Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958."Welt hinter der Wüste der ersten zeigt. Und so an jedem Ende eines 213. An Amöne Herold.5 Hof d. lezten Herbsttag 1795 [20. Dez. Sonntag].Ich hoffe, ich habe jezt die Minute, die zwischen Kälte und Wärme, Ich betheuere Ihnen, ich denke jezt an den Ewigen und an sein Auge,15 Alle kraftvolle Menschen halten das Recht des Stärkern für ein Am lezten Tage dieses Jahrs um 3/4 auf 8 Uhr. Eine andere Stunde mag das Vorige fortsezen; lassen Sie mich jezt, „Welt hinter der Wüſte der erſten zeigt. Und ſo an jedem Ende eines 213. An Amöne Herold.5 Hof d. lezten Herbſttag 1795 [20. Dez. Sonntag].Ich hoffe, ich habe jezt die Minute, die zwiſchen Kälte und Wärme, Ich betheuere Ihnen, ich denke jezt an den Ewigen und an ſein Auge,15 Alle kraftvolle Menſchen halten das Recht des Stärkern für ein Am lezten Tage dieſes Jahrs um ¾ auf 8 Uhr. Eine andere Stunde mag das Vorige fortſezen; laſſen Sie mich jezt, <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0150" n="139"/> „Welt hinter der Wüſte der erſten zeigt. Und ſo an jedem Ende eines<lb/> „alten Jahres wollen wir wiederholen: wir bleiben vereinigt.“ —<lb/> D[as] Gemälde für ſchwächere Augen umfärben — illuminierte,<lb/> getuſchte Ausgabe.</p> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>213. An <hi rendition="#g">Amöne Herold.</hi><lb n="5"/> </head> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Hof</hi> d. lezten Herbſttag 1795 [20. Dez. Sonntag].</hi> </dateline><lb/> <p>Ich hoffe, ich habe jezt die Minute, die zwiſchen Kälte und Wärme,<lb/> zwiſchen Empfindlichkeit und Empfindſamkeit ſo das Mittel hält, daß<lb/> ich mit Ihnen von Ihnen ſelber mit der reinen Gleichmüthigkeit vol<note place="right"><ref target="1922_Bd2_136">[136]</ref></note><lb/> Wohlwollen ſprechen kan als wenn ich in der zweiten Welt drüben einer<lb n="10"/> abgeſchiednen Seele die Ihrige zu malen hätte. Wär’ es möglich, daß<lb/> jeder von uns zweimal da wäre und im <hi rendition="#g">moraliſchen</hi> Sin ſich ſelber<lb/> ſähe: ſo wäre jeder beſſer — wüſten wir <hi rendition="#g">gewis,</hi> wir haben gewiſſe<lb/> Fehler, wir legten ſie ab.</p><lb/> <p>Ich betheuere Ihnen, ich denke jezt an den Ewigen und an ſein Auge,<lb n="15"/> vor dem mein enthültes Herz mit dem enthülten Vorſaz liegt, ohne<lb/> Einmiſchung meines Ichs die kleinen Schatten des Ihrigen zu ſchildern.</p><lb/> <p>Alle kraftvolle Menſchen halten das Recht des Stärkern für ein<lb/> Recht, ſie leiden über ſich keinen Szepter, weil ſie ſelber einen führen<lb/> wollen. Daher ſind die meiſten Genies egoiſtiſch. Ihr Talent, das ſie<lb n="20"/> erſt <hi rendition="#g">verdienen</hi> müſſen, machen ſie zu einem Vorwand gröſſerer<lb/> Foderung; das <hi rendition="#g">Geſchenk</hi> iſt ihnen ein Recht auf <hi rendition="#g">Tribut.</hi> Die ganze<lb/> Dankbarkeit, die der geiſtig Reichere gegen den Schöpfer hat, beſteht<lb/> darin, daß er deſto mehr von den ärmer Gelaſſenen fodert, anſtat daß<lb/> gerade die Menſchen vom meiſten Werth den andern am meiſten —<lb n="25"/> ſchuldig ſind und nichts zu fodern, ſondern nur mehr zu geben haben.<lb/> Ihr Egoiſmus kömt von etwas beſſerem her als von Ihrer Erziehung<lb/> — denn Ihre nächſte Schweſter hat ihn nicht; und ſo iſt Ihre Seele<lb/> wieder umgekehrt von andern, <hi rendition="#g">dieſer</hi> Erziehung anhängigen Mängeln<lb/><hi rendition="#g">ganz</hi> rein, z. B. von Verſtellung — Sie verſtehen mich immer falſch<lb n="30"/> über dieſen Vorwurf, als wär’ ich das <hi rendition="#g">Opfer</hi> deſſelben, da ich doch<lb/> meiſtens deſſen <hi rendition="#g">Ausnahme</hi> bin ...</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <dateline> <hi rendition="#c">Am lezten Tage dieſes Jahrs um ¾ auf 8 Uhr.</hi> </dateline><lb/> <p>Eine andere Stunde mag das Vorige fortſezen; laſſen Sie mich jezt,<lb/> Seele in meiner Seele, den lezten abrinnenden Tag des Jahrs mit<lb n="35"/> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [139/0150]
„Welt hinter der Wüſte der erſten zeigt. Und ſo an jedem Ende eines
„alten Jahres wollen wir wiederholen: wir bleiben vereinigt.“ —
D[as] Gemälde für ſchwächere Augen umfärben — illuminierte,
getuſchte Ausgabe.
213. An Amöne Herold. 5
Hof d. lezten Herbſttag 1795 [20. Dez. Sonntag].
Ich hoffe, ich habe jezt die Minute, die zwiſchen Kälte und Wärme,
zwiſchen Empfindlichkeit und Empfindſamkeit ſo das Mittel hält, daß
ich mit Ihnen von Ihnen ſelber mit der reinen Gleichmüthigkeit vol
Wohlwollen ſprechen kan als wenn ich in der zweiten Welt drüben einer 10
abgeſchiednen Seele die Ihrige zu malen hätte. Wär’ es möglich, daß
jeder von uns zweimal da wäre und im moraliſchen Sin ſich ſelber
ſähe: ſo wäre jeder beſſer — wüſten wir gewis, wir haben gewiſſe
Fehler, wir legten ſie ab.
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Ich betheuere Ihnen, ich denke jezt an den Ewigen und an ſein Auge, 15
vor dem mein enthültes Herz mit dem enthülten Vorſaz liegt, ohne
Einmiſchung meines Ichs die kleinen Schatten des Ihrigen zu ſchildern.
Alle kraftvolle Menſchen halten das Recht des Stärkern für ein
Recht, ſie leiden über ſich keinen Szepter, weil ſie ſelber einen führen
wollen. Daher ſind die meiſten Genies egoiſtiſch. Ihr Talent, das ſie 20
erſt verdienen müſſen, machen ſie zu einem Vorwand gröſſerer
Foderung; das Geſchenk iſt ihnen ein Recht auf Tribut. Die ganze
Dankbarkeit, die der geiſtig Reichere gegen den Schöpfer hat, beſteht
darin, daß er deſto mehr von den ärmer Gelaſſenen fodert, anſtat daß
gerade die Menſchen vom meiſten Werth den andern am meiſten — 25
ſchuldig ſind und nichts zu fodern, ſondern nur mehr zu geben haben.
Ihr Egoiſmus kömt von etwas beſſerem her als von Ihrer Erziehung
— denn Ihre nächſte Schweſter hat ihn nicht; und ſo iſt Ihre Seele
wieder umgekehrt von andern, dieſer Erziehung anhängigen Mängeln
ganz rein, z. B. von Verſtellung — Sie verſtehen mich immer falſch 30
über dieſen Vorwurf, als wär’ ich das Opfer deſſelben, da ich doch
meiſtens deſſen Ausnahme bin ...
Am lezten Tage dieſes Jahrs um ¾ auf 8 Uhr.
Eine andere Stunde mag das Vorige fortſezen; laſſen Sie mich jezt,
Seele in meiner Seele, den lezten abrinnenden Tag des Jahrs mit 35
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(2016-11-22T15:02:06Z)
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Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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