und reiſſen Sie im Gegenteil denen den Sieg aus20 den Händen, deren Sache ſo ſchlecht iſt wie ihr Verteidiger. Wir können Sie nicht belonen; aber der kan Sie belonen, der auch Ihre Kinder glüklich machen kan. Wir können Ihnen nicht die Früchte Ihrer Arbeiten erteilen; aber Ihr Herz kan’s, wenn’s Ihnen ſagt: du haſt edler gehandlet als ieder andre Tugendhafte — ꝛc.25
17. An Pfarrer Vogel in Rehau.
[Konzept, nicht abgeſchickt][Leipzig, Nov. 1781]
Ich ſage Ihnen für Ihren werteſten Brief, den ich erſt den .. Nov. erhielt, den wärmſten Dank; ich weis nicht, was ich Ihnen für Ihre fürtreflichen Anmerkungen ſagen ſol? Sie haben mir auf einmal ſoviel[27]30 Gutes geſchrieben, daß ich dadurch wenigſtens eben ſoviel Mitt[el- mäſſiges] ſchreiben mus. Erlauben Sie mir alſo, vorher Ihren Brief, und darauf [?] die An[merkungen] zu beantworten. Laſſen Sie iezt die Geduld Ihre Fürerin ſein, ſonſt werden Sie übel durch dieſen Brief hindurch kommen, und machen Sie Sich dem Dinge bekant, das man35
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[25/0048]
Mittelmäſſigkeit erträglich wird, wenn man ſich erinnert, daß er vorher
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man am meiſten den Schein vermeiden kan, ihm einreden zu wollen;
ſprechen Sie etwan [?] einmal ſelbſt mit ihm, wo Sie ſeine ſchwachen 5
Seiten eben ſobald kennen lernen, als er durch Ihre vorteilhaften
wird eingenommen werden. Ich ermüde Sie; ich ſchlieſſe. Nur noch
eines. Beeren Sie mich in’s Künftige mit Ihren Briefen, die mir
eben ſolches Vergnügen verſchaffen, als Ihnen vielleicht die meinigen
Ekkel erregen; hegen Sie noch ferner die gütigen Geſinnungen gegen 10
uns, die wir mer Ihrer Menſchenliebe als unſern Verdienſten zu
danken haben; verteidigen Sie noch ferner die, die eben ſo viel von
Ihnen hoffen, als ſie Ihnen ſchon ſchuldig ſind; ſein Sie der Vater
derer, die keinen Vater haben und einen ſo nötig brauchen; beſchüzzen
Sie die, die ohne Sie dem Spotte iedes Boshaften, der Verachtung 15
iedes heimlichen Feinds und der Unterdrükkung iedes Mächtigen aus-
geſezt ſein würden; vergeben Sie die Feler, die dieſelbe [?] Schwach-
heit, aus der ſie begangen worden, verzeihlich macht; helfen Sie denen
mit Ihren Talenten, denen durch keine andern als die Ihrigen ge-
holfen werden kan und reiſſen Sie im Gegenteil denen den Sieg aus 20
den Händen, deren Sache ſo ſchlecht iſt wie ihr Verteidiger. Wir
können Sie nicht belonen; aber der kan Sie belonen, der auch Ihre
Kinder glüklich machen kan. Wir können Ihnen nicht die Früchte
Ihrer Arbeiten erteilen; aber Ihr Herz kan’s, wenn’s Ihnen ſagt:
du haſt edler gehandlet als ieder andre Tugendhafte — ꝛc. 25
17. An Pfarrer Vogel in Rehau.
[Leipzig, Nov. 1781]
Ich ſage Ihnen für Ihren werteſten Brief, den ich erſt den .. Nov.
erhielt, den wärmſten Dank; ich weis nicht, was ich Ihnen für Ihre
fürtreflichen Anmerkungen ſagen ſol? Sie haben mir auf einmal ſoviel 30
Gutes geſchrieben, daß ich dadurch wenigſtens eben ſoviel Mitt[el-
mäſſiges] ſchreiben mus. Erlauben Sie mir alſo, vorher Ihren Brief,
und darauf [?] die An[merkungen] zu beantworten. Laſſen Sie iezt die
Geduld Ihre Fürerin ſein, ſonſt werden Sie übel durch dieſen Brief
hindurch kommen, und machen Sie Sich dem Dinge bekant, das man 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/48>, abgerufen am 21.11.2024.
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